Streit zwischen Barbara Hendricks und Sigmar Gabriel: Deutschlands Probleme mit dem Klimaziel
Die Kohle bereitet der Bundesregierung großes Kopfzerbrechen. Deutschland droht auch deshalb sein Klimaziel klar zu verfehlen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat nun einen Aktionsplan vorgelegt - mit entscheidenden Leerstellen.
Zwei Wochen vor der Abstimmung im Kabinett haben Umweltministerin Barbara Hendricks und Energieminister Sigmar Gabriel (beide SPD) ihre Pläne vorgelegt, wie Deutschland sein Klimaschutzziel bis 2020 noch erreichen soll. Hendricks sagte: „Ich habe heute die Ressortabstimmung zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 veranlasst.“ Allerdings seien noch „intensive Gespräche“ nötig. „Die Minderung unserer Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 ist zweifellos eine der zentralen Aufgaben der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode“, sagte Hendricks. Das werde ein „Kraftakt, der einen Innovations- und Investitionsschub und eine Menge positiver Energien in der Gesellschaft auslösen kann“, sagte sie.
Sigmar Gabriel stellt Entwurf für den „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ vor
Zeitgleich brachte das Energieministerium den Entwurf für den „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ (Nape) in die Ressortabstimmung, der mit 25 bis 30 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) den bisher größten Beitrag zu Hendricks’ Klimaaktionsprogramm leisten soll. Das Kernstück des Effizienzplans ist ein Schub für die energetische Gebäudesanierung. Das Förderprogramm der KfW- Bank soll um 200 Millionen Euro auf zwei Milliarden Euro jährlich aufgestockt werden. Und Gabriel versucht sich erneut daran, die steuerliche Abschreibung der energetischen Gebäudesanierung durchzusetzen, die in der vergangenen Legislaturperiode nach fast zweijährigem Streit am Bundesrat gescheitert war.
Eine Milliarde Euro würde die Steuerförderung für die Gebäudesanierung kosten, erwartet das Ministerium. In Regierungskreisen hieß es am Mittwoch, dass es „noch Gespräche mit dem Finanzminister“ darüber gebe. Das ist ein Hinweis darauf, dass Sigmar Gabriel wohl nicht wieder versuchen will, sich das Geld dafür überwiegend von den Ländern zu holen. Der CDU-Wirtschaftsrat, der ein eigenes Energieeffizienzprogramm vorgelegt hat, das dem Tagesspiegel vorliegt, hat ebenfalls eine Steuerförderung verlangt, erwartet aber von Gabriel, dass er diese „bei den SPD-Ländern durchsetzt“.
Gabriels „Nape“ dagegen ist „umfangreicher als erwartet“, lobt Christian Noll, Geschäftsführer der Effizienzinitiative der Wirtschaft, Deneff. Neu ist der Vorschlag, von 2018 an Stromeffizienz als Leistung auszuschreiben. Dafür sollen etwa 150 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stehen. Denkbar wären solche Ausschreibungen auch für Einsparungen im Wärmemarkt. Die finden sich im Nape allerdings nicht. Die 57 Seiten aus dem Wirtschaftsministerium enthalten zudem eine Vielzahl kleinerer Reformen bis hin zu einer Klimakomponente im Wohngeld.
Viele kleine Ideen und eine große Leerstelle im Aktionsplan von Barbara Hendricks
Das Klimaschutzprogramm aus dem Hause Hendricks ist ein bunter Strauß vieler kleiner Ideen, deren Beitrag zum Klimaschutz oft genug nicht einmal messbar ist. Vom Verkehrsministerium fordert Hendricks eine Einsparung von zehn Millionen Tonnen CO2 bis 2020. Was im Plan schon enthalten ist, erreicht nicht einmal die Hälfte der Einsparung. Und er enthält Annahmen wie die, dass bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein werden, was inzwischen kaum noch jemand als realistisch ansieht. Die Landwirtschaft soll über die zwischen dem Agrar- und dem Umweltministerium umstrittene Düngemittelverordnung einen Klimaschutzbeitrag leisten. Er läge nach Einschätzung des Umweltministeriums bei einer Emissionsmenge, die 1,6 bis 3,3 Millionen Tonnen CO2 entspricht, weil sich bei einem geringeren Düngereinsatz weniger Lachgas bildet. Außerdem könnte die chemische Industrie weniger Dünger herstellen, was weitere 1,3 bis 2,5 Millionen Tonnen CO2- Einsparung erbringen würde.
Die größte Streitfrage zwischen Hendricks und Gabriel ist weiter ungeklärt. Beim Einsparbeitrag der Stromerzeugung, also der Stilllegung alter Kohlekraftwerke, steht im Aktionsprogramm ein „XX“. Nach Einschätzung der Klimaexpertin der Umweltstiftung WWF müssten an dieser Stelle etwa 50 Millionen Tonnen CO2 stehen, um das 40-Prozent-Ziel zu schaffen. Aus Regierungskreisen heißt es, dass statt am Ende „XX“ womöglich ein Wert um die 20 Millionen Tonnen CO2 stehen könnte. Es gibt aber auch ernsthafte Debatten darüber, ob die Stromexportmengen, 2013 immerhin 33 Terawattstunden oder etwa fünf Prozent der in Deutschland erzeugten Strommenge, einfach rausgerechnet werden könnten. Über die Kohle wird jedenfalls weitergestritten.
Scharfe Kritik von Umweltverbänden
Der Effizienzplan bekam am Mittwoch bei Umweltverbänden und Opposition deutlich bessere Kritiken als das Klimaaktionsprogramm. Der BUND bemängelte wie alle Umweltverbände, dass die Kohlefrage weiter offen bleibt. Die Klimaexpertin Annalena Baerbock sprach von einer „großen Koalition des kleinen Klimaschutzes“. Der Energieexperte Oliver Krischer hält Hendricks’ Vorlage gar für ein „Skurrilitätenkabinett“, die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn (alle Grüne) ist überzeugt, dass damit das deutsche Klimaziel „krachend verfehlt“ werde.