zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist durch ihre Flüchtlingspolitik angreifbar geworden.
© dpa

Schwarz gegen Rot nach Schwarz-Rot: Die Operation "Harter Hund" in der Union

In der Union wird um die Rückeroberung einer Kompetenz gewetteifert, die sie lange unangefochten für sich beanspruchen konnte. Das allein wird für Wahlsiege nicht reichen.

Wahlkampfslogans zählen vor Beginn des Wahlkampfs zu den gut gehüteten Geheimnissen in den Parteizentralen. Bei der Union indessen zeichnet sich schon heute eine Standardformel ab, die man bis September noch sehr häufig hören wird: Es gehe jetzt und künftig um eine Politik mit "Maß und Mitte". Das Begriffspaar findet sich in der "Saarländischen Erklärung", die der CDU-Bundesvorstand am Wochenende bei seiner Klausur an der Saar verabschieden wird; selbst von CSU-Chef Horst Seehofer war es schon zu hören. Die Kanzlerin Angela Merkel als ruhender Pol in unruhigen Zeiten – wenn sie sich im Konrad-Adenauer-Haus einen Ideal-Wahlkampf backen könnten, wäre das die zentrale Botschaft.

Doch zugleich ist unübersehbar, dass Merkels beruhigend zur Kanzlerinnen-Raute geformten Hände diesmal nicht reichen werden. Merkel ist durch ihre Flüchtlingspolitik angreifbar geworden. Die frühe Willkommens-Kanzlerin prägt bis heute das Bild, das Wähler sich von der CDU-Chefin machen. Das mag ihr, wie selbst CSU-Strategen eingestehen, neue Stimmen von Wählern aus der eher linken Mitte einbringen.

Doch der Bürger rechts davon will auch umworben sein. Und so läuft inzwischen eine Art Operation "Harter Hund": Neben, vor, manchmal mit Billigung, gelegentlich aber auch im Rücken der eigenen Kanzlerkandidatin wetteifert die zweite Reihe um die schärfste Reaktion auf Terror, Kriminalität und diffuse Ängste vor den Fremden im Land. Es geht um die Rückeroberung einer Kompetenz, die die Union lange unangefochten für sich beanspruchen konnte.

Den Aufschlag hatte der Bundesinnenminister gemacht, ausdrücklich unterstützt von der Chefin. Dass Thomas de Maizière mit seinem Katalog der selbst ernannten Super-Sicherheitspartei CSU gleich zu Jahresanfang den Wind aus den Segeln nahm, war ein durchaus erwünschter Nebeneffekt. Die CDU will der kleinen Schwester das Feld nicht überlassen – wohl wissend, dass Horst Seehofers Forderung nach einer "Obergrenze" auch bei eigenen Anhängern verfängt, denen es egal ist, ob Verfassung und Völkerrecht Grenzen zulassen oder nicht.

Zugleich bereitet das Manöver den geplanten Friedensgipfel der Unionsparteien Anfang Februar in München vor. Seehofer hat den zwar unter Vorbehalt gestellt. Aber außer der "Obergrenze" fällt selbst führenden Christsozialen nicht mehr viel an Differenzen ein, womit der CSU-Chef eine Absage noch rechtfertigen könnte.

Zumal der Harte-Hund-Wettstreit mit de Maizières Vorstoß nicht endet. Kurz vor der Saar-Klausur legt Landeskollege Thomas Strobl aus Baden-Württemberg noch eins drauf: Statt maximal 18 Monaten Abschiebe-Haft für "Gefährder" will der CDU-Bundesvize kriminelle, unkooperative oder islamistischer Terror-Nähe verdächtigter Asylbewerber bis zur Abschiebung in Haft nehmen lassen, egal wie lange das Verfahren dauert.

Strobl denkt bei solchen Vorstößen natürlich auch an die eigene Zukunft in einer Zeit nach Merkel. Kurz vor dem CDU-Parteitag im Dezember hatte er nach dem gleichen Muster mit Vorschlägen auf den von ihm selbst mitformulierten Leitantrag aufgesattelt. Da kann die Parteifreundin Julia Klöckner nicht zurückstehen: Die Rheinland-Pfälzerin plädiert einmal mehr für "Transitzentren" an der Grenze zur besseren Kontrolle aller Flüchtlinge und Asylsuchenden.

Die AfD legt im Politbarometer wieder zu

Die Forderung, Staaten die Entwicklungshilfe zu kürzen, die sich bei der Abschiebung ihrer Staatsbürger aus Deutschland bockig zeigen, verfolgt die CDU übrigens nicht weiter. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte sie zurückgewiesen, sein Schwiegersohn Strobl bringt als Druckmittel jetzt nur noch die Visa-Gewährung ins Spiel.

Traut man der Demoskopie, geht das Doppelspiel für die CDU bisher auf. Im jüngsten "Politbarometer" verzeichnet die AfD zwar nach dem Anschlag am Breitscheidplatz wieder einen leichten Anstieg auf 13 Prozent. Die FDP legt sogar kräftig zu auf sechs Prozent – womöglich hat die knallige Parallele, die CDU-General Peter Tauber zwischen FDP und AfD zog, den Liberalen zusätzlich Aufmerksamkeit beschert. Tauber gab sich in der "Saarbrücker Zeitung" denn auch "ein bisschen" zerknirscht.

Aber wenn der Terror von Berlin sich überhaupt in den Umfragen widerspiegelt, dann zulasten des linken Lagers. Die Sozialdemokraten sieht die Forschungsgruppe Wahlen derzeit bei 21 Prozent dümpeln, die Linken bei neun und die Grünen unverändert bei zehn Prozent. Bliebe das bis September so, könnten nur die nächste große Koalition oder ein schwarz-grün-gelbes Jamaika-Bündnis eine Mehrheit zusammenbekommen.

Aber ein Dreivierteljahr ist eine lange Zeit in der Politik. Dass Flüchtlings- und Sicherheitsfragen im Herbst keine Rolle mehr spielen werden, glaubt zwar niemand; aber alleine darauf setzen wollen Merkel und ihre Truppen nicht. So erklärt sich, dass Finanzminister Schäuble kurz vor der Klausur Steuersenkungen in Aussicht stellt und die "Saarländische Erklärung" den Dreiklang bekräftigt, den die CDU bei der Verwendung von Etatüberschüssen anschlagen will: ein Drittel für Steuersenkungen vor allem für Klein- und Normalverdiener, ein Drittel für Investitionen, den Rest für Verteidigung und Schuldentilgung.

Allerdings – Geldsegen soll es erst nach der Wahl geben. Merkel unterstützt Schäubles Plan, die 6,2 Milliarden Euro Überschüsse für 2016 nur zum Schuldenabbau zu verwenden. Es sei "vernünftig", in guten Zeiten zu tilgen, ließ sie Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten. Das Geld jetzt für Straßenbau und andere Investitionen zu reservieren, sei ohnehin sinnlos, sagen Schäubles Leute. Es fehle Bund, Ländern und Gemeinden nicht an Mitteln, sondern schlicht an der Bau- und Planungskapazität.

Zur Startseite