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Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).
© REUTERS

Kauf von Unternehmensanleihen: Die EZB begeht den nächsten Sündenfall

Die EZB kauft jetzt auch Unternehmensanleihen. Die Kritik an deren Chef Mario Draghi wird damit weiter wachsen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rolf Obertreis

Zuerst sollen die Händler der Europäischen Zentralbank (EZB) bei Anleihen italienischer und französischer Unternehmen wie etwa von Renault zugriffen haben, hieß es am Mittwoch in Frankfurter Finanzkreisen. Auch von Siemens-Anleihen war die Rede. Vielleicht waren auch Papiere anderer deutscher Konzerne wie BASF oder Daimler dabei. In jedem Fall gehen die Europäischen Währungshüter seit Mittwoch den nächsten Schritt in ihrer Krisenstrategie. Sie kaufen nach dem schon seit mehr als einem Jahr laufenden Kauf von Staatsanleihen der Euro-Staaten (mittlerweile für rund 800 Milliarden Euro) jetzt auch auf Euro lautende Anleihen von Unternehmen.

Auch damit soll mehr Geld in die Wirtschaft gepumpt und den Banken bereitgestellt werden, auf dass sie mehr Kredite vergeben, die Konjunktur ankurbeln und letztlich auch die dümpelnde Inflation wieder in Fahrt bringen. Was auch die Renditen und Zinsen wieder treiben soll. EZB-Chef Mario Draghi ist von der jüngsten wie auch den anderen Sondermaßnahmen und der Nullzins-Politik der Notenbank überzeugt. Sie würden wirken, betont der Italiener unablässig.

Solide Unternehmensanleihen galten bisher als quasi letzte Option für Anleger

Fakt ist: Die Kreditvergabe in der Eurozone kommt nur schwer in Gang, die Inflation verharrt im Tief. Niedrige Zinsen nutzen zwar Kreditnehmern und Immobilienkäufern - und treiben die Preise für Häuser und Wohnungen in Großstädten. Für Sparer und für diejenigen, die für das Alter vorsorgen sollen, sind sie aber Gift. Auch für Pensionskassen und Lebensversicherungen wird es immer schwieriger, notwendige Renditen zu erwirtschaften. Bislang galten solide Unternehmensanleihen als quasi letzte Option für eine wenigstens einigermaßen akzeptable Rendite.

Doch schon vor dem ersten Kauf der EZB haben sich die Renditen im Vergleich zu Vorjahr halbiert. Mit den Käufern aus dem Euro-Doppelturm wird es noch weiter nach unten gehen. Privatanleger, die zumindest von steigenden Anleihekursen profitieren wollen, schauen auch meist in die Röhre. Sie kommen gar nicht mehr an die Papiere, weil die europäischen Währungshüter den Markt austrocknen. Mario Draghi wird freilich auch diesen Schritt wieder als Erfolg verkaufen.

Aber warum sollten Banken jetzt mehr Kredite vergeben? Oder Unternehmen mehr investieren, zumal die EZB nur Papiere von Firmen kauft, die keine Finanzierungsprobleme haben. Sie investieren sicher nicht wegen der Notenbank. Die Schar der Draghi-Kritiker wird weiter wachsen, die nicht nur zu recht bemängeln, dass sich die EZB nicht nur ein Riesenbündel an Staatsschulden der Euro-Länder aufbürdet. Für sie ist es ein noch größerer Sündenfall, dass die Notenbanker jetzt auch in den Unternehmenssektor direkt eingreifen.

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