Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge: Die ersten von insgesamt 5000 kommen nach Deutschland
Die Bundesrepublik nimmt 5000 Syrer auf, am Mittwoch kommen die ersten an. Mit dieser Initiative steht Deutschland in Europa ziemlich allein. Was nutzt das deutsche Engagement?
Zwei Millionen Menschen sind bislang vor Krieg, Verfolgung und Not aus dem Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Im eigenen Land suchen mehr als doppelt so viele Zuflucht. Syrien ist „zur großen Tragödie dieses Jahrhunderts geworden“, beschrieb der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, jüngst die Situation. Etwa 97 Prozent derer, die es nach draußen schafften, haben Unterschlupf in den Nachbarländern gefunden, leben in der Türkei, Jordanien, im Irak. Im Libanon machen Syrer bereits ein Fünftel der Bevölkerung aus, 720000 sind UN-Berichten zufolge dorthin geflohen. Am morgigen Mittwoch landen in Hannover die ersten von 5000 Syrern, die Deutschland im Rahmen eines Sonderprogramms aufnehmen will.
Welchen Wert hat die deutsche Initiative?
Schon die Zahlen machen deutlich, dass, wer Zuflucht für 5000 bietet, nur den sprichwörtlichen Tropfen auf einen heißen Stein fallen lässt. Als „völlig unangemessen“ bezeichnete die SPD-Entwicklungsexpertin im Team von Kandidat Steinbrück, Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Zahl von nur 5000 Plätzen. Lob kam gleichwohl von UN-Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres, der das Engagement der Deutschen ein „wichtiges Beispiel“ nannte – die UN hoffen offenbar, dass es in Europa Schule machen wird. Und auch Bund und Länder sind sich bereits einig, dass es bei den 5000 nicht bleiben soll. Praktisch herrscht Einigkeit von Schwarz-Gelb bis Rot, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, dass den Flüchtlingen geholfen werden muss – und dass noch deutlich mehr geschehen muss.
Wer ist schon da?
Von den 5000 Flüchtlingen, von denen seit Frühjahr die Rede ist, sind erst 250 in Deutschland. Sie haben die Reise selbst organisiert. Die ersten 110, die ins Land geholt werden, sollen an diesem Mittwoch per Flugzeug in Hannover eintreffen. Allerdings sind seit Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 schon 15500 syrische Asylbewerber in Deutschland aufgenommen worden, die es meist auf eigene Faust hierher schafften. Das war ein Drittel aller europäischen Asylanträge von Syrern seither, ein weiteres Drittel übernahm Schweden, das letzte entfiel auf den Rest Europas.
Wie geht die Aufnahme vonstatten?
Die 5000 Flüchtlinge, um die es jetzt geht, kommen im Rahmen eines von der Bundesregierung angeregten humanitären Aufnahmeprogramms. Damit sind sie keine klassischen Asylsuchenden und dürfen zunächst nur zwei Jahre im Land bleiben. Eine Verlängerung wird erteilt, falls sich die Lage in Syrien nicht bessert.
Die 5000 Syrer werden fast ausschließlich aus libanesischen Flüchtlingslagern kommen. Vor Ort wählt das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) Kandidaten aus und präsentiert diese der Bundesrepublik. Hier entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welcher Flüchtling nach Deutschland ausgeflogen wird. Im Libanon anfallende Kosten sowie Flug übernimmt die Bundesrepublik.
In Deutschland landen die Flüchtlinge in Hannover und werden von dort zunächst für zwei Wochen nach Friedland gebracht. Der niedersächsische Ort ist bekannt für sein Durchgangslager, das in seiner Geschichte bereits DDR-Übersiedler, vietnamesische Boat-People oder Irak- Flüchtlinge aufnahm. In Friedland lernen die Syrer deutsch und erhalten eine Art kulturellen Crashkurs. Danach werden die Flüchtlinge auf Asylbewerberheime in ganz Deutschland verteilt – und unterliegen ab jetzt der Länderhoheit. Da stets nur rund 150 Flüchtlinge in Friedland aufgenommen werden können, wird sich die Aufnahme aller 5000 Syrer wohl bis 2014 hinziehen.
Nach welchen Kriterien werden die syrischen Flüchtlinge ausgewählt?
Die Bundesrepublik hat drei Personengruppen definiert: Erstens Menschen, die aus humanitären Gründen geflohen sind. Das betrifft vor allem Frauen und Kinder, aber auch im Bürgerkrieg Verwundete und religiöse Minderheiten. Zweitens Syrer, die bereits einen familiären Bezug zu Deutschland haben. Hier zielt die Bundesregierung darauf ab, Familien derer zusammenzuführen, die bereits aus eigener Kraft Asyl im Lande beantragt haben. In der dritten Kategorie nimmt Deutschland Menschen auf, die für den Wiederaufbau Syriens eine entscheidende Rolle spielen könnten. Für die ersten beiden Kategorien gilt die Regel, dass nur syrische Flüchtlinge betroffen sind, die bereits im Libanon als solche registriert wurden.
Was haben US-Kriegspläne und Flüchtlingsfrage miteinander zu tun?
Nicht nur die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos fürchtet, dass der geplante US-Militärschlag zwar dem Assad-Regime gelten, aber die Zivilbevölkerung derart treffen wird, dass die Flüchtlingszahlen noch einmal nach oben schießen werden. Auch Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich warnte im Tagesspiegel davor, „sich auf eine militärische Operation einzulassen, ohne einen Plan zu haben, wie das Danach aussehen soll.“ Syriens Nachbarn Libanon, Jordanien, die Türkei und der Irak, sprachen in einem Appell vergangene Woche von einem „Kreislauf des Horrors“ aus Hass, Gewalt und Flucht in Syrien, der aufhören müsse.