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Sprengsätze, Randale und „Junker Jörg“: Die Krise der NPD verstärkt sich im Superwahljahr

Vier Monate vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern wirkt die NPD angeschlagen und muss eine folgenschwere Niederlage befürchten: den Rauswurf aus dem Landtag in Schwerin.

Berlin - In der letzten Umfrage liegt die rechtsextreme Partei nur bei drei Prozent, außerdem häufen sich negative Nachrichten aus anderen Ländern. Die jüngsten kommen aus Sachsen-Anhalt, wo auf das Debakel bei der Wahl im März nun ein harter personeller Einschnitt und die Abkehr vom Kurs der Verjüngung folgten. Die NPD in Sachsen-Anhalt tauschte am vergangenen Wochenende den Vorstand weitgehend aus und gab die optische Modernisierung auf, die über das Land hinaus als Signal wirken sollte.

Der bisherige Parteichef und Ex-Spitzenkandidat bei der Wahl, Matthias Heyder, sowie zwei führende Jungfunktionäre verloren beim Parteitag in Halberstadt ihre Posten. Die Delegierten wählten einen Vorstand, der traditionalistisch-altbacken wirkt und vom einstigen Chef der „Republikaner“ in Sachsen-Anhalt, Peter Walde, geführt wird. Walde ist Jahrgang 1945 und verkörpert das Gegenteil der Strategie einer renovierten Fassade, die Heyder, Jahrgang 1972, im Wahlkampf vertreten hatte. Aus dem Modernisierungsschub, den die NPD in Sachsen-Anhalt versucht hatte, wurde nun eine Rolle rückwärts.

Heyder hatte im Wahlkampf eine Riege von äußerlich smarten Jungakademikern aus der Nachwuchsorganisation der NPD, den Jungen Nationaldemokraten (JN), auf den vorderen Plätzen der Landesliste präsentiert. Obwohl die JN als Scharnier der Partei zur Szene der parteifreien Neonazis gilt, bastelten Heyer und sein Jungmännertrupp an einem freundlich-bürgerlichen, intellektuell aufgefrischten Image. Wäre Heyder mit den JN-Leuten in den Landtag gekommen, hätte die NPD vermutlich das propagierte Leitbild des Anwalts der kleinen Leute in Ostdeutschland stärken können, ohne nur dumpf zu wirken.

Dass die NPD dann bei der Landtagswahl mit 4,6 Prozent scheiterte, lag allerdings mutmaßlich an Heyder selbst. Kurz vor dem Termin waren Parolen eines Internetautors „Junker Jörg“ bekannt geworden, der den Bau von Sprengsätzen und die „Schändung“ linker Frauen propagierte. Auch wenn Heyder dementierte, als „Junker Jörg“ solche Sprüche abgelassen zu haben, war die Empörung groß. Das Landeskriminalamt leitete ein Verfahren ein. Die Staatsanwaltschaft wird bald entscheiden, ob Heyder angeklagt wird.

Selbst nach Ansicht von NPD-Leuten ist es Heyder zuzuschreiben, dass der sicher geglaubte Einzug in den Landtag misslang und ein strategisches Signal im Superwahljahr ausblieb. Als Landeschef war er erledigt. Und im Mai kam es zum Eklat im Bundesvorstand der Partei. Der Neonazi Thomas Wulff gab seinen Posten auf und zürnte, „die Unehrlichkeit sowie die fraglos geistig-moralische Armseligkeit eines Matthias Heyder“ sei „zu einem guten Teil“ für die herbe Niederlage in Sachsen-Anhalt verantwortlich.

Die NPD muss zudem weitere Rückschläge verkraften. Im Mai randalierten Neonazis in Berlin bei einem Aufmarsch, den der NPD-Funktionär Sebastian Schmidtke angemeldet hatte – keine Empfehlung für die Berliner Wahl im September. Ebenfalls im Mai scheiterte die Partei deutlich bei der Wahl in Bremen. Kurz darauf bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Strafe in Höhe von 2,5 Millionen Euro, die der Bundestag gegen die NPD nach einem fehlerhaften Rechenschaftsbericht verhängt hatte. Und die Niederlagen in Bremen und Sachsen-Anhalt verschärfen die Finanzkrise noch.

So klammert sich die Partei an die Hoffnung, wenigstens im September in Mecklenburg-Vorpommern den Wiedereinzug ins Parlament zu schaffen, in das sie 2006 mit 7,3 Prozent gekommen war. Sicherheitsexperten prophezeien allerdings, sollte die NPD aus dem Schweriner Landtag fliegen und nur die geschwächte Fraktion in Sachsen übrig bleiben, wäre der „Ost-Nimbus“ der Partei gebrochen.

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