SPD zieht nach zehn Jahren Agenda 2010 Bilanz: Die Resozialisierung des Gerhard Schröder
Nach achtjähriger Abstinenz gehört Gerhard Schröder wieder ganz zu seiner Partei. Doch ein paar Dinge würde er ganz anders angehen als die Genossen.
Es ist lange her, dass Gerhard Schröder wegen seiner Reformpolitik als Architekt des Sozialabbaus und Verursacher sozialer Kälte im Land geschmäht wurde – und das nicht nur von Gewerkschaften und PDS, sondern auch von Mitgliedern seiner eigenen, der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Als der Ex-Kanzler am Dienstagnachmittag nach fast acht Jahren zum ersten Mal wieder im Saal der SPD-Fraktion erscheint, stehen die Abgeordneten auf und spenden lange Beifall. Zehn Jahre nach seiner Rede gegen den Irakkrieg und zum Start der Agenda 2010 gehört der 68-Jährige wieder ganz dazu, wie er mit leiser Ironie anmerkt. „Der freundliche Applaus sagt mir, dass meine Resozialisierung auf gutem Wege ist.“
Als Schröder später vor die Presse tritt, strahlen seine Augen unter den buschigen Brauen. Das viele Lob zum zehnten Jahrestag, der Beifall der SPD-Abgeordneten haben ihm gutgetan. „Mich hat das gefreut“, sagt er mit dunkler Stimme und räumt ein, Korrekturen an seinem Reformwerk durch seine Partei seien in Ordnung, wenn nur das Grundprinzip Fordern und Fördern erhalten bleibe: „Die Agenda sind nicht die Zehn Gebote, und ich bin schon gar nicht Moses.“
Für seine Nachfolgerin im Kanzleramt hat Schröder trotz aller angeblichen Zurückhaltung, die er sich auferlegt habe, wenig Freundliches parat. Vor den Parlamentariern erinnert er daran, dass Angela Merkel damals eine andere Haltung vertrat: „Wenn es nach der damaligen Oppositionsführerin gegangen wäre, hätten deutsche Soldaten am Krieg teilgenommen und wären womöglich immer noch da.“ Vor der Presse beantwortet er später dann die Frage, wie die CDU-Kanzlerin mit seinem Reformwerk umgegangen sei. „Man tut ihr nicht unrecht, wenn man sagt: Hinzugefügt hat sie nichts“, meint Schröder und blickt in die Runde. Nur die Kurzarbeiterregelung habe sie weitergeführt, aber für die sei der Arbeitsminister verantwortlich gewesen. Der hieß Olaf Scholz, ist Sozialdemokrat. „Ansonsten“, so das Resümee des Agenda-Mannes, „ist da nicht viel gewesen.“
Nur mit einem wichtigen Text der gegenwärtigen SPD und ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück tut sich Schröder sichtlich schwer – nämlich mit dem am Montag verabschiedeten Wahlprogramm, das einen deutlichen Linksruck markiert. „Das Eine oder Andere“, so deutet er an, würde er wohl anders machen. Aber zu einem klaren Kommentar will er sich nicht durchringen. Jetzt seien andere in der Verantwortung. „Ich bin politisch nicht mehr aktiv“, meinte der Gast und nimmt sich dann vor, er wolle deshalb „schlicht mal das Maul halten.“