Alternative für Deutschland: Die AfD und das Gute an der DDR
Die AfD bereitet sich auf die Wahlkämpfe in Ostdeutschland vor und fordert die „Drei-Kind-Familie“ sowie Familienkredite nach DDR-Vorbild. Außerdem fordert sie Schulpraktika „analog zum DDR-Schulsystem“. Was ist da los?
Nein, eine Neuauflage der DDR sei mit der AfD nicht zu erwarten, sagt Frauke Petry, die sächsische Spitzenkandidatin. Dazu gebe es viel zu viele Parteimitglieder, die selbst unter dem SED-Regime gelitten hätten. Petry hatte ein paar Minuten zuvor Familienkredite nach DDR-Vorbild angeregt. Im Landtagswahlprogramm werden berufsnahe Schulpraktika „analog zum DDR-Schulsystem“ gefordert. Und in den nächsten Wochen tuckern AfD-Funktionäre per „Trabi-Tour“ durchs Land – schon möglich, dass sich der ein oder andere da an vergangene Zeiten erinnert fühlt.
Doch die AfD Sachsen definiert sich als „konservative Volkspartei“ – dabei hatte die AfD insgesamt die Bezeichnung „konservativ“ lange abgelehnt. Traditionell gilt der sächsische Verband als der am weitesten rechts stehende innerhalb der Partei. Eine Programmforderung zum Beispiel lautet, die „strangulierende Ideologie des Marxismus-Leninismus“ dürfe nicht durch andere „menschenfeindliche Ideologien“ ersetzt werden – „wie den verqueren Genderismus“.
Lucke spricht von „Staatsversagen in Ostdeutschland“
Wenn Spitzenkandidatin Petry auf dem Podium sitzt, dann klingt das alles etwas weniger gedrechselt. Wie vorige Woche in Berlin, als sie ihre Wahlschwerpunkte vorstellte. Parteichef Bernd Lucke hatte da gerade ein „Staatsversagen in Ostdeutschland“ diagnostiziert. Eine Wortwahl, die Petry nicht so ganz gefiel. Sie appelliert lieber an den Stolz der Ostdeutschen, sie fordert ein schärferes Vorgehen gegen Diebstahlkriminalität und nennt als Ziel die „Drei-Kind-Familie“.
Es ist ein Wunsch, den auch Björn Höcke teilt, Petrys Gegenpart in Thüringen. Er hatte die Idee mit der „Drei-Kind-Familie“ aufgebracht. Thüringen war lange das Sorgenkind unter den ostdeutschen Verbänden. Gerne greift der Lehrer Höcke zu markigen Worten – zum Beispiel wenn er in Anspielung auf die NS-Zeit sagt: Wer eine aktive Bevölkerungspolitik fordere, werde „ganz schnell in Richtung der zwölf Jahre verortet“. An anderer Stelle beklagt er eine „politische Korrektheit“, die „wie Mehltau auf unserem Land“ liege – er sei angetreten, diese wegzuräumen. In der AfD-Spitze runzeln manche die Stirn über solche Sprüche, doch man ist froh, überhaupt einen vorzeigbaren Spitzenkandidaten gefunden zu haben.
2015 könnte für die AfD eine Durststrecke werden
Denn die drei Wahlen in Ostdeutschland stellen eine wichtige Bewährungsprobe dar. 2015 hingegen könnte für die AfD zur Durststrecke werden. Erst im übernächsten Frühjahr bietet sich aus AfD-Sicht in Baden-Württemberg wieder die Gelegenheit, ein größeres Revier zu markieren und möglicherweise die FDP hinter sich zu lassen. Dass seit Mai sieben AfD-Abgeordnete im Brüsseler Europaparlament sitzen, gilt zwar als großer Erfolg – ist aber auch nicht ohne Risiko. In der AfD wird die Gefahr durchaus gesehen, dass die Gruppe um Lucke im „Raumschiff Brüssel“ versinkt, während an der Basis wieder Konflikte ausbrechen.
Im Europaparlament verfügen die AfD-Abgeordneten inzwischen über einen hauptamtlichen Apparat mit mehreren Dutzend Mitarbeitern. Reibungslos verlief der Start dort zwar nicht, nachdem Lucke mit seiner Kandidatur für den Vizevorsitz des Währungsausschusses gescheitert war. Dies habe den Zusammenhalt in der ECR-Fraktion, der die AfD angehört, aber eher noch verstärkt, heißt es.
In den drei ostdeutschen Wahlkämpfen werden die drei Landesverbände nun massiv von außen unterstützt. So kommen nicht nur Parteigrößen wie Lucke und Hans-Olaf Henkel nach Sachsen – auch ganze Busladungen voller westdeutscher AfD-Mitglieder sollen dafür sorgen, dass der Petry-Partei in den Schulferien nicht die Luft ausgeht.
Der Ex-Bundeswehroffizier Georg Pazderski wird Bundesgeschäftsführer
Eine wichtige Rolle in den Wahlkampfplanungen spielt auch die Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Deren Struktur wurde inzwischen neu geordnet. Der bisher kommissarisch amtierende Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski, ein früherer Bundeswehroffizier, ist vom Vorstand vor kurzem offiziell auf diesen Posten bestellt worden. Frank-Christian Hansel, der sich den Posten bisher mit Pazderski geteilt hatte, soll nach Informationen des Tagesspiegels Pazderskis Stellvertreter werden. In dieser Funktion soll er den Parteiaufbau vorantreiben und auch die Kontakte nach Brüssel halten.
Zunächst aber ist für die AfD noch einmal Basisarbeit angesagt. Weil in Sachsen befürchtet wird, dass die Wähler alle im Urlaub sind, wird Petry in der kommenden Woche an die Ostsee aufbrechen – und dort am Strand für sich werben.
Fabian Leber