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Gedenken an die Opfer des Anschlags in Orlando.
© REUTERS

Terroranschlag in Orlando: Die Dinge beim Namen nennen

Oft wird der Konjunktiv bemüht, um die Motive von Tätern zu umschreiben. Dabei kommt es jetzt auf die Balance an zwischen Zurückweisung jeglicher Islamfeindschaft und dem kritischen Dialog. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Am 11. September 2001 wurde Amerika angegriffen. Der Anschlag auf ein Jüdisches Museum in Brüssel galt Juden. Mit der Ermordung von Zeichnern der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ sollte die Kunst- und Meinungsfreiheit getroffen werden. In der Silvesternacht in Köln waren Frauen die Opfer. Und nun, in Orlando, zielte der Todesschütze auf Homosexuelle. Die Täter waren jedesmal Muslime. Die meisten von ihnen hatten sich radikalisiert.

Es ist falsch, solche Tatsachen wolkig zu umschreiben oder konjunktivistisch zu vernebeln. Wer allgemein „unsere Werte“ im Visier der Terroristen wähnt, „den Westen“ oder „die Zivilisation“, verkennt die kalten Kalküle, die hinter solchen Verbrechen stehen. Den größten Schrecken verursachen zwar wahllos ausgewählte Opfer, doch ein Höchstmaß an Zustimmung verheißen ideologisch „nachvollziehbare“ Taten – gegen Amerikaner, Juden, Blasphemisten, Frauen, Schwule.

Der Konjunktiv wiederum wird oft bemüht, um von einem möglichen Motiv der Täter abzulenken. Betrunkene Besucher des Oktoberfestes, heißt es dann, verhalten sich nicht anders gegenüber Frauen, als es die Maghreb-Migranten in Köln taten. Und hätte der Attentäter von Orlando nicht eben so gut ein homophober Evangelikaler sein können?

Nun ist die Angst vor Islamfeindschaft, wie sie von rechtspopulistischen Parteien geschürt wird, ja durchaus begründet. Das belegen Vorurteilsforscher, Anti-Minarettbau-Initiativen, Verschleierungsverbote und Moschee-Schändungen. Das strategische Ziel der Terroristen, im Westen einen Keil zu treiben zwischen muslimische Migranten und der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft, muss ihnen verwehrt werden.

Doch daraus das Gebot abzuleiten, die Dinge nicht beim Namen zu nennen, spielt nur denen in die Hände, die ihre Agenda mit Brachialrhetorik vorantreiben. Donald Trumps Popularität etwa schnellte nach den islamistischen Attentaten von Paris und San Bernardino in die Höhe. Kein Wunder, dass er auch jetzt wieder auf Entgrenzung setzt.

Ein kritischer Dialog über die Zusammenhänge zwischen Islam und Islamismus

Dabei ist es dringender denn je, die Balance zu wahren. Die Zurückweisung jeglicher Islamfeindschaft und die selbstverständliche Gewährung eines Höchstmaßes an Religionsfreiheit muss sich verbinden mit einem kritischen Dialog über die Zusammenhänge zwischen Islam und Islamismus. Ein solches Gespräch kann nur mit den Muslimen und nicht über ihre Köpfe hinweg geführt werden. Das freilich schreibt sich leichter, als es ist. In Deutschland etwa mag man geübt darin sein, einen ideologisch-historischen Bogen von Martin Luther zu Adolf Hitler zu schlagen, aber den meisten anderen Nationen und Religionsgemeinschaften sind solch mentalitätsgeschichtliche Analogie-Exegesen eher fremd.

In Syrien und dem Irak werden Homosexuelle von Hausdächern gestürzt. In Iran, Jemen, Saudi-Arabien und dem Sudan sind sie ebenfalls vom Tode bedroht. Das Massaker von Orlando wurde wohl bewusst während des Gay-Pride-Monats verübt. Darüber zu sprechen und mögliche Gründe zu analysieren, ist wichtig.

Amerikaner, Juden, Blasphemisten, Frauen und Homosexuelle haben es nicht verdient, von Donald Trump, Marine Le Pen, Geert Wilders oder der AfD vertreten zu werden. In einer offenen Gesellschaft können auch die Feinde der Feinde noch Gegner sein.

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