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Beate Zschäpe - Hauptangeklagte im NSU-Prozess.
© dpa
Update

189. Tag im NSU-Prozess: Die "bauernschlaue" Beate Zschäpe

Christian K. war dabei. Der Zeuge, ein ehemaliger Rechtsextremist, erzählt vom Innenleben der Szene in Jena. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe hielt er für "nicht besonders intelligent".

Endlich mal, so könnte man sagen, tritt ein Zeuge mit rechtsextremer Vergangenheit nicht penetrant stur und unwillig auf. Christian K., 34 Jahre, unauffällig gekleidet, für eine Software-Firma tätig, redet am Mittwoch im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München flüssig über seine Zeit in der rechten Szene in Jena in den 1990er Jahren. Wenn auch offen bleibt, ob der Zeuge alles sagt, was er weiß, so berichtet er doch wenig schmeichelhaft für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Christian K. erinnert sich an sie als eine zwar heitere Person, aber "nicht besonders intelligent, eine gewisse Bauernschläue". Und er meint, in Zschäpes Wohnung das Spiel "Pogromly" gesehen zu haben. Das mutmaßlich vom späteren NSU-Mörder Uwe Mundlos entworfene und offenbar von ihm mit Böhnhardt und Zschäpe produzierte Brettspiel ist eine pervertierte, brachial antjüdische Variante von "Monopoly".

Christian K. präsentiert eine Binnenansicht der Szene in Jena für die Jahre vor und nach dem Abtauchen von  Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe im Januar 1998. Zschäpe sei, der Zeuge meint die Zeit vor dem Gang in den Untergrund, mit Böhnhardt liiert gewesen, "da war viel Neckerei dabei". Doch Böhnhardt  war Christian K., damals einer der Jüngeren in der Szene, unheimlich.

Böhnhardt habe regelmäßig "mindestens einen Schlagstock dabei gehabt", sagt der Zeuge und erwähnt auch Messer und Schreckschusspistolen. Zu scharfen Waffen könne er jedoch nichts sagen. Christian K. beschreibt Böhnhardt als launisch. Er habe in einem Moment gelacht, doch als er in einer Disko angerempelt wurde, sei Böhnhardt laut geworden, "er hat den angeschrien, er wirkte unkontrolliert". Außerdem hätten sich Böhnhardt und Mundlos 1996, 1997 "optisch radikalisiert". Die beiden seien "in braunen Uniformen aufgetreten", mit Schaftstiefeln. Böhnhardt und Mundlos hätten sich "angeglichen, fast wie Brüder".

Christian K. bekam angeblich erst im Februar 1998 mit, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe verschwunden waren. Carsten S., einer der weiteren Angeklagten im NSU-Prozess, machte ihn telefonisch auf einen Zeitungsartikel über die drei aufmerksam. Da ging es um eine Armbrust, um "Pogromly" und Rohrbomben. Carsten S. habe gesagt, "du kannst dir ja vorstellen, wer das ist". Christian K. sagt, er sei konsterniert gewesen. Er habe dann ein Lied geschrieben. Der Zeuge war damals Mitglied einer rechten Band namens "Eichenlaub". Das Lied bekam erst den Titel "Warum", dann wurde es umbenannt in "5. Februar".  Christian K. vermutete damals, an diesem Tag seien die drei untergetaucht. Eine Textzeile lautete, "die Polizei kam euch auf die Spur, nun hieß es Abschied, für wie lange nur?" Dann werden Kameradschaft, Kampf und Vaterland verherrlicht.

Knapp zwei Jahre später, im Januar 2000, erfuhr Christian K. auf ominöse Weise, wo  sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe  versteckten. Bei einer NPD-Veranstaltung soll eine ihm unbekannte Person gesagt haben, "die sind in Chemnitz". Was auch stimmte, wie sich nach dem Ende des NSU herausstellte.

Als die Terrorzelle 2011 aufflog, "hatte ich Probleme mit meinem Gewissen", sagt Christian K., der offenbar längst mit der Szene gebrochen hatte. Er habe sich die Frage gestellt, "ob ich etwas hätte verhindern können, wenn ich der Polizei erzählt hätte, dass die drei in Chemnitz sind". Im September 2000 hatten  Mundlos und Böhnhardt ihr erstes Opfer ermordet. Es folgten neun weitere.

Obowhl Christian K. in nüchternem Tonfall berichtet, bleibt doch offen, ob er nicht auch taktiert. Dass er betont, zu scharfen Waffen bei Böhnhardt nichts sagen zu können, ist so ein Punkt. Und der Zeuge erwähnt, bei dem Gespräch mit der ihm angeblich unbekannten Person über das Chemnitzer Versteck von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sei Ralf Wohlleben nicht dabei gewesen. Der Ex-NPD-Funktionär ist ebenfalls einer der Angeklagten im NSU-Verfahren. Will Christian K. ihn in Schutz nehmen? Auffällig ist allerdings auch, wie der Zeuge über seinen eigenen Bruder spricht, den Neonazi André K. Der ist bis heute eine bekannte Figur der Jenaer Szene. Und er soll Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 1998 unterstützt haben. "In den Wochen nach dem Abtauchen der drei", sagt Christian K., "war mein Bruder kaum zu sehen. Ich habe die Vermutung, dass er involviert war."

Beate Zschäpe geht es besser

Beate Zschäpe - Hauptangeklagte im NSU-Prozess.
Beate Zschäpe - Hauptangeklagte im NSU-Prozess.
© dpa

Unterdessen scheint sich Zschäpe gesundheitlich stabilisiert zu haben. Nachdem die Verhandlung am Dienstag wegen einer Erkrankung ausgefallen und auch die vergangene Woche schwierig war, hat die Angeklagte am Mittwoch den Prozesstag mit sechsstündiger Dauer durchgehalten – wie üblich schweigend. Es mehren sich allerdings die Hinweise, dass sie vor allem psychisch angeschlagen ist. Zschäpes Verteidigerin Anja Sturm hatte, wie erst jetzt bekannt geworden ist, im Februar beantragt, die Angeklagte morgens erst in den Sitzungssaal bringen zu lassen, wenn Fotografen und Kameraleute dort nicht mehr anwesend sind. Bislang wurde Zschäpe jeden Tag abgelichtet, obwohl sie seit Beginn des Prozesses den Kameras demonstrativ den Rücken zudreht.

Anwältin Sturm sieht die Menschenwürde ihrer Mandantin verletzt. Außerdem sei die bisherige Praxis „eine weitere, erhebliche psychische Belastung“, die es mit Blick auf die Verhandlungsfähigkeit von Zschäpe „auf ein Mindestmaß zu reduzieren gilt“, wie es im Antrag heißt. Der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, hat dafür Verständnis. Am Montag verfügte er, ab sofort seien „Ton-, Film- und Bildaufnahmen im Sitzungssaal nur noch an jedem ersten und siebten Sitzungstag pro Kalendermonat gestattet“. Der Richter „hatte in seiner Entscheidung die Pressefreiheit einerseits gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der inhaftierten Angeklagten und dem Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren gegeneinander abzuwägen“,  teilte die Pressesprecherin des Oberlandesgerichts mit.

Da dieser Mittwoch der erste Verhandlungstag im Monat März ist, hat Zschäpe die Fotografen und Kameraleute allerdings gleich wieder ertragen müssen. Von morgen an bleibt ihr das Blitzlicht bis Mitte des Monats erspart.

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