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Helmut Schmidt ist seit 50 Jahren SPD-Mitglied.
© Georg Ismar

SPD in der Krise: Die Leiden des Helmut Schmidt

Er ist Namensvetter des Altkanzlers. Nach 50 Jahren Mitgliedschaft in der SPD glaubt Schmidt, dass die Partei den Kontakt zu Volk und Mitgliedern verliert.

Helmut Schmidt hat etwas geschafft, was der prominentere Helmut Schmidt nie geschafft hat. Er hat zu Lebzeiten mit dem Rauchen aufgehört. „Am 13.Juli 1993“, sagt das SPD-Mitglied. Sein emotionalstes Erlebnis in der Partei? "Die letzte Parteitagsrede von Helmut Schmidt 2010 in Berlin." Direkt danach habe sich der inzwischen verstorbene Altkanzler aus Hamburg noch im Saal eine Zigarette angesteckt. Er durfte halt überall rauchen.

Der Berliner Helmut Schmidt ist nun 50 Jahre in der Partei, aber er hadert, ringt. Vermisst die großen Debatten. Zu viel Karriere, zu wenig persönlicher Kontakt. Der Tagesspiegel begleitet ihn in den nächsten Monaten – in einer Zeit, in der die Sozialdemokratische Partei um die Existenz kämpft.

Helmut Schmidt ist 1969 in die SPD eingetreten – wegen Willy Brandt. "Mehr Demokratie wagen", "der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden", "der Norden dieser Erde lebt auf Kosten des Südens" – Sätze wie diese seien heute aktueller denn je: Umwelt- und Klimaschutz, kein Raubbau an der Erde auf Kosten der Entwicklungsländer.

Er ist bereits beim vierten Parteibuch, vollgeklebt mit Bezahlmarken für die Parteimitgliedschaft. "Früher hatten wir noch den Kassierer, der lief im Kiez rum, kassierte die Beiträge, wusste so genau, welche Sorgen die Leute bewegen." Heute gebe es einen Dauerauftrag – und fertig. Die jährliche Quittung für den Jahresbeitrag klebt er weiter in das Parteibuch ein. Der Kassierer ist für ihn ein gutes Beispiel, warum die SPD vielerorts den Kontakt zu Mitgliedern verloren hat.

Ingenieur Schmidt kennt das Leben, mischt sich weiter ein

Der gelernte Ingenieur Schmidt, 76 Jahre alt, kennt das Leben, mischt sich weiter ein. Von 1978 bis 1992 war Schmidt Professor an der Fachhochschule der Deutschen Bundespost in Berlin, 1992 wurde er Gründungsrektor der Fachhochschule Brandenburg. Von 2002 bis 2003 war er Oberbürgermeister in Brandenburg an der Havel, schied dann gesundheitsbedingt aus dem Amt. Im dortigen Theater hatte Ex-Kanzler Schmidt mit Frank-Walter Steinmeier 2013 seinen letzten Wahlkampfauftritt für die SPD.

Der andere Helmut Schmidt hält das aktuelle Rennen um den SPD-Vorsitz für symptomatisch, ein quälend langer Prozess, personelle Selbstbeschäftigung. Und die von Format ducken sich weg - dabei sagte einst Rudolf Scharping, es gebe etwas Größeres als den Einzelnen, und das sei die Sozialdemokratie. Kreisen um sich selbst, selbstbezogen, die Dominanz der Funktionäre - Schmidt erinnert an die Worte von Sigmar Gabriel: "Wir müssen wieder da hin, wo es stinkt und brodelt."

Die von Greta Thunberg ausgelöste Klimaschutzbewegung ist für ihn ein gutes Beispiel, dass die Partei meist nur reagiert, nicht agiert. "Früher haben wir die Debatten bestimmt". Siehe Brandts Ost-Politik.

Warum duckt sich die SPD so oft weg?

Warum duckt sich die SPD so oft weg, ist nicht an der Seite der Bürger, wenn was schiefläuft? "Meinen Euro 5 Golf, den fahr ich jetzt so lange, bis er auseinanderfällt. Da gibt’s keine Nachrüstung mehr für." Warum dulde der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil als großer Anteilseigner von VW, dass die Autofahrer nicht angemessen für die Diesel-Betrügereien entschädigt werden? "Das ist eine große Schweinerei, was da passiert ist." Oder er schaut sich Berlin an, wie konnte eine SPD-geführte Landesregierung hunderttausende Wohnungen an den Konzern "Deutsche Wohnen" verkaufen? Er findet, dass da immer der Profit im Vordergrund stehe, berichtet von verwahrlosten Liegenschaften. "In der Genossenschaft gibt es so etwas nicht."

Im 50. Jahr der Mitgliedschaft schreibt Schmidt alle paar Wochen bilanzierende Briefe an den Kreisvorsitzenden der SPD Steglitz-Zehlendorf, bereits zehn an der Zahl. Antworten gibt es fast nie. Er räumt ein, die Ökonomisierung des Lebens, der Zeitdruck, die Beschleunigung, macht es auch für eine Partei so schwer, das Parteileben zu pflegen. Er kritisiert aber eine zu starke Fixiertheit auf Posten statt Inhalte. Und hat auch gegen die große Koalition gestimmt. "Es geht heute vor allem darum, ob man die, die politische Verantwortung tragen, unterstützt." Die SPD sei aber keine Gefolgschafts-Partei wie die CDU. Einen grundlegenden Bruch zu vielen Bürgern sieht er in der unter Rot-Grün begonnenen Privatisierungswelle – die viele Bürger heute in Form hoher Mieten bezahlen. Und bei Hartz-IV sei nicht Gerhard Schröders Reform an sich das Problem, sondern "dass die notwendigen Korrekturen der Fehler zehn Jahre lang verschlafen wurden".

Wo ist der Streit, das Ringen um innovative Konzepte? Die große Koalition hätte die SPD entkernt, zu viele Kompromisse, zu viel Verbiegen. "Die SPD kann sich nur in der Opposition wiederfinden", ist Helmut Schmidt überzeugt.

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