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Euro-Schuldenkrise: Deutschland will Sünder in die Pflicht nehmen

Der Druck auf Euro-Schuldensünder wird stärker: Deutschland will den EU-Vertrag ändern. Wie soll eine Stabilitätsunion aussehen?

Schuldensünder in der Euro-Zone sollen künftig stärker an die Kandare genommen werden als bisher – dieser Grundgedanke steckt hinter einer Änderung des EU-Vertrages von Lissabon, für die sich vor allem die Bundesregierung stark macht. Mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Vorhaben, den EU-Vertrag zu ändern, einen wichtigen Verbündeten gefunden. Aber dennoch ist unklar, ob das Projekt einer Vertragsänderung so verwirklicht wird, wie sich die Bundesregierung dies derzeit vorstellt.

Warum wird überhaupt jetzt eine Vertragsänderung diskutiert?

Es sind nicht zuletzt die Finanzmärkte, die die Debatte über eine Neufassung des EU-Vertrages erzwungen haben. Auch am Montag erreichten die Zinsen für italienische Anleihen wieder mehr als sieben Prozent, und auch in Belgien stiegen die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen auf ein Niveau, auf das sie zuletzt vor über zehn Jahren geklettert waren. Weil damit auch die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone anhält, stehen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaftswährung unter Zugzwang. Sie müssen gegenüber den Märkten den Beweis antreten, dass sie ihre Schuldenprobleme in den Griff bekommen. Wenn dies durch eine Änderung des EU-Vertrages festgeschrieben würde, wäre das auch ein kraftvolles Signal an die Märkte.

Welche Optionen für eine EU-Vertragsänderung liegen auf dem Tisch?

Am 9. Dezember wird EU-Ratschef Herman Van Rompuy beim EU-Gipfel in Brüssel Vorschläge für eine Änderung des EU-Vertrages präsentieren. Der Belgier führt mit den Verantwortlichen in den Hauptstädten der 27 EU-Mitgliedsländer seit Ende Oktober Sondierungsgespräche über mögliche Vertragsänderungen. Nach den Angaben eines Brüsseler EU-Diplomaten gilt derzeit der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) skizzierte Weg als „das wahrscheinlichste Szenario“ bei einer möglichen Vertragsreform. Schäuble strebt eine Lösung an, der zufolge zwei Artikel sowie eine Protokollnummer im Lissabon-Vertrag zur Stabilisierung der Euro-Zone geändert werden müssten. Schäuble setzt auf ein schnelles Änderungsverfahren – also ohne die Einberufung eines EU-Konvents, der das Verfahren in die Länge ziehen würde. Allerdings gab der EU-Diplomat zu bedenken, dass sich das EU-Parlament darauf einlassen müsse.

Nach den Angaben des EU-Diplomaten müsse man ohnehin erst einmal überlegen, welche Änderungen innerhalb der Euro-Zone angestrebt würden, bevor man über Vertragsänderungen nachdenke. Denn schließlich müsse nicht jeder Änderungsvorschlag zwangsläufig in eine Neufassung des Lissabon-Vertrages münden. Dies gelte beispielsweise für den Vorschlag, Defizitsündern die EU-Strukturhilfen zu kürzen. Alles in allem stehen neben der von Merkel und Schäuble angestrebten verschärften Kontrolle des Euro-Stabilitätspaktes noch weitere Punkte für eine Reform der Euro-Zone in den anderen EU-Hauptstädten zur Debatte. Dazu zählen eine verstärkte wirtschaftliche Koordinierung unter den 17 Mitgliedern der Gemeinschaftswährung, die Einführung von Euro-Bonds oder die Möglichkeit, Defizitsündern das Stimmrecht in den EU-Gremien zu entziehen. Unklar ist noch, ob die Vertragsänderungen – wie von Merkel angestrebt – im Kreis der 27 EU-Länder beschlossen werden können oder ob am Ende doch nur ein zwischenstaatlicher Vertrag unter der 17 Euro-Ländern zustande kommt.

Welche Änderungen strebt Berlin genau an?

Nach Angaben aus dem Bundesfinanzministerium geht es darum, Defizitsünder künftig wirksamer zu einer Einhaltung von festgelegten Obergrenzen bei der Verschuldung zu zwingen. Künftig soll ein Brüsseler Währungskommissar mit verstärkten Sanktionsbefugnissen die Möglichkeit haben, die Etats von Defizitstaaten als „nicht genehmigt“ zurückzuweisen, wenn die betreffenden Mitgliedsländer sich nicht auf einem Konsolidierungspfad bewegen. Eine solche Verweigerung der Genehmigung bedeute aber keinen Eingriff in das nationale Haushaltsrecht, weil die jeweilige Budgethoheit innerhalb der festgelegten Verschuldungsgrenzen – in Deutschland definiert durch die Schuldenbremse – unangetastet bleibe, heißt es im Finanzministerium. Wenn ein Euro-Mitglied gegen die Defizitkriterien verstößt, könnte das aus Berliner Sicht zwei Dinge zur Folge haben: Entweder erlässt die EU-Kommission sofort Sanktionen, gegen die sich der betroffene Staat dann vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wehren kann. Oder die EU-Kommission klagt vor dem EuGH gegen den Defizitsünder – in diesem Fall würde es länger dauern, bis Sanktionen greifen.

Was steckt hinter der Idee von „Elite-Bonds“?

Nichts, glaubt man dem Bundesfinanzministerium, das einen Bericht zurückwies, wonach die sechs Euro-Länder mit der höchsten Bonität gemeinsame Anleihen planten. Dadurch sollten die starken Länder (Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Finnland, Luxemburg) zusätzlich stabilisiert werden, ein „Schutzwall“ zur Beruhigung der Finanzmärkte, hieß es in der „Welt“. Die Elite-Bonds könnten auch zur Finanzierung weiterer Hilfen an Krisenländer genutzt werden. Doch Berlin dementierte, und auch ein Sprecher der EU-Kommission warnte vor einer „Fragmentierung“ der Euro-Zone.

Allerdings passt eine solche Lösung durchaus in die politische Vorstellungswelt Wolfgang Schäubles, der früher schon einem engeren, stärker integrationswilligen Kerneuropa innerhalb der EU das Wort geredet hat. Ein kleiner Euro-Bonds-Verbund hätte wohl zwei Wirkungen. Zum einen würde er die eher skeptischen Bevölkerungen in den Triple-A-Ländern an die Idee von Gemeinschaftsanleihen gewöhnen (die es übrigens in Deutschland in Form gemeinsamer Bundesländer-Anleihen auch schon gibt). Und ein solcher Anleihenverbund stünde natürlich offen für alle anderen Euro-Staaten, bei denen sich die Bonität dem der besonders stabilen Staaten nähert. Er wäre also eineArt „Karotte“ für Italien & Co., die Reformen voranzutreiben und damit wieder bessere Ratings zu bekommen. Der Vorteil eines Anleihenverbunds ist zudem, dass die Märkte wegen der größeren Emissionsvolumina meist einen etwas geringeren Zins verlangen.

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