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In der Öffentlichkeit geht er's lässig an. US-Notenbankchef Jerome Powell.
© Jonathan Crosby / REUTERS

Internationale Geldpolitik: Die Party ist vorbei

Vom Krisenmodus zum Normalbetrieb: Wie können die Notenbanken das Ende der Nullzinspolitik einleiten? Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

Die Luft wird dünner. Als der amerikanische Notenbankchef Jerome Powell an diesem Freitag den „Fortschritt“ der amerikanischen Wirtschaft bei der Bewältigung der Covid-19-Krise lobte, wird der eine oder andere Börsenmakler sein Depot vorsichtshalber bereits wetterfest gemacht haben. Denn „Fortschritt“ heißt in diesem Fall: Die Zeit der ultralockeren Geldpolitik geht zu Ende, womöglich noch in diesem Jahr. Und was für die USA gilt, gilt mit Zeitverzögerung auch für Europa – egal, wie es in Rom, Berlin oder Amsterdam gerade läuft.

Nur weil Jerome Powell bei seiner Ansprache keinen konkreten Zeitpunkt nannte, blieben am Freitag alle erst einmal gelassen. Noch wird die Party an den Börsen nicht abgeblasen. Doch wenn die amerikanische Notenbank in diesem Winter ihre Nachfrage nach Anleihen und Wertpapieren zurückfährt, dürften die Preise für die Schuldpapiere steigen, die für Aktien dagegen sinken, und aus den Immobilienmärkten wird die Luft weichen. Die Inflation wird sich verlangsamen und sich auf die zwei Prozent einpendeln, die die Geldpolitiker in aller Welt für heilsam und richtig halten.

Geplant ist das als geschmeidiger Anpassungsprozess, mit dem die Notenbanken aus dem Krisenmodus in den Normalbetrieb wechseln wollen. Zuerst wollen sie nicht mehr so viele Anleihen und Papiere kaufen. Dann gar keine mehr. Und dann sollen irgendwann auch die Zinsen wieder steigen.

Doch wie kriegt man die Kurve, ohne zu bremsen? Vor dieser Frage stehen in diesen Wochen auch Europas Notenbanker. Die einen raten, noch mal ordentlich Gas zu geben und zu hoffen, dass der Schwung reicht. Die anderen wollen den Motor langsam auslaufen lassen und das Fahrzeug sachte in die neue Richtung steuern. Und dann gibt es noch ein paar, die ein scharfes Bremsmanöver empfehlen, weil es für eine unfallfreie Lösung schon zu spät sei.

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Die meisten Zentralbanker gehören zurzeit zur mittleren Fraktion. Sie planen den Ausstieg aus ihren Aufkaufprogrammen für das kommende Jahr, damit vielleicht im Jahr 2023 das Ende der Nullzinspolitik eingeleitet werden könnte. Der wirtschaftliche Aufschwung soll bis dahin so stabil sein, dass er das Doping der Geldpolitiker nicht mehr braucht.

Schuldner (und Finanzminister) bekommen also noch einmal Aufschub, Sparer werden noch lange Monate warten müssen, bis sie wieder Zinsen für ihr Geld sehen. Doch die Risiken nehmen mit jeder Woche zu, in der der alte Kurs weitergefahren wird. Der Countdown läuft.

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