Hillary Clinton stellt Buch vor: Die gefragteste Frau Amerikas
Hillary Clinton begeistert die US-Amerikaner mit der Vorstellung ihres neuen Buches. Sie tingelt von Talkshow zu Talkshow, gibt zig Signierstunden - und beweist, dass sie für höhere Ziele geeignet ist.
Am Union Square in Manhattan schläft ein junger Mann in seinem grünen Schlafsack auf dem Bürgersteig. Der Mann, von dem kaum mehr als seine dunklen Haare zu sehen sind, campiert seit dem Abend hier, hinter einer Absperrung. Direkt an der Häuserzeile entlang führen Metallgitter. Dicht an dicht stehen, sitzen oder liegen Leute dahinter.
Zwei ältere Frauen sind gekommen, als es noch dunkel war. Sie haben sich für die Wartezeit ihre Campingstühle mitgebracht. Die meisten Leute stehen am Dienstagmorgen um 6 Uhr 30 einfach geduldig hinter den halbhohen Absperrgittern. Die führen um die Ecke in die Park Avenue, dann um die nächste Ecke in die 18. Straße. Bis acht Uhr wird die Menschenschlange einmal um den gesamten Block führen, zurück bis zu den Übertragungswagen der Fernsehsender. „Die ersten waren gestern Nachmittag um 14 Uhr schon da“, erzählt ein Sicherheitsbeamter. „Als ob es hier heute das iPhone 6 gäbe.“
In der 18. Straße lehnt sich Meghan, 28, an das Metallgitter. Sie trägt eine hellgelbe Hose und muss später noch in ihre Praxis. Aber noch eineinhalb Stunden lang stehen? Die Hose wird später in die Reinigung müssen, die junge Ärztin setzt sich müde auf einen der dreckigen New Yorker Bürgersteige. Mit ihr warten hier ein paar Hundert Menschen, auf den Moment, wenn um acht Uhr die erste Tür bei der Buchhandlung Barnes & Noble aufgeht.
Die Menschen stehen an für einen der 400 begehrtesten Plätze in ganz New York an diesem Tag. Um 11 Uhr soll Hillary Clinton eintreffen. Sie signiert ihr neues Buch „Hard Choices“, das am Dienstag weltweit erschienen ist. Wer unter den ersten 400 war, darf dann später stolz sein orangefarbenes Armbändchen tragen. Hillary Clinton, All Inclusive. Clintonmania.
67 Prozent der Amerikaner nennen Hillary Clinton eine starke Führungspersönlichkeit. 60 Prozent halten sie für ehrlich und vertrauenswürdig. 59 Prozent trauen ihr neue Ideen für Amerikas Zukunft zu und 55 Prozent meinen, sie verstehe die Probleme der Durchschnittsbürger. Seit Monaten geben 53 Prozent aller Amerikaner an, für Clinton stimmen zu wollen, sollte sie im Kampf um die nächste Präsidentschaft tatsächlich antreten wollen. „Sie muss es einfach machen“, sagt Meghan, die New Yorker Ärztin, in einem fast flehenden Ton.
Susan sitzt gute 50 Plätze hinter Meghan. Die ergraute 67-Jährige drückt es politischer aus. „Wir Frauen hoffen, dass Hillary die Barriere durchbricht.“ Die Frage scheint inzwischen gar nicht mehr zu sein, ob Clinton antreten will. Die Frage lautet eher: Kann sie bei all der Unterstützung und Hoffnung überhaupt noch zurück?
Um 11 Uhr 20 endlich klingt Jubel durch die hohen Säle von Barnes & Noble. Hillary Rodham Clinton ist da. Es ist der Auftritt einer Ikone. Im dritten Stock warten gerade 200 Leute in gewundenen Sicherheitsschlangen wie am Flughafen, um vom Secret Service, den Männern mit den schwarzen Handschuhen und dem unauffälligen verkabelten Knopf im Ohr, durchsucht zu werden. Im vierten Stock setzt Clinton sich an den Tisch des extra aufgebauten Podiums.
Rechts und links neben ihr sind hohe Türme zu sehen, es sind Stapel voller Bücher. Ein Kunde nach dem anderen schreitet am Tisch mit der ehemaligen First Lady entlang. Vor allem viele Frauen geben ihr die Hand, sie nimmt sich Zeit, hört zu und plaudert. Am Ende des Tisches nehmen die Leute ihr signiertes Exemplar entgegen. Nach mindestens fünf Stunden Wartezeit. Um 13 Uhr stehen auf der Straße noch immer Leute hinter den Metallgittern an und hoffen.
Ob Hillary Clinton sich als erste Frau um die amerikanische Präsidentschaft bewerben wird, diese Frage stellt sich zurzeit das ganze Land. Weil sie bisher noch keine Antwort gegeben hat, ist die erste Auflage des Buches, eine Million Exemplare, angeblich schon allein durch Vorbestellungen ausverkauft. Zahlreiche Veranstaltungsorte in vielen US-Städten sind für Signierstunden reserviert, Einkaufszentren, Ballsäle, Buchläden und Konzerthallen. Clinton ist der gefragteste Interviewgast des Jahres und die Kampagne zur Veröffentlichung von „Hard Choices“ ist ein publizistisches Meisterwerk. Geeignet auch für höhere Ziele, wie eine Präsidentschaftskampagne 2016.
Jason, 29, ist gekommen, um die Ex-Außenministerin einmal ganz nah zu sehen. „Ich bin ein großer Unterstützer“, sagt der Lehrer. Er hat seine Kurse verlegt und sich für diesen Tag frei genommen. Am Morgen stand er noch gefährlich weit hinten in der 18. Straße. Um 12 Uhr 30 aber steht er vor ihr.
Auf Seite 595 seines signierten Buches kann Jason dann später lesen: „Ob ich mich 2016 um die Präsidentschaft bewerbe? Die Antwort ist, ich habe mich noch nicht entschieden.“