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Wie zu jedem Freitagsgebet in den vergangenen Wochen blockierten auch heute hundertausende Anhänger der Houthi-Rebellen die Zufahrt zu Sanaas Flughafen.
© Reuters

Jemen: Die Lage in Sanaa eskaliert

Bei schweren Gefechten in der Hauptstadt sind über 120 Menschen getötet worden. Die Houthi-Rebellen griffen vor allem das Staatsfernsehen und die Iman-Universitätan. Der Flugverkehr wurde komplett eingestellt.

Kairo- Der Staatszerfall im Jemen nimmt immer dramatischere Ausmaße an. Am Freitag lieferten sich schiitische Houthi-Rebellen und sunnitische Stammeskämpfer in der Hauptstadt Sanaa schwere Gefechte, bei denen nach Angaben des Roten Halbmonds über 120 Menschen getötet und hunderte verletzt wurden. Der internationale Flughafen wurde komplett für den Luftverkehr gesperrt. Internationale Fluggesellschaften strichen am Freitag für vorerst 24 Stunden sämtliche Verbindungen nach Sanaa. Die Kämpfe konzentrierten sich vor allem auf den Norden der Hauptstadt, auf das Gelände des staatlichen Fernsehsenders sowie den Campus der Iman-Universität, die als Kaderschmiede fundamentalistischer Hardliner gilt. Nach Augenzeugenberichten lagen zahlreiche Leichen auf den Straßen zwischen ausgebrannten Fahrzeugen, während stundenlang Mörsergranaten explodierten. Tausende Bewohner flüchteten aus ihren Häusern und suchten in anderen Stadtteilen Unterschlupf. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Das jemenitische Fernsehen stellte sein Programm ein.

Rebellen weigern sich, die Protestscamps aufzulösen

Erst Anfang der Woche hatte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi den beiden politischen Hauptforderungen der Houthis nachgegeben und versucht, eine weitere Eskalation zu verhindern. Er setzte die sunnitisch dominierte Regierung ab, versprach Wirtschaftsreformen und nahm die Erhöhung der Spritpreise teilweise wieder zurück. Doch die Rebellen weigerten sich, im Gegenzug ihre Bewaffneten aus dem Stadtgebiet abzuziehen, ihre acht seit Mitte August errichteten Protestcamps aufzulösen sowie die Blockade der Flughafenstraße und mehrerer Ministerien zu beenden. Stattdessen griffen die Kämpfer erneut Stellungen der Armee und bewaffneter Milizen an, die loyal zur islamistischen Islah-Partei stehen, einem Zweig der Muslimbruderschaft. Man habe weitere Forderungen, erklärte ein Houthi-Sprecher gegenüber dem Sender „Al Dschasira“, ohne nähere Angaben zu machen.

Mit dem Sturz Salehs begann die Krise

Seit Mittwoch ist mit Jamal Benomar auch ein UN-Sondergesandter im Jemen, der zwischen beiden Lagern vermitteln soll – bisher ohne Erfolg. Zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat den Houthis in einer scharfen Deklaration vorgeworfen, die politische Übergangsphase des Landes zu untergraben. Nach Einschätzung der „International Crisis Group“ steht Jemens Übergangsprozess an der gefährlichsten Weggabelung seit 2011, dem Jahr des Sturzes von Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh. Nächsten Mittwoch will die Staatengruppe der „Freunde Jemens“ am Rande der UN-Vollversammlung in New York zusammenkommen.

Die Krise Jemens Existenzkrise hat nationale Ursachen, ist gleichzeitig aber auch Spiegelbild der wachsenden Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Kräften im Nahen Osten sowie zwischen den verfeindeten Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran. Die schiitischen Houthis machen etwa 40 Prozent der 35 Millionen Einwohner aus. Im letzten Jahrzehnt führten sie sechs Bürgerkriege mit über Hunderttausend Toten gegen die Zentralregierung Jemens. Sie fordern mehr Machtbeteiligung in Sanaa sowie mehr öffentliche Investitionen in ihren Siedlungsgebieten. Die von ihren Kämpfern attackierte Iman-Universität dagegen zieht sunnitische Fundamentalisten aus der gesamten Region als Studenten an, die Schiiten als Häretiker verunglimpfen. Der Campus besteht aus drei Fluchten schmuckloser Kastenhäuser, in denen Hörsäle, Büros und Wohnheime untergebracht sind. Gründer und Chef ist Abdel-Majid al-Zindani, den USA und Vereinte Nationen in ihren Al-Qaida-Listen als "globalen Terroristen" führen.
Amerikanische Sicherheitsexperten in Washington warnten jüngst bei einer Anhörung des US-Kongresses auch vor neuen Al-Qaida-Anschlägen. „Die Filialen in Jemen und Somalia sind nach wie vor extrem aktiv“, erklärte der Chef der Nationalen Antiterror-Behörde, Matthew Olsen, gegenüber den Abgeordneten.

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