Wie die Außenpolitik des neuen US-Präsidenten die Welt verändern könnte: "Die Gefahr ist, dass Trump dann auf bedingungslose Eskalation setzt"
Thorsten Benner, Direktor des Berliner Thinktanks "Global Public Policy Institute", über die Zukunft der Nato unter Trump, dessen Verhältnis zu Putin und neue Aufgaben der EU.
"Wir können nicht der Weltpolizist sein", hat Donald Trump angekündigt und auf die US-Staatsschulden verwiesen. Wie wird er als Präsident die Welt verändern?
Wir wissen es nicht. Trump hat im Wahlkampf viele widersprüchliche Aussagen gemacht und gleichzeitig Unberechenbarkeit als wichtigstes außenpolitisches Prinzip genannt. "Kein Weltpolizist" kann heißen: keine unnötigen Abenteuer wie im Irak bis hin zur mutwilligen Zerstörung der US-Bündnissysteme in Europa und Asien und Aufgabe globalen Rolle des US-Militärs bei der Sicherung von Seewegen.
Bedeutet Trump das Ende der Nachkriegsordnung?
Die zentrale Frage ist, ob sich der Westen als politische Handlungseinheit just in dem Moment zerlegt, in dem autoritär-staatskapitalistische Länder wie China und Russland ihre Ordnungsvorstellungen global immer aggressiver vertreten und direkt auf liberale Demokratien Einfluss zu nehmen versuchen – durch Cyberangriffe, Propaganda und wirtschaftliche Expansion.
Experten bezweifeln, dass Trumps Wirtschaftsprogramm funktioniert. Sehen Sie die Gefahr, dass er durch internationale Konflikte von Unzufriedenheiten im eigenen Land ablenken könnte?
Mit dem Versprechen, all die verlorenen Jobs in der US-Industrie zurückzuholen, kann Trump nur scheitern. Die größere Gefahr ist, dass er durch Hetzjagden auf Minderheiten, etwa auf Muslime und Einwanderer im eigenen Land, von diesem Versagen abzulenken versuchen wird. Dafür hat er den Boden bereitet mit seinen unsäglichen Äußerungen während des Wahlkampfs.
Der US-Präsident hat viele Vollmachten. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass das politische System der USA Trump in der Außenpolitik einhegt?
George W. Bush und Barack Obama haben beide den Aktionsradius des Präsidenten enorm ausgeweitet, etwa im Drohnenkrieg. Das kann Trump ausnutzen. Und darauf, dass der US-Kongress Trump an die Kette legt, würde ich nicht vertrauen.
Trump hat die Nato als obsolet bezeichnet, will ohne höhere Zahlungen der Partner keinen Beistand mehr leisten...
Ein Deal "Mehr und besser verwendete Ausgaben für Verteidigung gegen Fortführung der US-Rolle als Beschützer Europas" wäre zu leisten und könnte den Europäern sogar endlich den nötigen Druck aufzwingen, da einmal Ernst zu machen. Kanzlerin Merkel hat ja schon das Zwei-Prozent-Ziel für den Verteidigungshaushalt ausgerufen. Problematischer wäre, falls Trump den Schutz der mittel-und osteuropäischen NATO-Mitglieder gegen russische Aggression in Zweifel zöge.
Vor welche neuen Aufgaben stellt der Ausgang der US-Wahl die Europäische Union?
Europa ist stärker auf sich gestellt und muss vermehrt für die eigene Sicherheit sorgen und dafür etwa auch im Bereich nukleare Abschreckung die Voraussetzungen schaffen. Dies trifft die EU zum schlechtmöglichen Zeitpunkt einer tiefen politischen wie wirtschaftlichen Krise. Eine Präsidentin Marine le Pen in Frankreich würde die EU, wie wir sie kennen, nicht aushalten. Die Wahl Trumps sollte das letzte Alarmsignal für alle Anhänger der liberalen Demokratie sein, mit der gleichen Leidenschaft für ihre Ideale einzutreten wie die Rechtspopulisten.
Was kommt damit auf Deutschland zu?
Deutschland sollte stärker als in den vergangenen Jahren eine konstruktive Rolle bei der Erhaltung der inneren Stabilität und politischen wie militärischen Widerstandsfähigkeit der EU spielen. Und mit der Trump-Regierung kooperieren, wo eine gemeinsame Werte- und Interessenbasis gegeben ist, und gleichzeitig Verletzungen von fundamentalen Rechten, etwa durch Folter, die Trump befürwortet, schonungslos öffentlich anklagen.
Der "President elect" bewundert Russlands Präsident Wladimir Putin und überlegt die Annexion der Krim anzuerkennen. Hat er die Chance, die Beziehungen der USA zu Russland auf eine neue Stufe zu stellen?
Ich vermute, dass Trumps Bewunderung für Putin in der Sekunde aufhört, in der Putin Trump ins Gehege kommt und ihn schwach aussehen lässt. Das Risiko ist nicht allein, dass Trump Putin freie Hand lässt. Eine weitere sehr reale Gefahr etwa ist, dass Putin versuchen wird, die Bündnissolidarität der NATO weiter auf die Probe zu stellen, und Trump dann auf bedingungslose Eskalation setzt, weil er nicht schwach aussehen will.
Als Kandidat hatte Trump angedeutet, die Welt in Einflusszonen zu teilen. Heißt das, die USA ziehen sich gänzlich zurück aus den Bemühungen zur Lösung der Syrien-Krise und überlassen Putin und Baschar al-Assad das Feld?
De facto haben die USA bereits die russischen Interessen in Georgien und der Ukraine, dem Kern der russischen Einflusszone, anerkannt. Putin versteht Syrien nicht als Teil des russischen Kerneinflussgebiets. Zudem hat Trump den Sieg über den IS als ein Ziel seiner Außenpolitik ausgegeben. Solange der IS in Syrien aktiv ist und auch nur bestenfalls halbherzig von Putin und Assad bekämpft wird, wird Trump schwerlich Russland das Feld überlassen können.
Trump hat angekündigt, aus dem Paris-Klima-Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgase auszusteigen. Kann Klimaschutz ohne die USA funktionieren?
Solange zentrale Länder wie China Treibhausgasbegrenzung aus politischem wie wirtschaftlichem Eigeninteresse betreiben, hat der Klimaschutz eine Zukunft. Auch die Bush-Jahre hat der Klimaschutz (mit einigen Blessuren) überlebt.
Der Kandidat hat Freihandelsabkommen infrage gestellt und will 35 Prozent Einfuhrzölle auf chinesische Waren erheben. Was bedeutet das für die US-Wirtschaft?
Erst einmal werden die Plasma-Fernseher für viele Trump-Wähler teurer. Und die sonstigen Folgen für die US-Wirtschaft hängen davon ab, wie hart China zurückschlagen wird. Wirtschaftlich wie finanzpolitisch sind China und die USA in beträchtlichem Maße voneinander abhängig.