US-Strafzölle: Die Antwort auf Trump ist eine gemeinsame Wirtschaftspolitik
Beim G7-Gipfel dürfen sich die Industrienationen nicht von den USA auseinanderdividieren lassen, schreibt der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende in einem Gastbeitrag.
Betrachtet man vor dem morgen beginnenden G7-Gipfel die Strafzölle der USA, die sich nun auch gegen die Partner und Verbündeten Mexiko, Kanada und die EU wenden, so kann man im ersten Moment nur den Kopf schütteln. Mancher fragt: Sind denn alle verrückt geworden?
Eine nüchterne Bestandsaufnahme tut Not. Und dann müssen wir uns auf die wenigen Handlungsmöglichkeiten und Instrumente konzentrieren, die in unserer eigenen Hand liegen.
Zunächst sind wir gut beraten, den US-amerikanischen Präsidenten beim Wort zu nehmen. Er sagt, die EU sei Deutschland und nur dazu geschaffen worden, der USA handelspolitisch zu schaden. Deshalb wolle er bilateral mit den EU-Staaten verhandeln, um US-Interessen besser durchsetzen zu können.
Trumps Außenwirtschaftslogik ist zu kurz gedacht
Kurzum: er will Europa auseinanderdividieren. Das muss man gerade vor dem Hintergrund der Äußerungen seines Botschafters in Deutschland ernst nehmen.
Donald Trumps außenwirtschaftliche Logik geht so: Wer mehr exportiert als er importiert, der wird Vermögen anhäufen und Arbeitsplätze sichern. Die USA haben jedoch seit Jahrzehnten ein Leistungsbilanzdefizit, importieren also mehr als sie exportieren. Deutschland hingegen hat seit einigen Jahren einen Leistungsbilanzüberschuss. Deshalb muss der Handel zwischen Deutschland und den USA unfair sein. Oder?
Das ist tatsächlich sehr kurz gedacht. Zum einen ist Deutschland Teil des europäischen Binnenmarkts – und im direkten Handel zwischen USA und EU haben die USA den Exportüberschuss. Zum zweiten lässt sich nicht so einfach beantworten, was wirklich ein gutes Handelsergebnis ist: Die deutschen Überschüsse bedeuten auch, dass hierzulande Auslandsvermögen angehäuft wird. Deutsche Maschinen gegen griechische Staatsanleihen hat sich jedoch nicht als nachhaltiges Geschäftsmodell herausgestellt. Die amerikanischen Bürger hingegen können einen Wohlstand auf Pump genießen, den sie möglicherweise niemals abbezahlen müssen.
Doch in Trumps Kritik steckt auch ein Körnchen Wahrheit: Die EU schottet sich tatsächlich mit relativ hohen Zöllen ab – darunter auch mit 10 Prozent Importzoll auf Autos. Die Vergleichsgröße der USA: 2,5 Prozent. Dass sich die EU darauf versteift hat, erst über ein Entgegenkommen bei bestehenden Zollfragen sprechen zu wollen wenn die USA sie dauerhaft aus den Strafzöllen ausnimmt und gleichzeitig Gegen-Strafzölle anzudrohen, hat sich bislang als erfolglos erwiesen. EU-Gegenmaßnahmen sind sicherlich nur eine ultima Ratio - Zölle zwischen entwickelten Volkswirtschaften haben nur negative Effekte, sie vernichten Wohlstand. Allerdings wäre der größte Verlierer eines Handelskriegs die Bundesrepublik – schließlich sind die nächsten angekündigten Strafzölle jene auf Autos.
Deutschland hat sich in Europa nicht nur Freunde gemacht
Wenn überhaupt können wir in Washington nur etwas als Europäer gemeinsam bewirken. Doch die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren in Europa nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil: Egal ob bei der Flüchtlings- oder Eurokrise, das Vorgehen war häufig schlecht oder gar nicht mit den Partnern abgestimmt. Da ist nicht jeder geneigt, das volle Gewicht in die Waagschale zu werfen um Deutschland zu helfen. Auch die EU-Kommission hat regelmäßig die deutschen Exportüberschüsse kritisiert, ohne dass die Bundesregierung etwas unternommen hätte.
Des Weiteren fließen Zolleinnahmen direkt in den EU-Haushalt, womit die EU-Kommission bei einer einseitigen Abschaffung der Zölle zu Gunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher kaum etwas zu gewinnen hat. Und schließlich war ja lange genug vor allem in Deutschland die Stimmung von grünem, linkem und rechtem Protektionismus geprägt. Bedenkt man, dass das Freihandelsabkommen mit Kanada CETA hierzulande weiterhin nicht ratifiziert ist, kann Deutschland auch kaum glaubwürdig die Fackel des Freihandels vor sich her tragen.
Per Inlandsinvestition ließe sich der Leistungsbilanzüberschuss abschmelzen
Trotz all dieser Probleme ist ein lösungsorientierter Ansatz notwendig. Er muss mit einer diplomatischen Initiative der Kanzlerin verbunden werden. Der von EU-Kommission und USA kritisierte deutsche Leistungsbilanzüberschuss ließe sich durch eine Offensive für Inlandsinvestitionen deutlich abschmelzen. Dabei geht es zum einen um Investitionen in Infrastruktur, z.B. Mobilfunk, Glasfaser und Verkehrsinfrastruktur – auch durch liberalisierte Kapitalsammelstellen und öffentlich-private Partnerschaften. Zu dieser Offensive gehören auch bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen, beispielsweise durch die steuerliche Forschungsförderung und ein Venture-Capital-Gesetz.
Das Ganze sollte in eine europäische Wachstumsinitiative zur Vollendung des digitalen Binnenmarkts eingebettet werden. Wenn Deutschland hier die Trendwende schafft und zusätzlich CETA rasch ratifiziert, kann es sich auch in Europa wieder glaubwürdig für freien Handel einsetzen.
Michael Theurer ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Deutschen Bundestag.
Michael Theurer