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Die EU-Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira.
© Doris Spiekermann-Klaas/Tsp

EU-Hilfen beim Kohleausstieg: „Die Lausitz wird einen erheblichen Anteil erhalten"

EU-Kommissarin Elisa Ferreira erwartet eine vorrangige Vergabe von EU-Hilfen an die Lausitz. Mit einem Übergangsfonds soll der Kohleausstieg abgefedert werden.

Die bisherige Vize-Gouverneurin der portugiesischen Zentralbank, Elisa Ferreira, ist in der neuen EU-Kommission dafür verantwortlich, Milliardenhilfen aus den EU-Kohäsionsfonds in Europa zu verteilen. Eine besondere Bedeutung in der Klimapolitik kommt zudem einem Übergangsfonds zu, mit dem der Kohleausstieg in den betroffenen Regionen in der EU abgefedert werden soll.

Frau Ferreira, Sie sind in der neuen EU-Kommission, die seit dem vergangenen Dezember im Amt ist, unter anderem für die EU-Hilfen aus den Kohäsionsfonds verantwortlich – also jene EU-Gelder, die den Zusammenhalt zwischen ärmeren und reicheren Regionen in der Gemeinschaft gewährleisten sollen. Worum geht es Ihnen bei dieser Aufgabe?
Ich habe mitten in der Euro-Krise als Europaabgeordnete gearbeitet und die EU in einer ihrer schwierigsten Phasen erlebt. Ich habe verfolgt, wie mein eigenes Land den Weg aus der Krise gefunden hat. Inzwischen können wir den Blick wieder nach vorne richten. Dies gibt mir große Hoffnung, dass wir wieder eine größere Nähe zu den Bürgern herstellen können. Das Motto der Kohäsionspolitik würde ich so beschreiben: Weil es in der EU einen offenen wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen einzelnen Regionen gibt, muss gleichzeitig eine Unterstützung für die Menschen in den schwächsten Gegenden sichergestellt sein. Niemand in der EU wird zurückgelassen.
Zu den größten Herausforderungen, welche die EU-Kommission in diesem Jahr bestehen muss, gehört der Streit ums Geld. Für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU zwischen 2021 und 2027 will Deutschland nur einen Beitrag von 1,0 Prozent der Wirtschaftskraft beisteuern, während die EU-Kommission 1,1 Prozent verlangt. Wie bewerten Sie die Position Deutschlands?
Ich gehe davon aus, dass dies noch nicht das letzte Wort aus Deutschland ist, sondern erst einmal eine Ausgangsposition. In der öffentlichen Debatte liegt der Fokus viel zu sehr auf der Zahl von 1,0, die in Deutschland genannt wird. Statt dessen muss man sich viel mehr die Vorteile vor Augen führen, die sich für Deutschland in der EU auftun: Berlin profitiert doch am meisten davon, dass wir einen offenen Binnenmarkt haben und eine Gemeinschaftswährung, die günstige Exportpreise für Deutschland sicherstellt. Diese Vorteile muss sich Deutschland auch etwas kosten lassen.
Befürchten Sie, dass der Green Deal, mit dem Kommissionschefin Ursula von der Leyen großflächig in den Klimaschutz investieren will, gefährdet sein könnte, wenn der mehrjährige EU-Finanzrahmen am Ende nur 1,0 Prozent der Wirtschaftskraft umfassen sollte?
In diesem Fall wäre der Green Deal ernsthaft in Gefahr. Wir brauchen nicht nur einen soliden EU-Haushalt, um die Herausforderung des Klimaschutzes zu meistern. Darüber hinaus müssen wir auch in erheblichem Umfang Gelder aus dem privaten Sektor mobilisieren, damit im kommenden Jahrzehnt EU-weit eine Billion Euro in die Energiewende investiert werden können. Denn der Green Deal bedeutet nichts Geringeres als eine industrielle Revolution. Wir können Autos oder Stahl nicht mehr wie in der Vergangenheit produzieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Privatwirtschaft, die auf der Suche nach nachhaltigen Produkten ist, hier mitziehen wird.
Nach den gegenwärtigen Planungen kann Deutschland zwischen 2021 und 2027 die Summe von 877 Millionen Euro aus einem Übergangsfonds erhalten – eine Summe, die mit Geldern aus dem Privatsektor auf insgesamt 12,8 Milliarden Euro gehebelt werden kann. Das Geld soll vor allem Regionen zugute kommen, die vom Ausstieg aus der Kohle besonders betroffen sind. Sind Sie sicher, dass es angesichts der bevorstehenden Budgetverhandlungen tatsächlich bei dieser Summe bleibt?
Ich kann mir so lange nicht sicher sein, bis das Europaparlament und die EU-Staaten ihre Zustimmung gegeben haben. Einige Mitgliedstaaten haben sich etwas schwer damit getan, dass auch ein so reiches Land wie Deutschland vom Übergangsfonds profitieren soll. Deutschlands Plan beim Kohleausstieg sieht Hilfen vom Bund für die betroffenen Regionen in Höhe von 40 Milliarden Euro vor. Andere EU-Länder verfügen nicht über vergleichbare Mittel. Aber der Kommission war es wichtig zu zeigen, dass auch für Menschen in benachteiligen Regionen in Deutschland Geld da ist. Niemand soll von den Hilfen ausgeschlossen werden.
Welche Regionen in Deutschland werden voraussichtlich am meisten vom Übergangsfonds profitieren?
Das lässt sich noch nicht beziffern, weil wir zunächst einmal mit den Zuwendungen auf nationaler Ebene rechnen. Die Kommission wird in den Gesprächen mit den nationalen Regierungen darauf achten, dass die schwächsten Regionen, die vom Kohleausstieg am härtesten betroffen sind, vorrangig berücksichtigt werden. Eines steht bereits jetzt fest: Die Lausitz wird einen erheblichen Anteil am Übergangsfonds erhalten. Auch das mitteldeutsche Braunkohlerevier um Leipzig und Nordrhein-Westfalen sind Regionen, die vom stark von dem Ausstieg aus der Braunkohle betroffen sein werden.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat argumentiert, dass Länder, welche die EU-Klimaziele nicht unterschreiben, auch keine Gelder aus dem neuen Fonds erhalten dürften. Teilen Sie seinen Standpunkt?
Wer in den Genuss des Übergangsfonds kommen will, muss einen Plan für die Entwicklung der betroffenen Regionen vorlegen. Dieser Plan muss wiederum im Einklang mit dem nationalen Klimaziel stehen. Für einige EU-Staaten bedeutet das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, eine riesige Herausforderung. Das darf man nicht unterschätzen.
Bislang hat Polen dem Ziel, dem zufolge die EU bis 2050 klimaneutral werden soll, noch nicht zugestimmt. Erwarten Sie, dass Warschau einlenkt?
Ich nehme demnächst in Polen den Dialog über den Klimaschutz und die europäischen Ausgleichszahlungen auf. Das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, mag in einigen Ländern mit einem gewissen Schrecken verbunden sein. Aber man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass das absehbare Ende des Bergbaus einen Strukturwandel darstellt, wie wir ihn in ähnlicher Form in Europa auch schon in der Textilindustrie oder im Schiffbau erlebt haben. Deshalb werden wir im Kern an unserer Klimapolitik nicht rütteln.
In der kommenden Woche wird das Vereinigte Königreich die EU verlassen. Was bedeutet der Austritt für die Kohäsionsfonds der EU?
Großbritannien ist in der EU ein Nettozahler. Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs wird auch zwangsläufig der Kuchen, der zu verteilen ist, kleiner. Das betrifft auch die Kohäsionsfonds. Deshalb müssen die verbleibenden EU-Mitgliedstaaten mehr einzahlen als bisher, um die durch den Brexit entstehende Lücke nicht allzu groß werden zu lassen.
Wie hart wird bei den EU-Budgetverhandlungen der Streit ums Geld auf der Ausgabenseite? Schließlich gehen die Empfänger von Agrarsubventionen davon aus, dass der Agrarhaushalt auch weiterhin rund ein Drittel des Gesamthaushalts umfassen wird. Dieser Ausgabenposten steht im Wettstreit zu dem Bereich, für den Sie zuständig sind.
Das sehe ich etwas anders. Die Agrar- und die Kohäsionspolitik sind zwei starke Pfeiler, auf denen das EU-Budget ruht. Seit Jahrzehnten haben diese beiden Politikbereiche zum Funktionieren der EU beigetragen. Jetzt sind neue Politikbereiche wie der Klimaschutz hinzugekommen. Aber gerade der Green Deal zeigt ja, dass bei der Mittelvergabe im Agrarbereich und bei der Kohäsionspolitik nicht mehr alles beim Alten bleibt. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn Regionen den digitalen Wandel zu ihrem Vorteil ummünzen, wird das auch von der EU belohnt. Wir wollen nicht, dass in Industrien investiert wird, die der Vergangenheit angehören.

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