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Kampf gegen Islamisten im Irak: "Die Kurden wissen, dass ihre kulturelle Existenz auf dem Spiel steht"

Martin Glasenapp, Nahostreferent bei der Hilfsorganisation Medico International, über den Terror des "Islamischen Staats", deutsche Waffenhilfe und die Hoffnungen der irakischen Flüchtlinge - ein Interview.

Herr Glasenapp, Sie sind für die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International im Nordirak unterwegs. Wie gefährlich ist die Lage?
Ich bin gerade in einem Flüchtlingslager, das keine 20 Kilometer vom Frontverlauf zwischen den Kämpfern des „Islamischen Staats“ und den kurdischen Streitkräften Peschmerga entfernt ist. Unmittelbar bedroht fühlt man sich hier derzeit nicht. Es herrscht so etwas wie angespannte Ruhe. Täglich kommen Menschen ins Lager, die Schutz suchen.

Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) scheint weiter auf dem Vormarsch zu sein. Sind die sunnitischen Extremisten überhaupt noch zu stoppen?

Eine schwierige Frage. In den kurdischen Gebieten, so ist zumindest mein Eindruck, herrscht Zuversicht, dass bei entsprechender Unterstützung die IS-Krieger gestoppt werden können. Das Selbstbewusstsein ist groß, es melden sich deshalb viele Freiwillige, um die Islamisten zu bekämpfen. Und man geht hier davon aus, dass es unter dem neuen Premier Haidar al Abadi schon bald eine irakische Regierung der nationalen Einheit geben wird. Wenn das klappt, wäre das nach Ansicht der Menschen die politische Voraussetzung, die Terroristen militärisch zu besiegen

Sind die Kurden denn ein Verbündeter im Kampf gegen die islamistische Miliz?
Die Kurden sind auf jeden Fall diejenigen, die sich im Nordirak mit großer Entschlossenheit den IS-Kriegern entgegenstellen. Und das hat handfeste Gründe.

Welche?
Die Kurden wissen ganz genau, dass ihre kulturelle und religiöse Existenz auf dem Spiel steht. Die werden sie mit aller Kraft verteidigen.

Bereist derzeit den Norden des Irak: Martin Glasenapp von Medico International.
Bereist derzeit den Norden des Irak: Martin Glasenapp von Medico International.
© Medico

Die Bundesregierung ist nun bereit, Waffen an die Kurden zu liefern. Ist das der richtige Weg, um den „Islamischen Staat“ in die Schranken zu weisen?
Viele Kurden befürworten ein solches Vorgehen, das ist klar. Ich finde allerdings, Deutschland sollte zuallererst die Flüchtlingshilfe ausbauen. Und Druck auf Ankara ausüben. Die Türkei ist weiterhin gleichermaßen ein wichtiges Transitland wie ein Ruheraum für den IS. Zudem sollte Deutschland darauf drängen, dass für die Kurden in der Türkei eine vernünftige politische Lösung gefunden wird. Einheiten der PKK waren es schließlich, die die Minderheit der Jesiden vor deren Auslöschung bewahrt haben

Hunderttausende sind auf der Flucht, die Not ist immens. Wie kann die Weltgemeinschaft den Menschen helfen?
Man kann sehr viel tun! In den Lagern auf kurdischem Gebiet ist die Solidarität mit den Vertrieben beeindruckend – egal, welcher Religion oder ethnischen Gruppe sie angehören. Das sollte man tatkräftig unterstützen. Viele Flüchtlinge glauben zwar, dass sie in den nächsten Monaten womöglich in ihre Heimat zurückkehren können. Doch so weit ist es noch nicht. Bislang sind die Menschen auf jede Hilfe angewiesen.

Das Gespräch führte Christian Böhme.

Martin Glasenapp (50) ist Nahost-Referent der Hilfsorganisation Medico International. Er bereist derzeit den Nordirak. Dabei geht es vor allem um die Situation in den Flüchtlingslagern.

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