Energiewende: Die Politik bremst die Sektorkopplung aus
Der Fachanwalt Martin Maslaton kritisiert, dass das bestehende Fördergesetz für erneuerbare Energien die Nutzung von Überschussstrom in der Wärmeversorgung oder im Verkehr nahezu unmöglich mache. Ein Gastkommentar.
Damit die Energiewende gelingt, müssen die Strom- und Wärmeerzeugung miteinander verzahnt und auch der Verkehrssektor mit einbezogen werden. Dazu bekennt sich die Politik jeden Tag. Doch die bestehenden Gesetze bremsen die „Sektorkopplung“ aus.
Die Energiewende ist bislang vor allem eine Stromwende, und diese läuft besser als gedacht: Die EEG-Umlage wird absehbar sinken, neue Wind- und Solarkraftwerke sind heute günstiger als Gas, Kohle und Atom. Die in Ausschreibungen erreichten Vergütungen lassen einen deutlichen Kostenrückgang erwarten. Bei der Windenergie auf See wollen erste Betreiber auf staatliche Zuschüsse verzichten. Und dennoch läuft die Energiewende nicht rund.
Denn der Stromsektor macht nur knapp 40 Prozent des Energieverbrauchs aus, Wärme (35 Prozent) und Verkehr (26 Prozent) liegen gemeinsam deutlich vorn. Politiker aller Parteien bekennen sich praktisch täglich zur dringend notwendigen Kopplung dieser Sektoren. Doch jetzt kommt es darauf an, fossile Energieträger auch in den Bereichen Wärme, Kälte und Verkehr peu à peu durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Und hier zeigt sich: Der gesetzliche Apparat ist historisch darauf ausgerichtet, diese Bereiche zu trennen, statt sie zu verbinden.
Hürden für Power-to-Gas
Prominentestes Beispiel ist Power-to-Gas. Das Verfahren ist technisch weitgehend ausentwickelt: Strom wird mit Hilfe eines Elektrolyseurs in Wasserstoff umgewandelt und anschließend mit CO2 angereichert – Methan entsteht. Dieses Methan lässt sich direkt für die Wärmeerzeugung nutzen, als Kraftstoff in Fahrzeugen einsetzen oder im mehr als 530.000 Kilometer langen deutschen Erdgasnetz speichern. Überschüssiger Wind- und Solarstrom ist geradezu prädestiniert dafür, auf diese Weise umgewandelt, gespeichert und genutzt werden: für die Wärme- oder Kälteversorgung, um Elektrofahrzeuge zu betreiben oder als Kraftstoff für Wasserstoff-Fahrzeuge. Und solche Überschüsse aus fluktuierenden Energieträgern treten immer wieder auf, beispielsweise bei Netzengpässen, die zu teilweise umfangreichen Anlagenabschaltungen und damit zu einer Vernichtung von Wind- und Solarstrom führen. Daneben gibt es aber auch immer häufiger Zeiträume, in denen die Strompreise an der Strombörse aufgrund eines Überangebots an Strom bei 0,00 Cent pro Kilowattstunde oder sogar darunter (!) liegen.
Power-to-Gas kann dazu beitragen, diesen Strom sinnvoll zu nutzen. Die Erzeugung könnte vor Ort geschehen, die vorhandenen Windräder und Solaranlagen müssten nicht – gegen jeden gesunden Menschenverstand – abschaltet werden, um das Stromnetz zu entlasten. 2015 gingen allein in Schleswig-Holstein so knapp drei Millionen Megawattstunden Strom verloren. Das ist mehr als der Stromverbrauch von einer Million deutschen Haushalten.
Es fehlt die Wirtschaftlichkeit
Doch Power-to-Gas Verfahren sind nicht wirtschaftlich, die rechtlichen Rahmenbedingungen geben ihnen schlichtweg nicht genug Rechtssicherheit: So schafft etwa Paragraph 27a des EEG 2017 ein „Eigenversorgungsverbot“ für Wind- und Solaranlagen, die an der Ausschreibung teilgenommen haben. Strom aus diesen Anlagen darf also nicht für eigene Power-to-Gas-Projekte des Betreibers eingesetzt werden. Zwar sind gerade bei Netzengpässen oder in Zeiten negativer Strompreise Ausnahmen ausdrücklich zugelassen, allerdings unter sehr engen Voraussetzungen. Abseits dieser Ausnahmen sind die Sanktionen gravierend – bereits ein auch nur marginaler Stromeigenverbrauch in einer Power-to-Gas-Anlage führt zu einem Wegfall der EEG-Förderung für das gesamte Kalenderjahr. Dies birgt erhebliche Betreiberrisiken und konterkariert die Möglichkeiten, die Energiesektoren sinnvoll miteinander zu verzahnen. Nur wenn der Solar- oder Windradbetreiber ganz aus der Einspeisevergütung aussteigt, kann er den Strom uneingeschränkt für Power-to-Gas nutzen. Aber selbst dann wird der Strom durch Umlagen und Steuern häufig viel zu teuer: Stromsteuer, Umsatzsteuer, EEG-Umlage und andere Preisbestandteile werden auf die eigentlichen Stromgestehungskosten aufgeschlagen. So rechnet sich die Nutzung von Strom für Wärme oder als Treibstoff nicht. Und die Energiewende bleibt in einer Sackgasse stecken.
Die Bundesregierung kommt da nur raus, wenn sie als ersten Schritt die Nutzung des überschüssigen Stroms mit geringeren bürokratischen Hürden ermöglichen würde. Interessenten wie Greenpeace Energy stehen bereit.
Wirtschaftlicher Konkurrenzdruck und technischer Fortschritt lassen die Kosten der Erneuerbaren schneller purzeln, als der Gesetzgeber sich das ausgemalt hat. Die Aufgabe einer neuen Bundesregierung nach der Wahl am 24. September 2017 wird vor allem darin bestehen, den enormen Fortschritt der erneuerbaren Stromerzeugung auch für Wärme und Verkehr nutzbar zu machen.
Professor Martin Maslaton, Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH Leipzig, Fachanwalt für das Recht der Erneuerbaren Energien
Martin Maslaton