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Die Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bei einer Rede im Bundestag.
© dpa

Wann gibt es einen Bundestagsvize?: Die AfD hat keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein bestimmtes Wahlergebnis

Wie das Bundesverfassungsgericht mit dem Ansinnen der AfD-Fraktion umgeht, im Bundestag einen Vizepräsidenten stellen zu wollen. Eine Analyse.

Zuerst versuchte es die AfD zu Beginn der Legislaturperiode 2017 mit ihrem Abgeordneten Albrecht Glaser. Doch er scheiterte – wie später noch weitere Kandidatinnen und Kandidaten aus der Fraktion. Es fand sich einfach keine Mehrheit dafür, einen der sechs Bundestagsvizepräsidenten aus den Reihen der Rechtspartei zu bestimmen. Obwohl es eigentlich gute Tradition ist, dass alle Fraktionen in Parlamentsgremien angemessen vertreten sind. Waren die Wahlen mit der Ablehnung ein Lehrstück für Demokratie? Oder ein Beispiel für die Verletzung von Verfassungsrecht?

Das Bundesverfassungsgericht gab darauf am Mittwoch noch keine klare Antwort. Es wies aber einen Eilantrag der AfD-Fraktion zurück, die in Karlsruhe ein Organstreitverfahren um diese Frage führt (Az.: 2 BvE 9/20). Die Begründung fiel knapp aus. Der Antrag sei schon deshalb unzulässig, weil er sich auf eine Rechtsfolge richte, die im Wege eines Organstreits nicht erreicht werden könne.

Die Fraktion wollte „Vorkehrungen“ für die Wahl erreichen

Die Fraktion hatte den Bundestag in seiner Eigenschaft als Verfassungsorgan per Eilantrag verpflichten wollen, „Vorkehrungen“ zu treffen, damit ein weiterer Wahlgang zum Erfolg führt und nicht, wie die AfD meint, erneut aus „sachwidrigen Gründen“ scheitert. Bei der Gegenseite, namentlich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), traf diese Argumentation auf völliges Unverständnis. Das Präsidium kritisierte im Prozess sogar die „autoritäre“ und „paternalistische“ Vorstellung, es solle das Wahlverhalten der Abgeordneten irgendwie betreuen. Dies passe nicht zu einem Parlament von frei gewählten und mandatsgleichen Abgeordneten, hieß es.

Die Wahl des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreterinnen folgt den Regeln der hauseigenen Geschäftsordnung und fällt damit in die Parlamentsautonomie. Schäubles Stellvertreter sind derzeit Hans-Peter Friedrich (CSU), Dagmar Ziegler (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP), Petra Pau (Linke) und Claudia Roth (Grüne).

Das Gericht sieht keine schweren Nachteile für die AfD

Der Zweite Senat des Gerichts stellt in seinem Beschluss nun klar, dass in einem Organstreit lediglich die Verletzung von Verfassungsrecht festgestellt werden könne – nicht aber die Anordnung von „Vorkehrungen“. Zudem habe die AfD-Fraktion nicht darlegen können, dass ihr bei Nichterlass einer einstweiligen Anordnung ein schwerer Nachteil drohe. Sie habe selbst gar nicht erklären können, welche „verfahrensmäßigen Vorkehrungen“ eigentlich nötig seien, um das gewünschte Wahlergebnis sicherstellen zu können.

Wie der Rechtsstreit im Hauptsachverfahren ausgeht, ist offen. Die AfD beharrt darauf, dass mit den gescheiterten Wahlen ihre Rechte als Volksvertreter gemäß Artikel 38 des Grundgesetzes beschnitten worden seien. Würde dem stattgegeben, hieße es, dass es einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein bestimmtes Wahlergebnis geben kann. Dass die Richterinnen und Richter dabei mitmachen, dürfte eher zweifelhaft sein.

Der Abgeordnete Jacobi hat bessere Aussichten mit seiner Klage

Bessere Aussichten verspricht wohl ein weiteres Verfahren des AfD-Abgeordneten Fabian Jacobi in einer ähnlichen Angelegenheit. Er hatte neben den Wahlvorschlägen seiner Fraktion versucht, eigene Kandidaten auf die Wahlliste setzen zu lassen. Dies lehnte das Bundestagspräsidium mit der Begründung ab, nur der Fraktion stehe ein Vorschlagsrecht zu, nicht jedoch einzelnen Mandatsträgern.

Zwar lehnte das Gericht einen Eilantrag Jacobis am Mittwoch ebenfalls ab (Az.: 2 BvE 2/20). Zugleich legte es aber für den 10. November einen Termin zur mündlichen Verhandlung fest.

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