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270 Leute arbeiten in der neuen Abteilung von Arndt Freytag von Loringhoven.
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Nato-Geheimdienst: Die Nummer Drei der Nato

Der Diplomat Arndt Freytag von Loringhoven führt den Geheimdienst des Verteidigungsbündnisses. Er soll den Westen vor IS-Terror und russischer Aggression schützen.

Der Geheimdienstkoordinator der westlichen Allianz empfängt in einem kleinen Büro mit überschaubarer Sitzecke im Nato-Gebäude in Brüssel. Arndt Freytag von Loringhoven ist 61 Jahre alt, ein schlanker, groß gewachsener Mann. Ein Verwandter des gelernten Diplomaten war im Widerstand gegen Hitler aktiv, Loringhoven strahlt Freundlichkeit und große Gelassenheit aus. Sprechen darf man mit ihm als Journalist – zitieren allerdings lässt er sich nicht.

Loringhoven, deutscher Topbeamter und gelernter Chemiker, ist der Chef des Nato-Geheimdienstes. Er war in Paris und Moskau auf Posten und zuletzt in Tschechien Botschafter. Er ist der ranghöchste deutsche Nato-Mitarbeiter. Als einer von acht beigeordneten Generalsekretären kommt Loringhoven in der Nato-Hierarchie an Nummer drei nach Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der Mann verfügt über reiche Geheimdienst-Erfahrung. Von 2007 bis 2010 war er Vize des BND.

Das westliche Verteidigungsbündnis hatte die Gründung eines eigenen Dienstes auf Initiative der USA beim Gipfel in Warschau 2016 beschlossen. Zu einer Zeit, in der sich der Westen größerer Bedrohungen längst bewusst geworden war. Russland trat aggressiver auf und hinzu kamen die Aktivitäten von islamistischen Terrornetzwerken wie etwa IS und Al-Kaida sowie deren Zellen in der westlichen Welt. Loringhovens Geheimdienst ist im politischen Nato-Hauptquartier in Brüssel angesiedelt und heißt offiziell „Joint Intelligence and Security Devision (JISD)“, (Deutsch: Gemeinsame Abteilung für Aufklärung und Sicherheit).

270 Mitarbeiter zählt Arndt Freytag von Loringhoven zu seiner Abteilung. Bei weitem nicht alle davon sind im Dienst der Auswertung unterwegs. Darum kümmern sich lediglich 75 seiner Leute. Der Rest, knapp 200 Nato- Beschäftigte der JISD, ist mit der Eigensicherung der Nato, Personenschutz und Gegenspionage beschäftigt.

Mitte Februar 2017 wurde die Abteilung aufgestellt und dabei auf Mitarbeiter zurückgegriffen, die sowohl aus dem internationalen zivilen Stab als auch aus dem militärischen Stab kamen. Ziel war es, in der westlichen Allianz erstmals eine komplett integrierte zivil-militärische Geheimdienst-Abteilung aufzubauen. „Die Struktur der Abteilung spiegelt damit das veränderte Bedrohungsszenario wider“, erläutert ein hoher Nato-Beamter. Der Westen sei heutzutage nicht mehr nur militärischen, sondern auch hybriden sowie zivilen Bedrohungen ausgesetzt. Dazu gehörten Cyberattacken etwa auf den Bundestag, sowie mit digitalen Mitteln verbreitete Falschpropaganda. „Die Komplexität der Gefahren können wir besser mit einem gemischten Team abbilden.“ Der Anstoß zum Aufbau einer Dachabteilung bei der Nato sei aus den USA gekommen, wo man nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine neue integrierte zivil-militärische Aufklärungseinheit gebildet hatte. Das JISD habe in seiner Struktur daher auch Ähnlichkeiten mit der US-Dachorganisation.

Strategische Geheimdienstarbeit

Die JISD-Mitarbeiter sind nicht die einzigen bei der Nato, die Geheimdienstfunktion haben. Vor allem im belgischen Mons, wo eines der beiden strategischen militärischen Hauptquartiere (Shape) angesiedelt ist, sind weitere Geheimdienstler tätig. Was die JISD-Mitarbeitern von anderen Aufklärungsspezialisten bei der Nato unterscheidet: „Unser Geschäft ist ausschließlich die strategische Geheimdienstarbeit“, erläutert der Insider. Das heißt, der JISD wird nicht selbst operativ tätig, etwa bei eigener Informationsbeschaffung. Es geht stattdessen darum, die großen Entwicklungen im militärischen, zivilen und hybriden Bereich mitzubekommen, abzubilden und zu analysieren. Der Nato-Diplomat wird konkret: „Nehmen Sie eine Militäroperation russischer Kräfte auf dem Gebiet der Ukraine, das ist so gravierend für alle Nato-Länder, da haben wir den Anspruch, dieses Ereignis ab dem ersten Tag geheimdienstlich zu begleiten.“

Woher bekommen Loringhoven und seine Leute die Informationen? Sie verfügen nicht über eigene Instrumente zur Aufklärung, sondern sind darauf angewiesen, Informationen von den Geheimdiensten der 29 Nato-Mitgliedstaaten zu bekommen. Es läuft permanent ein interaktiver Prozess zwischen den JISD-Leuten und den Geheimdiensten im Bündnis.

Anhand der Informationen, die in Brüssel vorliegen, werden inhaltliche Schwerpunkte herausgearbeitet und gezielt Fragen an die nationalen Behörden gerichtet. Mit Hilfe der Antworten wird ein Lagebild erstellt und den Entscheidungsträgern in der Nato bei konkreten Anlässen zur Verfügung gestellt – etwa vor wichtigen Treffen im Bündnis.

Klar ist damit, dass Loringhoven und seine Analysten nur so gut informiert sein können, wie die Dienste der Mitgliedstaaten liefern. Man wünsche sich immer mehr Informationen, könne sich aber über die Bereitschaft, Wissen zu teilen, nicht beschweren, heißt es in Brüssel. Geheimdienste seien zwar gewohnt, Informationen bilateral auszutauschen. Das Teilen von Wissen mit großen Organisationen wie etwa der Nato und der EU sei für manche aber noch Neuland. Sie müssten sich daran gewöhnen, dass die andere Seite einen sicheren Umgang mit als geheim eingestuftem Material gewährleiste. Der JISD hat die Erfahrung gemacht, dass Mitgliedsstaaten Informationen aus zwei Motiven mitteilten: Zum einen geschehe es aus Pflichtbewusstsein gegenüber der Verteidigungsallianz. Zum anderen aus dem eigenen Interesse, das Lagebild der Nato selbst mitzubestimmen. Manche Nationen nehmen etwa die Bedrohung durch Russland stärker wahr als andere und wollen das gemeinsame Lagebild deshalb mit beeinflussen.

In diesen Zeiten, in denen Amerika an vielen Stellen dem multilateralen Ansatz abschwört, könne sich der JISD dennoch über mangelnde Kooperation seitens der US-Dienste nicht beklagen, heißt es im Nato-Dienst. Im Gegenteil: Die Zusammenarbeit mit den Amerikanern sei von Anfang an eng und sehr gut gewesen. Die US-Dienste seien immer sehr deutlich in ihren Analysen wie etwa beim Thema der Beeinflussung des US-Wahlkampfes durch Moskau.

Aktuelle Herausforderungen für den Nato-Geheimdienst

Und welches Lagebild zeichnet der Nato-Geheimdienst in diesen Wochen? Ein Nato-Diplomat analysiert die Bedrohung durch den islamistischen Terror: „Die Bekämpfung des Islamischen Staates in Syrien und Irak war zwar überaus erfolgreich.“ Die internationale Koalition habe maßgeblich dazu beigetragen, dass dem islamistischen Terror die territoriale Basis sowie Finanzquellen entzogen wurden. Noch immer gehe davon aber eine „erhebliche Gefahr“ aus. Etwa die Hälfte der Kämpfer, die aus dem Ausland nach Syrien und Irak gekommen und sich dem IS angeschlossen hätten, seien zwar untergetaucht, aber immer noch vor Ort. Der IS und Al-Kaida unterhielten zudem ein weites Netz mit Filialen in weiten Teilen Afrikas, des Nahen Osten, Asiens, etwa Jemen, bis hin zu den Philippinen. „Die Ausdehnung ist massiv, es handelt sich um ein komplexes, überlappendes Netzwerk, das hochgefährlich ist.“ Und der JISD gehe auch davon aus, dass derzeit etwa 1000 bis 2000 Kämpfer aus den Reihen des IS in Europa sind. „Von jedem einzelnen geht eine potentielle Gefahr aus“, sind sich die Experten der Nato sicher.

Im Verhältnis zwischen Russland und der Nato stellt das Jahr 2014 eine Zäsur dar, als Russland den Krieg in der Ostukraine anzettelte und anschließend illegal die Krim annektierte. Seither rüstet das Land mit Massenvernichtungswaffen auf, bricht den Atomwaffen-Abrüstungsvertrag INF. Moskau hat angekündigt, etwa sechs neue nukleare Trägersysteme anzuschaffen. Dazu komme die hybride Bedrohung: Moskau versuche, sich in die demokratische Meinungsbildung im Westen einzumischen und benutze dabei im großen Stil „Bots“, Computerprogramme zur Verbreitung von Falschpropaganda.

Die Nato will sich wehren. Bei Einsätzen können künftig Cyber-Waffen benutzt werden, über die Mitgliedstaaten wie etwa Dänemark und Großbritannien verfügen. Die Nato betont dabei, dass offensive Cyber-Fähigkeiten für Gegenschläge immer nur verhältnismäßig und in Übereinstimmung mit internationalem Recht eingesetzt würden.

Zudem habe Moskau in Montenegro einen Putsch angezettelt, um dessen Mitgliedschaft in der Nato zu hintertreiben, heißt es in Brüssel.

Und dann hat Moskau erstmals seit 1945 mit dem Anschlag auf den Ex- Spion Sergeij Skripal versucht, mit chemischen Waffen auf europäischem Boden einen Bürger umzubringen. Auch im Nato-Geheimdienst war man überrascht, als in den Wochen danach Details über die Operation der russischen Spione enthüllt wurden, etwa Passdaten und Mobilfunknummern von russischen Geheimdienstlern. Beim JISD rätselt man, ob der russische Geheimdienst wirklich so plump war – oder ob es sich dabei um eine vermittelte Drohung an den Westen handelt, mit der sich Loringhovens Leute auseinandersetzen müssen.

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