UN-Klimakonferenz: Deutschland hat die Chance von Kattowitz verschenkt
Trotz Kompromiss: Beim UN-Gipfel in Polen tut sich die Weltpolitik schwer mit der Klimarettung. Die Bundesregierung betreibt eine Scheinpolitik. Ein Kommentar.
Weltklimakonferenzen sind frustrierend. Langwierig wird in einer technischen Sprache verhandelt, die Außenstehende kaum verstehen. Umso wichtiger wäre es, dass die Staaten anschließend ein klares Signal an die Menschen senden: Wir tun alles für den Klimaschutz und erhöhen deshalb unser Klimaziel. Auf der Konferenz im polnischen Kattowitz hat die Europäische Union, hat Deutschland, der einstige Klimavorreiter, diese Chance vertan.
Natürlich darf der Prozess gewürdigt werden: 200 Staaten haben dort um die Regeln gerungen, mit denen Klimaschutz mess- und vergleichbar werden soll. Vom Meeresspiegelanstieg bedrohte Inselstaaten saßen mit großen Ölförderern am Tisch, ihre Interessen meilenweit auseinander. Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass man sich am Ende überhaupt auf Regeln für den weltweiten Klimaschutz verständigte. Wie gut die Regeln aber sind, muss sich in der Praxis beweisen. Ziel ist, was im Pariser Klimaabkommen festgelegt wurde: die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Deutschland bremst
Weil die Öffentlichkeit für technische Regeln kaum zu begeistern ist, war in Kattowitz die politische Bühne umso wichtiger. Hier war die Gruppe der „Klimabremser“, die USA, Russland, Saudi-Arabien, von denen die Welt ohnehin Blockaden erwartet hat. Dort aber war die EU, war Deutschland, die doch „die Guten“ beim Klimaschutz sein wollen. Sie taten sich mit den Pazifikinseln und Ländern Afrikas zusammen, riefen nach „mehr Ehrgeiz“. Aber wurde konkret ein Klimaziel angehoben? Nein. Und das, obwohl auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen mehrmals dafür warb.
Dass von der EU nicht mehr kommt, liegt auch an Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in Brüssel gegen die Erhöhung des Klimaziels interveniert. Längst betreibt die Bundesregierung Klimaschutz-Scheinpolitik: Mit dem Kohleausstieg ist man keinen Schritt weiter. Wirtschaftsminister Peter Altmaier trat seiner Kabinettskollegin, Umweltministerin Svenja Schulze, sogar symbolisch vors Klima-Schienbein, als er ihr via deutsches TV zurief: Sie kann in Kattowitz machen, was sie will. Am Ende entscheidet ohnehin die Bundesregierung.
Proteste nehmen zu
Derweil sehen die Bürger, was um sie herum geschieht: Der Dürresommer ist nur ein Beispiel dafür, dass der Klimawandel bereits da ist. Weil der Ehrgeiz der Politiker wolkig bleibt, nehmen sie das Heft selbst in die Hand: Zehntausende demonstrierten im Hambacher Forst gegen die Braunkohle.
Ebenso haben viele Menschen verständlicherweise Angst vor dem, was konsequenter Klimaschutz für sie bedeutet, im Kleinen wie im Großen: Der SUV-Fahrer wird mehr für Benzin bezahlen, der Kohlekumpel einen anderen Job machen müssen, weil weder Sprit noch Kohle mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Um alle mitzunehmen, muss der Übergang in eine emissionsarme Wirtschaft gerecht erfolgen. „Just Transition“ hat die polnische Präsidentschaft deshalb in den Mittelpunkt der Konferenz gerückt.
Es ist aber nicht damit getan, den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen Geld zu zahlen und dort neue Jobs anzusiedeln. Nötig ist auch die emotionale Anteilnahme aller daran, dass der Abschied vom Alten, vom Gewohnten den Betroffenen schwerfällt. Wenn die Politik daraus aber ableitet, den Beginn des Abschieds verschieben zu können, liegt sie falsch. Denn wahr ist: Auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeitsplätze.