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Der Organisation Attac, das Bild zeigt eine Attac-Demosntration am Samstag in Berlin, war die Gemeinnützigkeit aberkannt worden.
© dpa

Gemeinnützigkeit: Die große Angst vor dem Finanzamt

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen haben Probleme damit, das Finanzamt von ihrer Gemeinnützigkeit zu überzeugen. Das liegt an der rückständigen Abgabenordnung. Die Betroffenen fordern jetzt eine Reform.

Bildung geht immer. Völkerverständigung auch. Mit Menschenrechten haben Finanzbeamte dagegen ein Problem, und auch mit Homosexualität oder den Interessen schwarzer Menschen in Deutschland. Jedenfalls steuerrechtlich. Vereine, die sich für Belange wie diese einsetzen, müssen sich daher etwas einfallen lassen, damit das Finanzamt ihre Arbeit als gemeinnützig anerkennt. Nur dann können Spender ihre Zuwendungen von der Steuer absetzen. Und von Spenden sind die meisten Organisationen abhängig.

Der zuständige Finanzbeamte gibt deshalb manchmal sogar Ratschläge. So soll einem Verband, der sich für die Rechte Homosexueller einsetzt, empfohlen worden sein, die Förderung von Kultur in die Satzung aufzunehmen, weil bisher nur die Arbeit für die Gleichstellung von Mann und Frau und für die Förderung der Ehe gemeinnützig ist. Das Gesetz sei leider etwas rückständig.

In der Abgabenordnung sind genau 25 Betätigungsfelder für zivile Organisationen aufgeführt, die steuerrechtlich als gemeinnützig gelten. 2007 wurde sie zuletzt überarbeitet, doch auch Menschenrechte beispielsweise zählen noch immer nicht dazu. „Die Abgabenordnung trägt der Entwicklung der Zivilgesellschaft nicht Rechnung“, sagt Jörg Rohwedder. Er koordiniert eine Allianz von mehr als 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts fordern. Das größte Hindernis ist laut Rohwedder das „Beharrungsvermögen der Verwaltung“. Am politischen Willen fehle es dagegen nicht.

Bisher müssen sich die Organisationen mit Tricks behelfen

Bisher behelfen sich viele Organisationen damit, dass sie einen bereits anerkannten gemeinnützigen Zweck in ihre Satzung hineinschreiben. So wird aus einer Menschenrechtsorganisation eben eine zur Förderung der Völkerverständigung. Das ging lange gut. „Doch nun werden die Finanzämter strenger“, sagte Rohwedder am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Julia Duchrow von Brot für Welt sprach aber von einem „Trend“, dem Engagement zivilgesellschaftlicher Gruppen Grenzen zu setzen.

So wurde den Globalisierungskritikern von Attac im vergangenen Jahr die Gemeinnützigkeit abgesprochen. Das Finanzamt in Frankfurt urteilte, die Organisation verfolge allgemeinpolitische Ziele. Und mit Politik haben die Finanzämter nun wirklich ein Problem. Die „Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien und dergleichen“ zählen „grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken“, heißt es im Anwendungserlass zur Abgabenordnung. Auch das, sagen die Organisationen, sei nicht auf der Höhe der Zeit. Dem Gesetzgeber sei es ursprünglich darum gegangenen, der Finanzierung von Parteien durch Vereinen einen Riegel vorzuschieben. „Eine Umweltschutzorganisation muss heute aber zwingend Einfluss auf die Politik ausüben“, so Rohwedder.

Auch für Attac sind politische Kampagnen unverzichtbar. Attac-Geschäftsführerin Stephanie Handtmann glaubt, dass an ihrer Organisation möglicherweise ein Exempel statuiert werden solle. „Ein einzelner Finanzbeamter entscheidet sicher nicht ohne Rücksprache über unsere Gemeinnützigkeit“, sagte sie in Berlin. Attac sei vielen im politischen Raum ein Dorn in Auge. „Wir gelten als zu links und zu kapitalismuskritisch.“ Politisch von ganz oben gesteuert sei das Vorgehen gegen Attac aber wohl nicht.

Ulrike Scheffer

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