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Reinhold Robbe (60) ist seit fünf Jahren Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Von 2005 bis 2010 war der SPD-Politiker Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags.
©  Kai-Uwe Heinrich

Reinhold Robbe im Interview: „Die Israelis empfinden große Zuneigung gegenüber Deutschland“

Reinhold Robbe, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, über das besondere Verhältnis zwischen den Ländern, Vorurteile und das hohe Gut der Freundschaft.

Herr Robbe, welche drei Dinge schätzen Sie an Israel besonders?
An erster Stelle die Menschen im Land. Dieses bunte Zusammenspiel von ganz unterschiedlichen Gruppierungen und Mentalitäten, von Menschen unterschiedlichster Herkunft. Zweitens die Tatsache, dass man in Israel alle erdenklichen Entwicklungsmöglichkeiten hat. Das ist vielleicht nur noch vergleichbar mit den USA. Israel hat weltweit die zweitmeisten Start-up-Unternehmen und ist so strukturiert, dass insbesondere junge begabte wie begeisterungsfähige Menschen ihre Träume auch verwirklichen können.

Und drittens?
Dass dieses kleine Land so reich ist an Geschichte, an Kulturen und Religionen, die miteinander verwoben sind.

Das klingt alles sehr positiv. Viele Deutsche haben Umfragen zufolge aber eine ziemlich schlechte Meinung von Israel.
Richtig, das ist ein eklatanter Widerspruch. Auf offizieller Ebene, gerade von Politikern, wird fast ritualhaft behauptet, wir pflegten ein einzigartiges Verhältnis zu Israel, was dann in den schillerndsten Farben beschrieben wird. Aber die Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung ist offenbar anders, da gibt es Fremdheit und Misstrauen. In Israel ist das übrigens genau entgegengesetzt: Mehr als 70 Prozent aller Israelis haben ein sehr positives Bild von Deutschland.

Worauf beruht das?
Die Israelis sind sich ihrer isolierten Situation bewusst. In Europa stehen im Grunde nur Tschechien und Deutschland fest an der Seite Israels. Die Israelis wissen alle um die schrecklichen Dinge, die Deutsche ihren Großeltern angetan haben. Und trotzdem empfinden sie eine große Empathie und Zuneigung gegenüber unserem Land. Das beschämt mich persönlich. Und ich bin nicht bereit, diese Diskrepanz einfach hinzunehmen.

Wie kommt es zu der negativen Einstellung vieler Deutscher?
Ich erlebe immer wieder eine unglaubliche Unkenntnis. Zu wenige beschäftigen sich mit der wirklichen Situation Israels. Man muss einfach einiges wissen, um sich ein gerechtes Bild von Israel und dem gesamten Nahen Osten machen zu können. Ein anderer Punkt ist – da dürfen wir uns nichts vormachen – der Antisemitismus. Um die 20 Prozent der Deutschen sind laut Studien zumindest latent judenfeindlich eingestellt. Das ist nicht nur an Stammtischen zu spüren, sondern auch in vermeintlich feineren Kreisen. Beim Thema Israel werden da lauter Dinge ins Feld geführt, die in Debatten über andere Staaten niemals eine Rolle spielen.

Zum Beispiel?
Die in der Tat sehr ambitionierten Sicherheitsvorkehrungen, die Israel nicht erst seit heute trifft. Wer aber weiß, dass es vor dem Bau der Grenzbefestigungen zwischen dem Kernland und dem Westjordanland jeden Tag Selbstmordattentate gab, der wird sich kaum darüber wundern, dass die Grenze seit einigen Jahren hermetisch abgeriegelt wird.

Was kann man denn tun, um auch die positiven Seiten Israels zu vermitteln?
Man kann vor allem junge Menschen dazu anregen, sich mit dem deutsch-israelischen Verhältnis zu beschäftigen. Außerdem ist es gut, wenn man das Land selbst kennenlernt. Reist nach Israel, schaut euch um, redet mit den Leuten! Junge Menschen, die einige Zeit in Israel verbracht haben, kehren mit einem differenzierten, oft positiven Bild zurück. Sicherlich werden sie auch mit den Widersprüchlichkeiten und Problemen konfrontiert, aber sie beschäftigen sich danach oft ein Leben lang mit dem Thema – und haben in jedem Fall Freunde in Israel gefunden.

Aber gerade bei jungen Deutschen kommt Israel oft sehr schlecht weg. Wie passt das zusammen?
Die Gründe sind vielfältig. Sie reichen vom oftmals schiefen Israel-Bild in Schulbüchern bis zur einseitigen Berichterstattung vieler Medien. Es ist sehr viel einfacher und gerade für junge Menschen sicher auch attraktiver, einfache „Wahrheiten“ zu glauben, als über komplexe, historisch mühsam auseinanderzulegende Prozesse zu reflektieren und eine eigene Haltung dazu zu entwickeln.

Man hat den Eindruck, Israel wird nur auf den Nahostkonflikt reduziert.
Das ist genau der Punkt. Viele verstehen nicht, dass sich Israel in einer beispiellosen Lage befindet und sich gegen seine Feinde wehren muss. Der Sechstagekrieg 1967 war da ein wichtiger Einschnitt.

Inwiefern?
Israel wurde nicht mehr als ein David gesehen, sondern als Goliath. Als ein Land, das seine Nachbarn im Nahen Osten ständig mit seiner Stärke und den militärischen Fähigkeiten bedroht. Dabei wird stets außer Acht gelassen, dass der jüdische Staat sich stets nur gewehrt hat, wenn er angegriffen wurde. Jedem anderen Land wird das Recht zugestanden, sich zu verteidigen, wenn es in seiner Existenz bedroht wird. Israel nicht.

Halten Sie es für ungerecht, wie Israel gesehen wird?
Ich wundere mich jedenfalls manchmal, wie bequem sich Menschen von der eigenen Geschichte verabschieden und kein Verhältnis zu Tugenden wie Verantwortung und Solidarität haben. Und damit meine ich nicht etwa Schuldgefühle. Die heutigen Israelis haben unsere Freundschaft verdient.

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