OECD-Bericht: Die Kosten der Krise zahlen die Migranten
Das Risiko, arbeitslos zu werden, war für Migranten in vielen Staaten doppelt so hoch wie bei den Einheimischen, stellt die OECD fest. In Deutschland verlief die Entwicklung glimpflicher.
Berlin - Arbeitsmigranten in den Industrieländern hat die weltweite Krise deutlich stärker zugesetzt als einheimischen Kräften. „Die Bedingungen für Arbeitsmigration hätten nicht ungünstiger sein können“ als in dieser Zeit, stellt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen „Ausblick Migration 2011“ fest. Die gesunkene Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt habe sich sowohl in der Anwerbung ausländischer Kräfte wie in der übrigen Migration niedergeschlagen, heißt es in dem am Dienstag in Brüssel vorgestellten Bericht. In der OECD sind 34 Länderzusammengeschlossen, die meisten mit einem hohen Pro- Kopf-Einkommen.
Für Deutschland allerdings stellen die Experten eine vergleichsweise glimpfliche Entwicklung fest. Während im OECD-Schnitt zwischen 2008 und 2009 ein im Ausland geborener Arbeitnehmer ein doppelt so großes Risiko hatte wie ein Einheimischer, arbeitslos zu werden, sei dies nur in Deutschland und Luxemburg nicht so gewesen. Nur Deutschland und Chile hätten inzwischen auch insgesamt wieder eine Beschäftigtenquote wie vor der Krise.
Im Schnitt kamen 2009 16 Prozent weniger Arbeitskräfte auf Zeit in die Industrieländer als 2008 – wobei schon 2008 ein Verlustjahr war. Fast die Hälfte der OECD-Länder verzeichneten zehn Prozent weniger dauerhafte Migranten; Italien, Tschechien, Irland, Japan und Korea sogar ein Viertel oder mehr.
Einen guten Platz machen auch Deutschlands Studenten: Statistisch ziehen 1,6 Prozent der jungen Deutschen zwischen 20 und 24 Jahren zwecks Studium oder Ausbildung ins Ausland – das ist ein Spitzenplatz unter den Westlern, vom Ausreißer Zypern abgesehen, der 39 Prozent des Nachwuchses in alle Welt schickt. Nur ein Prozent der Italiener und verschwindende 0,2 Prozent der jungen Amerikaner tun es ihnen gleich. Chinesen und Inder stellen die meisten Auslandsstudenten weltweit – allerdings schafft nur ein sehr geringer Anteil in beiden Ländern den Schritt zum Auslandsstudium: 0,4 Prozent der jungen Chinesen und 0,1 ihrer indischen Altersgenossen. Die Zahl der ausländischer Studenten in den OECD-Ländern stieg während der Krisenjahre sogar stärker als zuvor, um fünf statt der zuvor durchschnittlichen drei Prozent.
Wie die OECD zudem feststellte, waren Männer unter den Migranten stärker von der Krise betroffen als Frauen. Das liege daran, dass die im Sozialwesen und auf Haushaltsjobs nicht so sehr durchschlug, während Felder wie Bau und Industrie stark schrumpften.
Berichte der OECD und ihrer Vorgängerorganisation zur Migration gibt es seit inzwischen 50 Jahren. Sie wurden im Zuge der massiven Arbeitsmigration der aufstrebenden europäischen Volkswirtschaften in den 50er und 60er Jahren eingeführt. Der aktuelle Bericht bilanziert auch eine längerfristige Entwicklung, nämlich eine Verschiebung der Wanderung nach Europa seit 2000. „Traditionelle Einwanderungsländer wie Deutschland und die Niederlande“, heißt es im Bericht, „wurden von neuen Einwanderungsländern wie Irland und Spanien überholt.“ Dort verdoppelte beziehungsweise verdreifachte sich in einem Jahrzehnt der Anteil der Migranten an der Wohnbevölkerung. In Finnland und Norwegen stieg er stark, um 66 und 61 Prozent.