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Großbritanniens Premierministerin trifft in Brüssel zum Gipfel ein.
© Reuters/Piroschka van de Wouw

Britische Premierministerin in Brüssel: Die EU kann Theresa May nur wenig anbieten

Das Misstrauensvotum hat Theresa May zwar überstanden. Aber beim EU-Gipfel sind die Chancen auf Zugeständnisse gering.

Zu beneiden ist sie nicht. Wenige Stunden ist es her, dass Theresa May der Welle des Misstrauens in der eigenen Fraktion knapp widerstanden hat. Da muss sie in Brüssel antreten. Sie hat aber auch beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU einen schweren Stand. Das wird schon an den Gesprächsformaten deutlich, die die Gipfelregie vorgesehen hat. Erst soll sie ihre Sicht auf die Lage im Vereinigten Königreich darlegen und die Aussichten skizzieren, im britischen Parlament doch noch eine Mehrheit für den Austrittsvertrag mit dem Rest der EU zustande zu bringen.

Aber eine echte Diskussion mit den anderen „Chefs“ über den Brexit-Vertrag wird ihr verweigert. Sie darf ihre Wünsche äußern, welche rechtlichen Klarstellungen zu der umstrittenen Notfalllösung für die irische Grenze sie noch gern hätte, das ja, aber mehr auch nicht.

Was die EU der 27 bereit ist, ihr zu geben, darüber sollte nach dem Abendessen ohne sie beraten werden. Auf die Briten wirkt schon dies wie eine Demütigung. Aus Sicht der EU geht es vielmehr darum, deutlich zu machen, dass der Deal, der innerhalb von  anderthalb Jahren ausgehandelte Austrittsvertrag, nicht noch einmal aufgemacht wird. Ohnehin hatte die EU stets darauf geachtet, dass die eigentlichen Verhandlungen zwischen London und Brüssel nicht auf Gipfeltreffen geführt werden, sondern zwischen den Unterhändlern, Michel Barnier (EU) und zuletzt Dominic Raab (GB).

Es würde nicht sehr viel sein, was die EU May anbieten könnte. Das war schon vorher klar, und das machten alle vorher noch einmal deutlich. Kanzlerin Angela Merkel sagte vor Gipfel-Beginn: Es sei sehr erfreulich, dass Theresa May das Misstrauensvotum überstanden habe und ihre Arbeit fortsetzen könne. Spielraum gebe es aber nicht: Das Austrittsabkommen sei sehr gut verhandelt: „Ich sehe nicht, dass wir das Abkommen noch einmal verhandeln können.“ Nur Klarstellungen seien möglich.

Sie betonte den guten Willen der EU. Die Gespräche würden „immer in dem Geist geführt, dass wir gute Beziehungen zu Großbritannien wollen.“  Mark Rutte, Premier der Niederlande, sagte: „Es geht heute darum, die Rückversicherungslösung für die irische Grenze zu entmystifizieren.“ Frankreichs Emmanuel Macron formulierte es so, eine „politische Diskussion“ sei möglich, „juristisch“ sei nichts mehr zu machen, da der Vertrag unter Dach und Fach sei.

Auf Botschafterebene waren bereit sechs Punkte für eine Erklärung diskutiert worden, die man May anbieten wollte. So sollte etwa versichert werden, dass die EU der 27 die im Vereinigten Königreich so heftig abgelehnte Notfalllösung zur irischen Grenze keineswegs anstrebe, sondern zielstrebig einen Freihandelsvertrag mit London abschließen wolle. Bereits im Vorfeld kontrovers diskutiert wurde, ob in der Erklärung der britischen Seite zudem schon jetzt weitere Gespräche im Januar in Aussicht gestellt werden sollten.

Bis Herbst 2019 soll der mehrjährige EU-Finanzrahmen verabschiedet werden

Am ersten Tag standen noch andere Themen auf dem Programm des Gipfels. Erstmals sprachen die Staats- und Regierungschefs in der Sache über den Vorschlag von Haushaltskommissar Günther Oettinger für den mittelfristigen Finanzrahmen 2021 bis 2027. Ein EU-Diplomat sagte vorher: „Ich erwarte eine sehr lange Debatte zu einer Vielzahl von Themen.“ Österreich führt gerade turnusgemäß die Geschäfte im Rat, dem Gremium der Mitgliedstaaten.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verwies darauf, dass sein Land Vorarbeiten für eine inhaltliche Auseinandersetzung geliefert habe. Merkel kündigte an, sich in die Diskussion um den EU-Haushalt „sehr aktiv“ einzubringen und nannte hier die Bereiche „Landwirtschaft“ und „neue Bundesländer“.

Im Entwurf für das Schlussdokument des Gipfels heißt es, dass die Mitgliedstaaten die Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens bis zum Herbst nächsten Jahres anpeilen.

Erneut stand beim letzten Gipfeltreffen des Jahres wieder eine Entscheidung über die Verlängerung der Russland-Sanktionen an. In Kreisen von EU-Diplomaten wurde damit gerechnet, dass die Entscheidung durchgeht, zumal nach den jüngsten Attacken Moskaus gegen die Ukraine. Im Entwurf für das Gipfeldokument heißt es: Die EU sei „äußerst besorgt über die Eskalation in der Straße von Kertsch und im Asowschen Meer“. Es gebe keinerlei Rechtfertigung für den Einsatz von militärischer Gewalt durch Russland. Die EU sei bereit zu weiteren Maßnahmen, „um die Unterstützung für die betroffenen Gebiete in der Ukraine“ zu intensivieren. 

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