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Die neue Afd-Vorsitzende Frauke Petry.
© dpa

Pressestimmen zum Parteitag der AfD: "Die neue Chefin weckt Radikalisierungserwartungen"

Die Alternative für Deutschland hat eine neue Führungsmannschaft. Nach dem chaotischen Parteitag in Essen ist nun Frauke Petry die starke Frau der AfD. Ein Blick in die Kommentare anderer Zeitungen und Online-Portale.

Von Lutz Haverkamp

Mit der Person Frauke Petry befasst sich "Zeit online" und sagt ihr ähnliche Probleme wie ihrem Vorgänger Bernd Lucke voraus: "Jetzt muss sie mit der inneren Dynamik der AfD klar kommen. Auch die neue Chefin weckt Radikalisierungserwartungen, die sie schwer befriedigen kann. Bremst sie diese, wird sie, außer dem Verdacht ihrer ,liberalen' Gegner, schon bald den Frust ihrer rechten Unterstützer auf sich ziehen. Gibt sie dem rechten Flügel einfach nach, wird sie dem politischen Exzess kaum Herr werden. Der Kampf, den Lucke gerade verloren hat, steht Petry jetzt bevor."

"Spiegel online" findet wenig Positives in der personellen Neuaufstellung der AfD: "Es ist ein wildes Weltbild, das sich da offenbart: Angst vor Muslimen, vor der angeblichen Allmacht der USA, vor der Homo-Ehe, vor dem Aussterben der (weißen, christlichen) Deutschen. In der AfD hat sich längst eine deutsche Parallelwelt formiert. Dieser ganz eigene Kosmos, ähnlich dem von Internetforen, hat sich weitgehend immunisiert gegenüber einer sich rasant wandelnden Gesellschaft."

Die "Neue Osnabrücker Zeitung" sieht keine Zukunft mehr für die AfD: "Das war es dann wohl, adieu AfD. Nicht dass der vom Hof gejagte Parteigründer Bernd Lucke ein Garant für das Überleben dieser Pöbeltruppe gewesen wäre. Doch mit dem Auszug des wirtschaftsliberalen Aushängeschilds mutiert die als Bündnis für Eurokritiker angetretene Partei endgültig zur NPD light. Damit wird sie unwählbar. Auch wenn die neue Nummer eins, Frauke Petry, unverzüglich eine Rückrufaktion für Luckes internen 'Weckruf'-Verein gestartet hat, offenbart die AfD ihr wahres Gesicht: Es ist eine hässliche, rassistische, islamfeindliche und homophobe Fratze. Immer wenn ein Wortbeitrag Hetze enthält, wahlweise gegen Ausländer, 'Scheinasylanten', Schwule, Muslime, die 'Altparteien' oder die 'Lügenpresse', jubelt die Basis. Andere Meinungen werden ausgebuht. Das ist abscheulich und primitiv.

Die "Stuttgarter Zeitung" schreibt zur Wahl von Frauke Petry zur neuen AfD-Vorsitzenden: "An der demokratischen Entscheidung für Petry gibt es zwar nichts zu deuteln, aber Petrys Erfolg ist ein Pyrrhussieg. Die Sachkunde und Glaubwürdigkeit von Lucke, Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty war für viele Wähler aus dem bürgerlichen Lager eine Empfehlung. Es ist nicht zu erkennen, dass Petry mit ihrem Führungsteam dieses Vakuum ausfüllen kann. Mit dem eingeleiteten Rechtsruck sind die Wahlchancen der AfD ungewiss. Zu den positiven Erfahrungen der bundesrepublikanischen Geschichte gehört, dass Rechtsausleger einen schweren Stand haben."

Die "Frankfurter Rundschau" kommt zu einem etwas anderen Schluss: "Mit Petry hat sich die Partei die genau passende Anführerin gewählt. Eine provozierende Demagogin, einen Machtmenschen, der etwas werden will, der hemmungslos Ängste schürt und sich für keine Grobheit zu schade sein wird. Petry spielt gerne mit dem Feuer, sie ist deutlich skrupelloser und deutlich kälter als Lucke. Sie hat sich nie verstellt, sie will eine nationalkonservative Partei, die rechts von der CDU alles aufsaugen kann. (...) Und wahrscheinlich geht ihre Rechnung auf, die Zeiten sind danach: Der zu erwartende Mitgliederschwund durch enttäuschte Lucke-Anhänger wird durch den Zuwachs rechtsaußen locker ausgeglichen. Dazu muss sie nur weiter die Tonlage verschärfen, hier ein bisschen hetzen, dort ein bisschen Öl ins Feuer gießen. Dann kommt das Pegida-Volk gerannt."

"Der Standard" aus Wien zeiht Vergliche zur FPÖ in Österreich: "Petrys Truppe hat nun gute Chancen, zu einem bedeutenden Faktor in der deutschen Politik zu werden und die Mehrheitsverhältnisse in vielen Ländern und Gemeinden umzukrempeln. Und bis zur Bundestagswahl 2017 hat sie genug Zeit, um sich als stärkste Oppositionskraft gegen die große Koalition zu profilieren und dadurch der Union, der SPD, der FDP und den Linken Millionen von Wählern abspenstig zu machen. Wenn das gelingt, dann ereilt Deutschland bald das gleiche strukturelle Dilemma wie Österreich: Die Stärke populistischer Kräfte, die nicht regierungsfähig sind, zwingen die etablierten Parteien zur Zusammenarbeit, was wiederum den Populisten das fruchtbare Feld der unzufriedenen Protestwähler überlässt."

Zum künftigen Kurs der AfD nach der Wahl von Frauke Petry zur Parteivorsitzenden heißt es in der "Rheinpfalz" aus Ludwigshafen: "Politiker sind gut beraten, ins Volk hineinzuhören, ihm, wie Luther es formuliert hatte, 'aufs Maul' zu schauen. Aber verantwortliche Politik sollte sich zugleich davor hüten, dem Volk nach dem Mund zu reden, mit vermeintlich einfachen Lösungen, die der Komplexität der Lage nicht gerecht werden, auf Stimmen- und Wählerfang zu gehen - vor allem, wenn dabei die Gefahr besteht, dass Ressentiments gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen geschürt werden. Wer diesen Hinweis zurückweist, weil es keine 'Denkverbote' geben dürfe und man 'so etwas doch noch sagen' können müsse, der muss sich nicht wundern, wenn er - bewusst oder unbewusst - Radikalen und Extremen die Tür öffnet." (mit dpa/AFP)

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