Milliarden, Billionen, Trillionen: Die Politik im Riesensummenfieber
Die "schwarze Null" ist Steinzeit, neuerdings wird mit Geld nur so herumgeschmissen. Das führt zu der Frage, was in den politischen Köpfen vorgeht. Eine Kolumne.
Es ist schon recht irre. Alle reden vom Geld. Besonders in Krisenzeiten mangelt es vielen ja schon am Kleingeld. Aber daneben gibt es noch das ganz große Geld. Hierüber wird von Washington bis Brüssel fast immerzu geredet – und trotzdem nicht wirklich. Weil es längst um eigentlich unfassbare Summen geht. Um viel mehr, als dass dieses große Geld noch eine reale und mehr als nur statistische oder Onkel-Dagobert-artig märchenhafte Vorstellung ergibt.
Einst waren eine Million eine Menge und eine Milliarde eine Unmenge Geld. Spätestens seit Weltfinanz- und Euro-Krise geht es unter dem Stichwort „whatever it takes“ für Notenbanken, die EU oder die USA immer mal wieder um mehrere Hundert Milliarden oder zuletzt beim Brüsseler Gipfel um insgesamt etwa 1,8 Billionen. Ob Euro oder Dollar, spielt schon fast keine Rolle mehr.
Was passiert hier eigentlich in den politischen Köpfen? Die Frage gilt ausnahmsweise nicht dem jeweiligen Sinn von (über-)staatlichen Hilfsmaßnahmen. Im Prinzip stehen die gerade gar nicht infrage. Aber staunen muss man doch über die rasante Umwertung aller eben noch scheinbar gültigen Geldwerte.
Die „schwarze Null“ ist bereits Steinzeit. Trotzdem leben wir in einem Land, in dem vor Kurzem noch eine Kassiererin wegen eines falsch verwendeten Pfandbons gekündigt wurde, in dessen Hauptstadt angeblich das Geld fehlt, um marode Klodeckel in den Schulen zu ersetzen oder ein paar Stellen für Radwegeplaner zu besetzen.
Ein Land im Milliardenmodus, in dem zwischen Politik und Wirtschaft zugleich um Centbeträge eines Mindestlohns von bis heute weniger als zehn Euro pro Stunde gestritten wird. Gleichzeitig zückt der Bundesfinanzminister seine „Bazooka“, was irgendwie nach einer Fortentwicklung der Schrotflinte (oder Gießkanne) klingt, aber ein Arsenal von finanziellen Atomraketen meint.
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Es geht um fantastische Summen, und dazu läuft die Notenpresse. Oder tanzen die Kurven und Zahlen auf den (im Kino) grünstichigen Schirmen. Merkwürdigerweise aber folgt aus der immer neuen Geldschwemme keinerlei Inflation, was vermutlich nicht einmal die Hälfte aller Bundestagshaushälter sich und anderen so ohne Weiteres finanztheoretisch erklären könnte.
Auch die Aktienmärkte reagieren völlig anders als erwartet. Nach einem ersten Coronaschocktief im März boomen die Kurse, als gäbe es kein Virus, keinen Klimawandel, keinen Trump, kein Hongkong. Das scheue Reh namens Kapital war gestern. So wie das Wort Realwirtschaft. Heute rast eine unfassliche, kaum kontrollierbare Kapitalmasse um den Globus und nährt sich selbst am Überfluss.
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Dennoch, eine Milliarde Arme auf dieser Welt bleiben hiervon fast unberührt. Und selbst auf der wohlhabenderen Nordhalbkugel dürfte vielen Menschen die Frage nicht ganz fremd sein, die der Komödiendichter Johann Nestroy einst eine Figur stellen ließ: „Die Phönizier haben das Geld erfunden. Aber warum so wenig?“ In der Parallelwelt jedoch gibt es Geld in unfasslicher Menge.
So tut sich die Schere zwischen Reich und Arm im politischen Bewusstsein auf neue Weise auf. Traditionell wäre nun auch von einer staatlichen Schuldenkrise die Rede. Die Bazooka ballert ja kreditfinanziert. Aber selbst das zählt immer weniger. Der US-Sozialforscher David Graeber von der London School of Economics hält Kredite für einen 5000 Jahre alten Motor menschlichen Fortschritts, andererseits seien Schulden (wie Schuld) nur noch „eine theologische Frage“. Sind sie nur hoch genug, werden sie wohl ohnehin nie ganz zurückgezahlt.
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