Gottesdienste vor Ort trotz steigender Infektionszahlen?: Die Kirchen stehen Ostern vor einem Dilemma
Ostern ist das höchste christliche Fest. Die Hygienekonzepte sind gut, viele Senioren geimpft, Schnelltests vorhanden. Ein Unbehagen aber bleibt. Ein Kommentar.
So steht es im jüngsten Beschluss: „Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen, mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen.“ Geäußert wird eine Bitte, und gemeint sind offenbar die Tage von Gründonnerstag bis Ostermontag. Alles klar? Nein. Denn viele Fragen bleiben offen. Was ist mit den Sonntagen vor und nach Ostern? Was ist mit dem jüdischen Pessach-Fest, das am 27. März beginnt? Was ist mit dem islamischen Ramadan-Fest, das am 13. April beginnt? Wird das Gespräch nur mit den Amts- oder auch den Freikirchen geführt? Was passiert, wenn der Bitte nicht entsprochen wird?
Katholische und evangelische Kirche haben sich in den vergangenen Monaten vorbildlich auf die Bedingungen eingestellt, unter denen verantwortbar Gottesdienste gefeiert werden können.
Das fängt mit detaillierten Hygienekonzepten an und hört mit diversen digitalen Angeboten, die auch Gebetswünsche und Abendmahl umfassen, nicht auf. Viele Gemeinden haben ihre Aktivitäten nach draußen verlegt.
Sehnsucht nach Gemeinschaft
Die Befürchtung, dass es etwa an Weihnachten in Kirchen durch die Präsenz von Gläubigen zu vermehrter Ansteckung kommt, erwies sich als unbegründet. Mit den Schnelltests gibt es jetzt eine weitere Möglichkeit, die Infektionsrisiken zu minimieren. Immer mehr Senioren sind bereits geimpft.
Ostern ist das höchste Fest der Christen. Viele Gläubige sehnen sich – verstärkt durch die Pandemie-Sorgen – nach dem in Gemeinschaft erfahrenen Seelenheil. Nur wenige indes empfinden die digitale Präsenz vor dem Bildschirm als gleichwertig mit der realen Präsenz in der Kirche. Das erklärt den inständigen Wunsch, die Kirchentüren öffnen zu dürfen.
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Zwei Einwände müssen dennoch bedacht werden. Erstens sind evangelische und katholische Kirche Religionsgemeinschaften unter vielen. Die Rechte, die sie für sich selbst beanspruchen, müssen sie auch anderen zugestehen. Juden und Muslimen zum Beispiel, vor allem aber den christlichen Freikirchen, in denen die Infektionszahlen zum Teil sehr hoch waren.
Möglichst alle verzichten, damit es möglichst allen besser geht
Zweitens sollten Gläubige nicht den Eindruck erwecken, Vorzugsrechte genießen zu wollen. Oster-Gottesdienste seien etwas anderes als „die Öffnung irgendwelcher Geschäfte“, heißt es beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Solche Sätze können auf Geschäftsinhaber, die wegen des Lockdowns vor dem finanziellen Ruin stehen, anmaßend wirken. Die stärkste Kraft im Anti-Corona-Kampf bleibt die gesamtgesellschaftliche Solidarität. Möglichst alle verzichten, damit es möglichst allen bald besser geht. Wenn Christen aus diesem Konsens ausscheren, tun sie weder sich noch der Verbreitung ihres Glaubens einen Gefallen.
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