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670 Euro pro Mensch und Monat im Asylverfahren übernimmt in Zukunft der Bund.
© dpa

Flüchtlingsgipfel: Deutschland ist ein Einwanderungsland - mit Grenzen

Der Flüchtlingsgipfel zeigt: Bund und Länder sind nun näher an der Wirklichkeit. Es zeichnet sich aber eine harte Debatte über das deutsche Asylrecht ab. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

An Ausnahmezustände auf Bahnhöfen und an Grenzen gewöhnt man sich nicht. Die Bundesregierung hat in der Flüchtlingskrise ein paar Tage gebraucht, um zu erkennen, dass eine Politik der Euphorie (Merkels "freundliches Gesicht") keine Politik auf Dauer ist. Es mag sein, dass die Merkel’sche Entscheidung, die über Österreich ankommenden Syrer von der Grenze weg einfach so aufzunehmen, in dieser Situation wahrscheinlich alternativloser war als alles, was diese Kanzlerin bisher entschieden hat.

Doch wenn dann ein deutscher Innenminister in einer Talkshow sagt, die Flüchtlingsbewegung von Ungarn nach Deutschland sei zeitweise "außer Kontrolle" geraten, ist das Ausdruck einer für deutsche Verhältnisse windigen Politik. Das aktuelle Politbarometer zeigt, dass sich die Leute zunehmend Sorgen über diesen Politikstil machen.

Unter entsprechendem Druck haben sich Bundes- und Landespolitiker schnell und kompromissbereit wie selten auf die Umverteilung von immerhin einigen Milliarden Euro verständigt. 670 Euro pro Mensch und Monat im Asylverfahren übernimmt in Zukunft der Bund, außerdem beteiligt er sich mit 500 Millionen Euro jährlich am sozialen Wohnungsbau und mit Milliarden an Sozialausgaben und Arbeitsmarktprogrammen.

Länderregierungschefs wie der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller sind zufrieden; der Mann, der in der Bundespolitik neuerdings für Grenzen zuständig ist, auch für die Grenzen der Euphorie, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, spricht anerkennend von einem "Zwischenschritt".

Aus der Krise zu einem neuen Konsens

Nicht weil Politiker mit sich zufrieden sind, hat dieser Gipfel mit seinen Ergebnissen Anerkennung verdient, sondern aus zwei Gründen: Erstens haben Bundes- und Landesregierungen gleich welcher Couleur aus der Krise heraus zur Handlungsgrundlage gemacht, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, dass es Masseneinwanderung erlebt und dass jetzt unverzüglich Integrationsangebote zu machen sind, beginnend mit möglichst kurzen Asylverfahren und Sprachkursen.

Zweitens haben die Realos unter den Bundes- und Landespolitikern klargemacht, dass Hilfen für Kriegsflüchtlinge zusätzlich zu den Langstreckenasylverfahren, in denen viele Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge hierzulande dahinleben, nicht gehen. Eine – gewiss hart werdende – Debatte über das deutsche Asylrecht zeichnet sich ab, denn zu den Ergebnissen des Gipfels gehören auch Beschlüsse über weitere sichere Herkunftsländer, geringere Sozialleistungen und über die teilweise Umstellung von Geld- auf Sachleistungen etwa für Menschen vom Balkan, die kaum Aussicht auf Asyl in Deutschland haben.

Asylbewerber sollten so schnell wie möglich arbeiten dürfen

Bei Pro Asyl heißt es über den Gipfel zu den Flüchtlingen: "Hardliner haben sich auf Kosten der Menschenrechte von Flüchtlingen durchgesetzt." Wenn moralische Hardliner einer grenzenlosen Asylpolitik so urteilen, spricht das für die Tragfähigkeit der neuen deutschen Flüchtlingspolitik.

Man kann nur hoffen, dass die Politik ein entsprechend hohes Tempo im Umgang mit der Dauerkrisenwirklichkeit hält. Dass Integration am besten über Lernen und Arbeiten funktioniert, ist seit Langem klar. Deshalb gehört auch das in die Debatte über ein neues, pragmatisches, an der Wirklichkeit orientiertes Asylrecht: dass Asylbewerber so schnell wie möglich hier arbeiten dürfen.

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