Der Papst besucht Kuba: Die Castro-Regierung und die katholische Kirche sind fast Freunde
An diesem Montag beginnt Papst Benedikt XVI. einen dreitägigen Besuch Kubas. Kirche und Staat stehen sich in dem Land nicht als Feinde gegenüber. Ganz einfach wird der Besuch des Papstes dennoch nicht.
Es war der Kernsatz, den sich Fidel Castro gewünscht hatte. Januar 1998 war es, erstmals in der Geschichte des sozialistischen Landes besuchte ein Papst Kuba. Und Johannes Paul II. sprach schon in seiner ersten öffentlichen Predigt nach dem Anflug aus Rom auf die Karibikinsel: „Möge Kuba sich der Welt öffnen und die Welt sich öffnen für Kuba!“ Ausgerechnet ein antikommunistischer Papst aus Polen hielt, 39 Jahre nach der kubanischen Revolution, mit seiner Kritik an der amerikanischen Politik der Isolierung Havannas her für die Aufwertung eines der inzwischen wenigen sozialistischen Länder. Der Zusammenbruch der Sowjetunion lag schon Jahre zurück, der Ostblock war auseinandergefallen. Die Tage des Papstes auf Kuba damals drohten, zur Propagandashow für Castro zu werden. Papst Johannes Paul II. fiel es nicht leicht, sich gegen eine Vereinnahmung durch den Gastgeber zu wehren.
Vielleicht ist deshalb der Vatikan auch jetzt in einer Abwehrhaltung, bevor Papst Benedikt der XVI. an diesem Montag nach Santiago de Cuba fliegt. Drei Tage will er bleiben, der Dienstag und Mittwoch sind der Hauptstadt Havanna vorbehalten. Schon auf dem Flug nach Mexiko, wo seine Lateinamerika-Reise am Freitag begann, sagte Benedikt XVI., marxistische Ideen seien heute realitätsfern. Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone versicherte, der Papst-Besuch werde „ohne Zweifel“ dem Entwicklungsprozess Kubas hin zu einer Demokratie helfen. „Ich glaube nicht, dass der Besuch von der Regierung instrumentalisiert wird.“ Vielmehr unternehme Havanna „alle Anstrengungen“, um dem Kirchenoberhaupt verdiente Wertschätzung zu bezeugen.
Tatsächlich stehen sich Kirche und Staat in Kuba nicht als Feinde gegenüber. Das war nicht immer so, und es ist Ergebnis eines sehr langen Konflikts mit einer langsamen Annäherung. Als das Batista-Regime vor mehr als 50 Jahren von den Revolutionären gestürzt wurde, stellten sich viele Kirchenmitglieder auf die Seite des alten Machthabers. Hunderte Priester und Nonnen wurden von Castro ausgewiesen, Gläubigen der Eintritt in die kommunistische Partei verwehrt. Dass die jahrelang unterdrückte katholische Kirche heute neben der Regierung die einflussreichste gesellschaftliche Kraft ist, hat seine belastete Vorgeschichte. Papst Johannes XXIII. exkommunizierte Fidel Castro 1962 „wegen antikirchlichen Verhaltens“, der wiederum ließ 1976 den Atheismus in der Verfassung festschreiben und Weihnachten zum normalen Arbeitstag erklären. Erst in den frühen 90er Jahren hob Havanna diese Festlegungen wieder auf. Als 2008 Fidels jüngerer Bruder Raúl die Regierungsgeschäfte übernahm, zeigte er sich in Religionsfragen noch offener.
Stark wie einst ist die Kirche nicht mehr. Zwar sind noch etwa 60 Prozent der gut elf Millionen Kubaner getauft, von ihnen besucht aber nur jeder Zwanzigste regelmäßig den Gottesdienst. Immer wieder aber verkündete die Kirche „Verhandlungserfolge“ und „gute Neuigkeiten“, wenn es um die Freilassung von politischen Gefangenen und die Freiheit von Oppositionellen in Kuba geht. Eine vom Volk getragene Kirche sei nun einmal „der glaubwürdigste Vermittler“, hieß es vor zwei Jahren in einem Kommentar von Radio Vatikan. Der von dem Sender interviewte Politikwissenschaftler Bert Hoffmann aus Hamburg attestierte Raúl Castro, er würde „sehr viel pragmatischer“ als sein Bruder Fidel vorgehen, umgekehrt sei auch die US-Regierung von Barack Obama „viel pragmatischer“ und „weniger ideologisch“ als die Vorgängerregierung unter George W. Bush.
Dissidenten will Papst Benedikt XVI. im Verlauf der drei Tage auf Kuba nicht treffen. Zwei große Messen soll es geben, die eine in Santiago, die andere auf der „Plaza de la Revolucion“ mitten in Havanna. Der Platz fasst Hunderttausende von Menschen. Wie viele wirklich kommen, will der Vatikan nicht vorhersagen. Gewiss ist, dass der Besuch des Papstes nicht in einen Machtkampf zwischen Kirche und Regierung ausarten soll. Als Mitte März Regimegegner die Kirche Nuestra Senora de la Caridad in Havanna besetzten, hofften sie vergeblich auf Unterstützung der Amtskirche. Das Erzbistum nannte die Besetzung „unverantwortlich“, Gotteshäuser dürften nicht in „politische Schützengräben“ verwandelt werden.
1998 hatte Fidel Castro begeistert Johannes Paul II. einen „grandiosen Empfang“ versprochen. „Der Besuch wird ein Sieg des Volkes und die ganze Welt dafür unser Zeuge sein.“ Das ist 14 Jahre her. Fidel Castro ist jetzt 85 Jahre alt und krank. Benedikt XVI. ist ein Jahr jünger, in Mexiko benutzte er zum ersten Mal in der Öffentlichkeit einen Gehstock – angeblich nicht wegen eines medizinischen Problems, sondern weil er sich so einfach sicherer fühlt. Ob sein sicheres Auftreten in Havanna auch bei einer Begegnung mit Fidel Castro gefragt ist? Sie galt bis zuletzt als möglich, war aber auch abhängig vom aktuellen Gesundheitszustand des Revolutionsführers.