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Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Freitag bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz.
© REUTERS/Gonzalo Fuentes

EU-Gipfel in Brüssel: Die Brexit-Verhandlungen belasten die Gemeinschaft

Beim EU-Gipfel demonstrieren Merkel und Macron Einigkeit. Doch die Brexit-Verhandlungen wirken für die Gemeinschaft wie ein Klotz am Bein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

So schnell ändern sich die Zeiten. Vor einem halben Jahr schaute Europa noch gebannt in die Niederlande und nach Frankreich, wo ein Durchmarsch der Rechtspopulisten drohte. Und jetzt, beim EU-Gipfel in Brüssel, herrscht wieder gute Laune bei Merkel und Co. Statt der Rechtsextremen Marine Le Pen kam der neue europäische Hoffnungsträger Emmanuel Macron nach Brüssel. Vive l’Europe – lautet ab jetzt so die Devise nach Jahren der Krise?

Tatsächlich verdeutlichte schon der gemeinsame Auftritt des neuen französischen Präsidenten und der Bundeskanzlerin zum Abschluss des Gipfels, dass nach Jahren des Stillstands ein neuer Gemeinschaftsgeist herrscht. Und auch inhaltlich setzten Europas Staats- und Regierungschefs bei ihrem ersten Treffen nach der Schicksalswahl in Frankreich ein Zeichen, dass es mit Europa vorangehen soll: Eine engere militärische Zusammenarbeit unter den EU-Staaten, die bislang vom Noch-EU-Mitglied Großbritannien blockiert wurde, soll künftig möglich sein. Überhaupt, die Briten: Von denen wollen sich Angela Merkel, Emmanuel Macron und ihre 25 EU-Partner künftig bei Gipfeltreffen nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen.

Mays Angebot ist mit Vorsicht zu genießen

Doch ganz so einfach ist der Neustart, zu dem die EU gerade ansetzt, allerdings nicht. Die Verhandlungen rund um den Austritt Großbritanniens aus der EU dürften für die Gemeinschaft noch weit bis ins kommende Jahr hinein wirken wie ein Klotz am Bein. Beim Brüsseler Gipfel hat die britische Regierungschefin Theresa May wie beim Schach ihren Eröffnungszug gesetzt. Zwar hat sie mit einem scheinbar großzügigen Angebot für die in Großbritannien lebenden EU-Bürger den Eindruck vermittelt, dass sie eine gütliche Trennung einem Scheidungskrieg vorzieht. Doch ihr Angebot ist mit Vorsicht zu genießen.

Streit um Europäischen Gerichtshof

Denn wer sich Mays Vorschlag aber genauer anschaut, wird schnell stutzig: Anders als die Europäer dies wünschen, sollen die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien künftig nicht vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sein. Ähnliche Diskussionen ums Kleingedruckte wird es wohl auch bei den bevorstehenden Verhandlungen um die britische EU-Austrittsrechnung und die mögliche Errichtung einer Zollgrenze zwischen Irland und Nordirland geben, wo noch am Ende des vergangenen Jahrhunderts ein blutiger Bürgerkrieg herrschte.

Brexit dürfte noch viele Kapazitäten in der EU binden

Mit anderen Worten: Der Brexit dürfte noch viele Kapazitäten in der EU binden, die nun eigentlich den Blick nach vorn richten will. Da spielt es auch keine große Rolle, dass Londons EU-Austritt formal kein Thema für EU-Gipfel ist, sondern in der Hand der Brüsseler Kommission liegt.

Ab März 2019 werden die Briten bei den Gipfeln voraussichtlich ohnehin nicht mehr dabei sein – es sei denn, der Traum von EU-Ratschef Donald Tusk, dass es einen Exit vom Brexit gibt, geht in Erfüllung. Dass dies nicht zu erwarten ist, ließ Merkel am Freitag nebenbei durchblicken. Sie sprach davon, dass die EU heute 27 Mitglieder habe. 27 – ohne Großbritannien.

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