Streit über Rechtsextremen-Demo in Hannover: Die NPD ist auch im Niedergang noch eine Gefahr
Die NPD steckt tief in der Krise, provoziert aber weiter – nun will sie gegen Journalisten demonstrieren. Die Verzweiflung führt jedoch auch zu kuriosen Ideen.
Das Siechtum der NPD wirkt unaufhaltsam, dennoch erregt sie jetzt Aufmerksamkeit. Die rechtsextreme Partei will am Sonnabend in Hannover gegen den NDR-Journalisten Julian Feldmann und weitere Reporter demonstrieren. Die Empörung darüber ist groß und erfasst auch den Landtag. Auf Anfrage der Grünen kündigte Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) eine Prüfung an. Die Gewerkschaft Verdi und die Grüne Jugend Hannover rufen zu Gegendemonstrationen auf.
Verfassungsfeinde ziehen vors Verfassungsgericht
Es gebe „eine hohe Emotionalität“, sagte eine Sprecherin der Polizei dem Tagesspiegel. Am späten Donnerstagabend wurde schließlich der Aufmarsch von der Polizei verboten. Neue Quellen hätten zu der Einschätzung geführt, dass von der Versammlung eine „unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit“ ausgehe.
Doch auch ein Verbot bedeutet vermutlich noch nicht, dass die Demonstration unterbleibt. Die Rechtsextremen klagten vor dem Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung und haben am Freitagmittag Recht bekommen. Die Polizei wiederum wendet sich jetzt an das Oberverwaltungsgericht.
Der Fall zeugt von einer bizarren Dynamik in den Resten der NPD. Je mehr die Partei schwächelt, desto schriller tritt sie auf. Mit einer Demonstration gezielt einen Journalisten als Feindbild zu markieren, ist selbst für NPD-Verhältnisse ungewöhnlich. Julian Feldmann, der schon länger von Neonazis angefeindet wird, hat wegen eines Beitrags im Magazin „Panorama“ über den ehemaligen SS-Mann Karl M. zusätzlichen Hass auf sich gezogen. Der Film wurde im November 2018 gesendet, doch die Szene schäumt noch immer. Im Beitrag befragt Feldmann den Altnazi, der 1944 an einem Massaker in Frankreich beteiligt war, aber einer Strafe entging. Dem Journalisten sagte Karl M., er bereue nichts. Dass der inzwischen verstorbene Kriegsverbrecher im Fernsehen vorgeführt wurde, ist für die NPD ein Sakrileg. Doch in der Wut macht sie Fehler.
Im Demo-Aufruf war erst von „Gerechtigkeit“ für M. die Rede. In einer weiteren Version geht es jedoch um „Rache für Karl“. Eine Steilvorlage für den Innenminister. „Rache ist der unverhohlene Aufruf, sich an jemandem zu rächen, und das geht nun mal nur mit Gewalt und Bedrohung“, sagte Pistorius im Landtag. Die Rechtsextremen haben mit dem Aufruf zur Rache an einem Journalisten ein Argument für ein Verbot der Demo geliefert.
"Stimmenkonto" um 90 Prozent verringert
Trotz der Schlagzeilen kann die NPD kaum hoffen, den Niedergang aufzuhalten. Kurz vor dem 55. Jahrestag ihrer Gründung steckt die älteste rechtsextreme Partei in der Bundesrepublik in einer existenziellen Krise. Bei den Wahlen in diesem Jahr scheiterte die NPD regelmäßig an der Einprozenthürde zur staatlichen Teilfinanzierung. Bei der Europawahl büßte die Partei auch ihren einzigen Abgeordneten ein. Udo Voigt musste das Parlament in Straßburg verlassen. In Brandenburg trat die Partei gar nicht an. Wesentlicher Grund für die Debakel: Die AfD drückt die NPD an die Wand.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt in einer Analyse, das „Stimmenkonto“ der NPD habe sich 2019 um 90 Prozent verringert. Das bedeutet einen Verlust von 400 000 Euro Staatsgeldern. Und beim Bundesverfassungsgericht liegt der Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, der NPD jede finanzielle Förderung aus Steuermitteln zu entziehen. Vermutlich werden die Richter in Karlsruhe im kommenden Jahr den Fall verhandeln.
Verzweiflung führt zu kuriosen Ideen
Das Risiko, dass die Antragsteller scheitern wie bei den zwei Verbotsverfahren gegen die NPD, erscheint kalkulierbar. Das Bundesverfassungsgericht selbst hatte im Januar 2017 im Vorwort zum Urteil im zweiten Verbotsverfahren angeregt, die staatliche Teilfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien zu überprüfen. Der Bundestag änderte dann im Juni 2017 das Grundgesetz.
Die NPD verzweifelt an ihrer desolaten Lage, das führt zu kuriosen Ideen. Der Chefredakteur der Parteizeitung „Deutsche Stimme“, Peter Schreiber, hat jetzt vorgeschlagen, sich vom Namen „NPD“ zu verabschieden.