Länderfinanzausgleich: Die Dame aus Düsseldorf und die Herren aus dem Osten
Nordhein-Westfalen und die Ost-Länder blockieren eine Lösung im Streit um den Finanzausgleich. Ein Sondertreffen der Ministerpräsidenten soll nun einen Ausweg finden. Doch wie könnte der aussehen?
Das Ensemble der 16 Ministerpräsidenten ist durchaus gut für größeres Theater. Die Treffen der Stars aus der Provinz haben zwar nicht immer hohes Niveau, aber wenn’s ums Geld geht wie derzeit beim Finanzausgleich, dann kann die Aufführung sich steigern. Wie am vergangenen Donnerstag im vierten Stock des Bundesratsgebäudes. „Ministerpräsidentenkonferenz“ heißt das Stück. Hannelore Kraft glänzte in der Rolle der Dame, die ihr Geld zurück will. Die Ministerpräsidentin aus Nordrhein-Westfalen hat dabei vor allem den Osten im Visier, der ihrer Meinung nach zu gut abschneidet im derzeitigen Ausgleichssystem. Ganz im Gegensatz zu NRW, folgt man Kraft, die wie alle im Ensemble die Kunst beherrscht, das eigene Land arm zu reden. Stanislaw Tillich reagierte auf den furiosen Auftritt Krafts: „Bitte bleiben Sie sachlich, Frau Kollegin.“ Um dann nochmals deutlich zu machen, wie schwach die Ost-Länder doch seien und wie nötig sie die Solidarität der anderen Länder hätten.
Dass die Ministerpräsidenten beim Finanzausgleich auf keinen grünen Zweig kamen, liegt an diesem Konflikt, der zwischen Düsseldorf und den Ost-Regierungssitzen schwelt. Kraft will eine NRW-Forderung durchsetzen, die in den Ländern sonst niemand wirklich unterstützt: die Abschaffung der ersten Stufe des Finanzausgleichs unter den Ländern, Umsatzsteuervorwegausgleich genannt. Der Umsatzsteueranteil der Länder wird grundsätzlich nach Einwohnern zerlegt, doch können nach dem Grundgesetz bis zu 25 Prozent so verteilt werden, dass Länder mit unterdurchschnittlichen Steuereinahmen profitieren. Aktuell sind es 15 Prozent, am meisten haben die Ost-Länder davon. NRW dagegen werden mehr als zwei Milliarden Euro abgezogen, was auch daran liegt, dass einige große Handelsketten ihren Sitz dort haben.
Knackpunkt ist die Verteilung der Umsatzsteuer
Würde der Umsatzsteuervorwegausgleich abgeschafft, würde zwar die Summe steigen, die in der dritten Stufe verteilt wird – im eigentlichen Länderfinanzausgleich, der sich als Plus oder Minus in den Landesetats nachverfolgen lässt. Aber es würden sich auch die Bundeszuschüsse an besonders schwache Länder erhöhen. Die Abhängigkeit des Ostens von der Bundeskasse würde somit steigen. Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt fasste die Position der Ost-Länderchefs in den prägnanten Satz: „Es darf nicht sein, dass die Grenzen der DDR noch bis 2099 im Bundesetat festgeschrieben werden.“ So sperren sich die Ost-Ministerpräsidenten bisher störrisch gegen jede Änderung beim Umsatzsteuerausgleich – während Kraft ebenso hartnäckig auf dessen Abschaffung beharrt. Weil es ihr darum geht, dass NRW nicht als Nehmerland dasteht, was im reinen Länderfinanzausgleich der Fall ist. Und so blockieren Kraft und die Ost-Riege bisher jeden Kompromiss.
Vorschlag von Schäuble und Scholz
Die Geduld des Rest-Ensembles schwindet freilich, und auch die Bereitschaft des Bundes, mit einigen Milliarden Euro aus seiner Schatulle den Kompromiss zu finanzieren, ist begrenzt. Nun soll ein Sondertreffen der Ministerpräsidenten noch vor der Sommerpause (wohl Anfang Juli) den Durchbruch bringen. Und ein Kompromiss scheint auch möglich zu sein. Im Hintergrund agieren seit Monaten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz als Vermittlungsduo. Mehrere Papiere von ihnen wurden bereits verworfen. Nun liegt wieder eines vor. Den Kern bilden zwei Punkte: Der Bund ist bereit, sein Angebot um einige hundert Millionen auf 8,5 Milliarden Euro zu erhöhen; und die Finanzkraft der Kommunen soll künftig zu 75 Prozent (statt wie bisher zu 64 Prozent) in den Länderfinanzausgleich einfließen. Das Bundesgeld würde allen Ländern zugute kommen, der höhere Gemeindeanteil nützt vor allem dem Osten. Und von da aus, so Scholz, könne man sich ja weitertasten. Zum Vorschlag gehört ein höherer Umsatzsteueranteil für die Länder (zu Lasten des Bundes, der auf mindestens drei Milliarden Euro verzichten würde). Dazu soll der Länderfinanzausgleich neu berechnet werden, um die Zahlerländer etwas zu entlasten. Zinshilfen für Bremen und das Saarland gehören dazu, auch die Fortführung von Bundesprogrammen. Und die Abschaffung des Umsatzsteuervorwegausgleichs. Weshalb Kraft sich durch Schäuble und Scholz bestätigt fühlt - und die Ost-Ministerpräsidenten dringend mit dem Bundesfinanzminister reden möchten. Weitertasten, das machten einige im Ensemble klar, sei daher vorerst nicht drin.
Osten steht so schlecht nicht da
Den Kompromiss wird es am Ende nur geben, wenn Kraft und die Ost-Länder etwas bekommen. Freilich ist das im Falle Nordrhein-Westfalens durch ein Sonderprogramm des Bundes für finanzschwache Kommunen im Mai schon geschehen. Und der Osten steht, was die Etats angeht, gar nicht so schlecht da: die Schuldenlast insgesamt unterdurchschnittlich, die Pensionslasten im Gegensatz zum Westen eher gering, dafür mit einem höheren Investitionsanteil. Viele Fördermittel der EU und des Bundes gehen sowieso vor allem nach Dresden, Erfurt, Magdeburg, Potsdam und Schwerin. Und Berlin wird nach Meinung vieler Länderchefs durch die finanziellen Hätscheleien des Bundes besser gestellt. Lange, so sieht es aus, können sich weder Kraft noch Tillich & Co. ihre Blockadehaltung leisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wohl auch deswegen am vorigen Donnerstag klargemacht, dass die Karotte mit den 8,5 Milliarden Euro zwar im Schaufenster des Bundes liegt, aber noch lange nicht auf dem Tisch der Länder.
Kretschmanns Modell - ein Ausweg?
Einen Ausweg könnte ein Modell liefern, das der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon im Frühjahr in die Debatte eingebracht hat. Demnach würde der Umsatzsteuervorwegausgleich zwar nicht abgeschafft, aber der Anteil, der nach Steuerkraft verteilt wird, könnte sinken. Kretschmann schlug 7,5 statt 15 Prozent vor. Das würde NRW entgegenkommen, für den Osten wären die Abstriche dank der höheren Einbeziehung der Gemeindefinanzen teils kompensiert, die Bundeszuweisungen fielen geringer aus. Das Problem ist: Jedes Drehen an einer der nicht wenigen Stellschrauben im recht undurchsichtigen Finanzausgleichsgeflecht führt zu Änderungen bei anderen Komponenten. Jedes Land und auch der Bund rechnen also bei jedem Vorschlag im Detail das komplette Tableau neu durch. Und jede neue Rechnung führt wieder zu neuen Detaildebatten.
Gut möglich ist, dass am Ende noch Stellschrauben ins Spiel kommen, an denen bisher nicht gedreht wurde. Dazu gehört zum Beispiel ein Privileg von Berlin, Hamburg und Bremen. Deren Einwohnerzahl wird im Länderfinanzausgleich höher angesetzt, wegen der strukturellen Sonderbedingungen der Stadtstaaten. Das wird im Prinzip nicht angezweifelt. Doch ob die derzeitige Höhe von 135 Prozent sein muss, ist durchaus umstritten. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sprach das am vorigen Donnerstag offen an. Im Länderkreis gibt es die Überlegung, die Einwohnergewichtung nach der wirtschaftlichen Dynamik zu staffeln. Bremen könnte demnach mehr bekommen, das stark wachsende und wirtschaftlich aufstrebende Berlin würde zurückgestuft: auf 130, 125 oder gar 120 Prozent. Jeder Prozentpunkt bedeutete für die Hauptstadt ein Minus von gut 100 Millionen Euro im Vergleich zum Status Quo – und ein Plus in der Ausgleichsbilanz aller anderen Länder.
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