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Ukrainische Marinesoldaten sprechen an der Trennlinie zu den prorussischen Rebellen in der Region Donezk miteinander.
© Andriy Dubchak/ AP/dpa

Waffenexporte nach Kiew: Die Ampel streitet – doch die Ukraine hat bereits Verbündete

In der Koalition gibt es erste Forderungen, die Lieferung von Rüstungsgütern in die Ukraine zu überdenken. Hilfe sucht das Land bereits in der Türkei.

Der Widerspruch kam prompt: Er kritisiere den „öffentlichen Wettbewerb um schärfste Sanktionsdrohungen, gar Waffenlieferungen an die Ukraine als unverantwortliches Zündeln“, schrieb der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner auf Twitter. Damit gibt es nun innerhalb der Ampel-Koalition offenen Streit über die Ukraine-Politik.

Denn kurz vor Stegners kalkuliertem Wutausbrauch hatte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine Lieferung von „Defensivwaffen“ als eine Möglichkeit zur Unterstützung der Ukraine ins Gespräch gebracht. Die Regierung in Kiew fordert schon lange und seit der jüngsten Eskalation mit Nachdruck deutsche Waffenlieferungen.

Doch selbst innerhalb der FDP gab es am Mittwoch keine Unterstützung für Strack-Zimmermanns Position: Der Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff verwies auf das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete untersagt, und auf den Koalitionsvertrag.

Lambsdorffs Fazit: „Unterstützung für die Ukraine ja, aber mit einer Ausrüstungsunterstützung, nicht Waffenlieferungen“. Denkbar ist aus Sicht des FDP-Bundestagsabgeordneten die Lieferung von Schutzwesten, Helmen, Radar- und Nachtsichtgeräten. Über eine solche Ausrüstungshilfe würde die Ampel-Koalition relativ schnell einen Konsens finden, glaubt Lambsdorff.

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Doch auf dem Wunschzettel der Regierung in Kiew stehen gerade keine Schutzhelme, sondern Kriegsschiffe und Flugabwehrsysteme. Großbritannien lieferte Anfang dieser Woche leichte Panzerabwehrwaffen an die Ukraine.

Die USA unterstützen das Land bereits seit längerer Zeit mit Rüstungsgütern, darunter ebenfalls Panzerabwehrwaffen. Mehrere US-Senatoren sagten in dieser Woche in Kiew weitere Hilfen zu. Frankreich kündigte zusammen mit Großbritannien, den USA und Litauen ebenfalls eine Lieferung von Waffen an.

"Internationale technische Hilfsgüter" werden aus Großbritannien an die Streitkräfte der Ukraine geliefert. Das Bild stellte das britische Verteidigungsministerium zur Verfügung.
"Internationale technische Hilfsgüter" werden aus Großbritannien an die Streitkräfte der Ukraine geliefert. Das Bild stellte das britische Verteidigungsministerium zur Verfügung.
© Mod Of Ukraine/PA Media/ dpa

Dass die Regierung in Kiew trotz der Hilfen aus anderen Staaten noch auf deutsche Flugabwehrsysteme hofft, hat damit zu tun, dass die ukrainische Luftwaffe im Vergleich zur russischen schlechter ausgestattet ist. Ein Großteil der Kriegstechnik, die die Ukraine auf diesem Gebiet verwendet, stammt noch aus Sowjetzeiten.

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Das bringt dem Land einen doppelten Nachteil: Zum einen ist die Ausrüstung veraltet, zum anderen ist das russische Militär mit den Geschossen und Abwehrsystemen vertraut und könnte so ukrainische Luftstellungen schnell ausschalten. Deswegen will die Ukraine bis 2030 ihr Arsenal modernisieren.

Drohnenlieferungen aus der Türkei und „Ausbau der Zusammenarbeit"

Ein Partner der Ukraine ist dabei die Türkei. Bereits seit 2018 kauft die Ukraine die türkischen Drohnen Bayraktar-TB2. Sie können sowohl zur Aufklärung, also Beobachtung von Krisengebieten, als auch im Kampf verwendet werden. Mit diesen Drohnen unterstützte die Türkei unter anderem auch Aserbaidschan im Berg-Karabach-Konflikt gegen Armenien 2020 und verhalf dem Land zu einem strategischen Vorteil.

Vor wenigen Wochen kündigte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak an, dass die Ukraine die Zusammenarbeit mit der Türkei ausbauen wolle. So habe die Ukraine begonnen, Motoren für die türkischen Drohnen zu produzieren.

Die türkische Drohne Bayraktar TB2 wurde unter anderem nach Nordzypern, Libyen und Aserbaidschan exportiert.
Die türkische Drohne Bayraktar TB2 wurde unter anderem nach Nordzypern, Libyen und Aserbaidschan exportiert.
© Birol Bebek/AFP

„Im Kriegsfall könnte ein Rüstungsexporteur wie die Türkei natürlich Interesse an einem weiteren Handel mit der Ukraine haben“, sagt Ulrich Kühn, Friedensforscher an der Universität Hamburg. Zumal die Türkei sich nicht so restriktive Regelungen auferlege wie Deutschland oder die EU. Gleichzeitig sei das Szenario eines Krieges so dynamisch, dass Voraussagen dazu schwer möglich seien.

„Am Ende steht aber fest: Es gibt keine defensiven Waffen“, sagt der Sicherheitsexperte. Denn eine Waffe könne immer zur Verteidigung und zum Angriff verwendet werden.

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