Nursultan Nasarbajew: Die Abdankung des letzten Kommunisten
Nach dem Abtritt des kasachischen Präsidenten wird gerätselt, wer das Land künftig führt. Fähige Amtserben hat Nasarbajew während 30 Jahren Macht beseitigt.
Es ist ein historisches Ereignis: Mit Nursultan Nasarbajew tritt fast 30 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR der letzte noch mächtige Funktionär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion von der Bühne ab. Zumindest teilweise. Nasarbajew ist seit Dienstag nicht mehr Präsident Kasachstans. Das Amt hat er bruchlos aus den Zeiten des realen Sozialismus in ein von ihm persönlich gestaltetes neofeudales Regime hinüber wachsen lassen. Jetzt behält er faktisch alle Hebel der Macht noch in der Hand: Nasarbajew bleibt Chef der Staatspartei und des Sicherheitsrates. Strafrechtliche Immunität gegen jegliche Ermittlungen über seine Amtszeit hat er sich schon vor Jahren in der Verfassung zusichern lassen.
Es war Michail Gorbatschow, der Nasarbajew an die Spitze der Macht, ins Politbüro des ZK der KPdSU, holte. Der kasachische Republiksführer war gegen Ende der Sowjetunion auch als deren Vizepräsident vorgesehen. Doch richtig profitiert hat er – auch im buchstäblichen Sinne – erst nach dem Zerfall des Riesenreiches. Ununterbrochen herrschte Nasarbajew seither selbstherrlich und rücksichtslos über Kasachstan. Er führte ein durch und durch korruptes Regime, auch zu seinem persönlichen Vorteil: Transparancy International führt Kasachstan auf Platz 124 von 180 Staaten.
Mögliche Nachfolger müssen Diadochenkrieg fürchten
Nasarbajew hat in den 30 Jahren an der Macht nicht nur mögliche Konkurrenten, sondern auch fähige Nachfolger beseitigt. Lange galt seine älteste Tochter Dariga als Erbin – ein Wort des Vaters würde auch jetzt genügen. Doch er hat es bei seiner Abdankung nicht gesprochen. Darigas Name ist mit einigen heftigen Skandalen verbunden. So soll sie persönlich Teile des auf sechs Milliarden Euro eher zu niedrig geschätzten Familienvermögens auf österreichischen Konten gebunkert haben.
Auch Höflinge Nasarbajews sind nicht ohne Ambitionen auf eine Nachfolge. Allerdings gibt es derzeit auf eine Frage keine Antwort. Was ist größer: die Machtambitionen einiger Figuren aus der zweiten Reihe oder ihre Furcht, Nasarbajews Bereicherungsgemeinschaft könnte in einem Diadochenkrieg zusammenbrechen - mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Region.
Zu der gehört vor allem Nachbar Russland. Unmittelbar vor seinem Fernsehauftritt telefonierte Nasarbajew mit dem Präsidenten Wladimir Putin. Offiziell gilt das Verhältnis zwischen beiden Staaten als ausgezeichnet. Man arbeitet eng in der Eurasischen Wirtschaftsunion und in einem Verteidigungsbündnis zusammen. Aber Putin hat auch gesagt: „Kasachstan gehört zur russischen Welt.“ Nicht erst seit dem Krieg in der Ost-Ukraine ist das ein Satz, den man in Astana gut versteht. Fast ein Viertel der kasachischen Bevölkerung sind Russen, sie leben – ähnlich wie in der Ostukraine – vor allem in Gebieten, die an Russland grenzen. Immer wieder hat Nasarbajew deshalb betont, was ihm am wichtigsten ist: die Unabhängigkeit Kasachstans.
Vorläufiger Nachfolger initiiert Umbenennung der Hauptstadt
Auch im Innern des Reiches sind die Verhältnisse nicht so Traumhaft, wie sie Nasarbajew in seiner Abschiedsrede darstellte. Einem Großteil der Bevölkerung war es tatsächlich lange Zeit gleichgültig, wie sehr sich die Eliten am Tisch des Autokraten bereicherten – so lange nur genügend herunterfiel. Wer dennoch Opposition wagte, wurde gnadenlos mundtot gemacht oder in die Flucht getrieben. In letzter Zeit jedoch scheint es nicht mehr so einfach, Proteste und Streiks zu unterdrücken. Für einen Nachfolger könnte der Weg bis zu den „Wahlen“ im nächsten Jahr durchaus steinig werden.
In einer seiner ersten Amtshandlungen hat Nasarbajews vorläufiger Nachfolger Kassym-Shromat Tokajew vorgeschlagen, die Hauptstadt Astana in „Nursultan“ umzubenennen. Tatsächlich votierten die beiden Kammern des kasachischen Parlaments am Mittwoch ohne Gegenstimme für eine Verfassungsänderung um die Namensänderung durchzusetzen, wie die Staatsagentur Kazinform meldete.
Es zeigt den Personenkult um den nunmehr abgetretenen Präsidenten – und der Vorschlag ist nicht ohne gewisse Berechtigung. 1997 verlegte Nasarbajew die Hauptstadt von Almaty im Süden in ein Provinznest namens Zelinograd im Norden des Landes, durch das unbarmherzig der Steppensturm pfiff. Es muss ihm dabei so etwas wie eine Vision von Peter dem Großen gekommen sein, der vor fast 300 Jahren in den Sümpfen St. Petersburg errichten ließ. Inzwischen haben alle großen Architekten der Welt in Astana Gebäude errichtet – und wer nicht in Astana gebaut hat, ist kein großer Architekt.
In vielem ähnelt der Ort in Zentralasien heute den Hauptstädten der Öl-Monarchien am Persischen Golf. Auch der kasachische Quasi-Monarch hat viele Milliarden dafür verwendet, um sich schon zu Lebzeiten ein architektonisches Denkmal zu errichten. Einige Entwürfe sollen von Nasarbajew selbst stammen – heißt es. Bei einem Blick auf die Stadt erscheint es sogar plausibel.
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