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Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan.
© AFP

Der Fall Böhmermann: Die deutsche Obrigkeit muss Haltung zeigen

Wenn der türkische Staatschef mit westlicher Presse- und Meinungsfreiheit nicht zurechtkommt, ist das sein Problem. Deutschland darf ihm in dem Fall nicht entgegenkommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Auch Presse- und Meinungsfreiheit haben Grenzen. Wo diese überschritten sind, muss der Staatsanwalt tätig werden. Und das unabhängig davon, ob der Beleidigte bei der deutschen Presse wegen seiner Politik wohlgelitten ist oder nicht. Alles andere wäre Ausverkauf des deutschen Rechtsstaates.

schreibt NutzerIn HaraldHuesch

Was gibt Deutschland da für ein Bild ab! Die derzeitige Außenpolitik, vertreten von Kanzlerin und Außenminister, fordert zu energischem Widerspruch heraus. Weil man es so nicht machen darf. Es sei denn, der Umgang mit Recep Tayyip Erdogan soll Schule machen.

Um was geht es im Fall Böhmermann? Schon längst nicht mehr um die Satire. Unabhängig davon, dass man der hiesigen Politik schon gerne zugetraut hätte, zu verstehen, wie Jan Böhmermann den türkischen Präsidenten angegangen hat. Nach diesem Motto: Ich zeige euch jetzt mal den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik und was Satire nicht darf – um dann doch zu sagen, was er sonst nicht sagen dürfte. Das ist brillant böse, ist eine Reflexionsebene, wie sie üblicherweise im deutschen Fernsehen nicht erreicht wird. Er zeigt, was geht.

Aber die deutsche Obrigkeit verteidigt das nicht – sondern entschuldigt sich. Ja, nicht mit genau diesen Worten, doch in genau dieser Haltung. Früher nannte man das einen Diener machen. Die deutsche Obrigkeit geht auf leisen Sohlen, neigt ihr Haupt, und das vor einem, dessen demokratisches Grundverständnis nun wirklich in Frage steht. Weil dieser Staatschef den Schlüssel zur Lösung der Flüchtlingsfrage in Händen hält? Die deutsche Obrigkeit lässt sich sogar noch darauf ein, zu prüfen, ob hier bei Böhmermann ein strafbares Verhalten vorliegen könnte. Das geht doch nicht!

Vielmehr müsste ein derartiges Ansinnen gleich abgewiesen werden, von oben und von vornherein, strikt und klar. Warum? Weil auch nicht ansatzweise der Eindruck entstehen darf, Deutschland würde seine Presse- und Meinungsfreiheit je zur Disposition stellen. Präsident Erdogan darf gar nicht erst der Versuch gestattet werden, daraus eine Affäre zu machen, auf dass Deutschland Abbitte bei ihm leiste.

Der Wertekanon gilt - weiter

Wie das geht? Indem deutlich, wohlgemerkt deutlich, gemacht wird: Wenn der türkische Staatschef mit westlicher Presse- und Meinungsfreiheit nicht zurechtkommt – sein Problem. Das muss es bleiben, sichtbar für alle Welt. Denn seit 1832, seit dem Hambacher Fest, zu dem übrigens deutsche Journalisten einluden, die dafür sogar ins Gefängnis gingen, die sich also strafbar machten – seither ist diese Freiheit tragendes Element der Demokratie. Nicht zuletzt daran bemisst sich ihr Wert. Dieses Recht ist unveräußerlich, nicht verhandelbar, Abstriche werden nicht gemacht.

Hier geht es nicht zuallererst um Konfliktverhütung, um mehr oder minder geschmeidige Sprachregelungen mit einem politischen Gegner, oder um Possierliches, Taktierliches. Hier geht es ums Kategoriale. Das muss deutsche Außenpolitik auch immer wieder zur Geltung bringen, in allen Fällen, zumal in diesem Jahrhundert. Es geht ganz einfach um Haltung. Wie die zum Ausdruck gebracht werden kann, hat Bundespräsident Joachim Gauck gerade in China demonstriert. Deshalb: mehr davon.

Was kann zulasten der Presse- und Meinungsfreiheit in Kauf genommen werden? Schon die Frage wäre als Richtschnur falsch. Schließlich will derjenige, um den es aktuell geht, mit seinem Land in die Europäische Union aufgenommen werden. Da sollte er aufgeklärt sein, in Kant’scher Hinsicht, politisch sowieso. Also besser, Recep Tayyip Erdogan gewöhnt sich an den europäischen Wertekanon. Bei aller Freundschaft.

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