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Nicht bloß antieuropäisch, sondern auch antideutsch: Marine Le Pen, Kandidatin des Front National.
© Michel Euler/AP/dpa

Parteienforscher: Die Frankreich-Wahl ist eine Warnung für deutsche Volksparteien

In Frankreich ist vieles anders. Doch Parteienforscher sehen im Abschmieren der großen politischen Blöcke auch eine Warnung für die hiesigen Volksparteien.

Aus der Sicht von Parteienforschern ist das französische Wahlergebnis auch ein Menetekel für die deutsche Politik.

Zwar seien die Konservativen in Frankreich so wenig mit der Union hierzulande vergleichbar wie französische Sozialisten mit hiesigen Sozialdemokraten, sagte der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer dem Tagesspiegel. Dennoch sei die Abkehr der Nachbarn von den traditionellen politischen Blöcken auch eine Warnung für die Volksparteien in Deutschland. „Wenn sie nicht ausreichend beobachten, was in der Gesellschaft abläuft und dies in Politik übersetzen, geraten sie in eine ähnliche Situation wie in Frankreich, Österreich und den Niederlanden.“

Zerfall der alten Milieus

Ein Zerfall der großen gesellschaftlichen Milieus, die früher dazu geführt haben, dass Katholiken verlässlich konservativ und Gewerkschaftsmitglieder sozialdemokratisch gewählt hätten, sei hier wie dort zu beobachten, sagte Neugebauer. Hinzu komme die Enttäuschung über fehlende Antworten der großen Parteien auf die Auswirkungen der Globalisierung. Dabei gehe es nicht nur um das Problem mit Einwanderern, sondern hier wie dort auch um die Veränderung von Handelsströmen und Existenzgrundlagen, den Verlust von Arbeitsplätzen und kultureller Identität.

„Der herkömmlichen Politik wird nicht mehr zugetraut, dass sie die Probleme in den Griff bekommen kann“, meint auch der Politologe Henrik Uterwedde vom deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg. Frankreichs Wähler hätten mit ihrer Entscheidung für den Sozialliberalen Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen viel Frust und Verdrossenheit zum Ausdruck gebracht und grundlegende Änderungen eingefordert, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Der Kandidat der Konservativen, François Fillon, lag mit rund 20 Prozent nur auf Platz drei, der Sozialist Benoît Hamon schaffte keine sieben Prozent.

Antieuropäisch bedeutet auch antideutsch

Besorgniserregend sei das Votum der Wähler für die Europakritiker Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon aber auch in anderer Hinsicht, so Neugebauer. Deren antieuropäischer Gestus sei nämlich vornehmlich ein antideutscher. Europa stelle sich ihnen als „eine Vereinigung von Staaten unter der Oberherrschaft Deutschlands“ dar. Darauf, so der Forscher, müsse die deutsche Politik dringend reagieren. Es sei zu überlegen, wie man das Empfinden von wirtschaftspolitischer Dominanz verringern und wieder zu mehr Kooperation mit dem Nachbarn kommen könne.

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