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Das Kohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen vor einem Braunkohletagebau: Die Renaissance der Kohle hat mit dazu beigetragen, dass der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre schneller wächst als in den 30 Jahren zuvor.
© dpa

Rekordwert von Treibhausgasen in der Atmosphäre: Die Meere sind sauer

Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre und in den Ozeanen erreicht Rekordwerte. Die WMO schlägt zwei Wochen vor dem Klimagipfel von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York Alarm.

2013 ist der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre stärker gestiegen als in jedem anderen Jahr seit 1984, dem Zeitpunkt, seitdem die Werte regelmäßig gemessen werden. Im Durchschnitt lag der Wert bei 396 ppm (Teilchen pro einer Million Teilchen), berichtet die Welt-Meteorologie-Organisation (WMO) in Genf. Vor Beginn der Industrialisierung lag der Wert bei 278 ppm. Zugleich hat die Versauerung der Ozeane ein Maß erreicht, das in den vergangenen 300 Millionen Jahren noch nicht da gewesen ist. Demnach nehmen die Weltmeere vier Kilogramm CO2 pro Person und Tag auf, ein Viertel des globalen CO2-Ausstoßes. Die wieder angesprungene Weltkonjunktur hat zu dieser Entwicklung beigetragen, kann aber nach Angaben der WMO den Sprung von 2012 auf 2013 nicht ganz erklären.

Die WMO vermeldet ein halbes Dutzend neuer Klimarekorde. Der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre hat im vergangenen Jahr im Schnitt 396 ppm erreicht. Das Tempo der Meeresversauerung ist beispiellos, jedenfalls im Rückblick auf die vergangenen 300 Millionen Jahre. Auch der Gehalt von Methan und Lachgas in der Atmosphäre hat Höchststände erreicht. Dabei ist Kohlendioxid (CO2) für 65 Prozent der Treibhauswirkung verantwortlich, Methan (CH4) für 17 Prozent und Lachgas (N2O) für sechs Prozent, berichtet die WMO.

"Das CO2 bleibt mehrere hundert Jahre in der Atmosphäre"

Um die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung um 1750 zu halten, sollte der CO2-Gehalt 400 ppm nicht überschreiten, fordern die vom Untergang bedrohten Inselstaaten im Pazifik. Bei Klimakonferenzen werden Werte zwischen 480 und 550 ppm als Grenzwert gehandelt. Um das Klima zu stabilisieren, „muss der CO2-Ausstoß auf Null sinken“, sagt Anders Levermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Denn das heute ausgestoßene Kohlendioxid bleibe „mehrere hundert Jahre in der Atmosphäre“, sagte er dem Tagesspiegel.

So sauer waren die Ozeane 300 Millionen Jahre nicht

Aber nicht nur in der Atmosphäre gibt es ein Problem. Auch die Ozeane verändern sich so schnell, dass es für deren Ökosysteme bedrohlich wird. Levermann weist darauf hin, „dass die chemische Zusammensetzung der Meere auf lange Zeit verändert wird“. Zurückholen lasse sich das nicht. Welche Auswirkungen die Versauerung hat, sei noch kaum verstanden, sagt Levermann. Wendy Watson-Wright, Chefin der Ozeanischen Kommission der Unesco, hat in Genf das aufgezählt, was bekannt ist: Die saure Umgebung verschlechtert die Lebensbedingungen für Lebewesen, die Kalkpanzer bilden, wie Muscheln oder vor allem Korallen. Die Korallenriffe der Welt sind schon jetzt in schlechtem Zustand. Die Fischerei und die Erwärmung der Meerestemperaturen setzen ihnen zu, in der Karibik sind viele Riffe längst ausgebleicht und sterben jetzt schon ab.

Merkels Absage bringt den Klimagipfel in New York ins Rutschen

WMO-Chef Michel Jarreaud sagte in Genf: „Wir müssen diesen Trend umkehren und den CO2-Ausstoß schnell vermindern. Uns läuft die Zeit davon.“ Das findet auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon. Deshalb hat er die Staats- und Regierungschefs in zwei Wochen nach New York eingeladen, um den stockenden Klimaverhandlungen einen Schub zu geben. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesagt hat – sie spricht an dem Tag lieber vor dem deutschen Industrieverband BDI – schicken auch andere wichtige Staaten ihre Umweltminister. Dass der amerikanische Präsident, Barack Obama, kommt, hat das offenbar nicht verhindern können.

Ursachen: Renaissance der Kohle und Wirtschaftswachstum

Dem WMO-Bericht ist zu entnehmen, dass das Tempo der Zerstörung noch einmal deutlich zugenommen hat. In den vergangenen zehn Jahren stieg der CO2-Gehalt in der Atmosphäre im Schnitt um 2,1 ppm im Jahr. Von 2012 auf 2013 waren es 2,9 ppm. So schnell ist dieser Wert in den 30 Jahren, die er gemessen wird, nie von einem Jahr auf das nächste gestiegen. Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), sagte dem Tagesspiegel: „Der Bericht macht zwar nicht deutlich, worin der starke Anstieg von 2012 auf 2013 begründet ist.“ Aber der Weltklimarat habe im April gezeigt, dass „der starke Anstieg in den vergangenen zehn Jahren auf die Renaissance der Kohle und auf das Wirtschaftswachstum zurückzuführen ist“. Edenhofer fügte hinzu: „Es spricht vieles dafür, dass sich dieser Trend fortsetzt.“

IEA-Chefin rät zu Energieeffizienz

Von Klimaverhandlungen ist schnelle Abhilfe nicht zu erwarten. Die mexikanische Botschafterin in Berlin, Patricia Espinoza, riet aber dazu, „Versprechen zu halten“. Sonst entstehe kein Vertrauen, um 2015 in Paris ein Klimaabkommen abzuschließen. Was den Staaten dabei helfen könnte, ist nach Maria van der Hoevens Überzeugung die Energieeffizienz. Die Chefin der Internationalen Energieagentur weist darauf hin, dass Energieeffizienz nicht nur dabei helfe, weniger Treibhausgase auszustoßen, sondern auch der Gesundheit und wirtschaftlicher Modernisierung diene. Das sei klimapolitisch und wirtschaftlich klug, sagte sie dem Tagesspiegel.

Anmerkung der Redaktion: In diesem Text ist ein Satz zum Tempo der Versauerung der Meere nach einem Hinweis eines Lesers korrigiert worden. Der ursprüngliche Satz lautete: "Zugleich hat die Versauerung der Ozeane ein Maß erreicht, das in den vergangenen 300 Millionen Jahren noch nicht da gewesen ist." Dieser Satz wurde folgendermaßen korrigiert: "Das Tempo der Meeresversauerung ist beispiellos, jedenfalls im Rückblick auf die vergangenen 300 Millionen Jahre. " Danke an Armin Ulrich, der auf den Fehler aufmerksam gemacht hat.

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