USA wollen Hilfe an Straße von Hormus: Deutschland gibt sich bedingt abwehrbereit
Die Bundesregierung ist gegen eine Beteiligung an einer US-Mission in der Hormus-Straße. Eine EU-Mission wäre denkbar. Es geht auch um Glaubwürdigkeit.
Die USA können sich im Streit um eine Sicherung der Straße von Hormus kleine Nadelstiche gegen die Deutschen nicht verkneifen. Nachdem der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), mit Blick auf einen deutschen Beitrag sagte: "Die Marine ist bekanntermaßen am Limit", hat die US-Botschaft die Interviewäußerung abfotografiert. Und schreibt dazu auf Twitter: "Suggestion: the largest economy in Europe could buy more ships?" Zu deutsch: "Vorschlag: Kann die größte Wirtschaft Europas nicht mehr Schiffe kaufen?".
Im Fußball würde man sagen: 1:0 für die USA, der Einwand erscheint durchaus berechtigt. Deutschland ist nicht erst seit Donald Trump in Sachen Ausrüstung und Ausgaben im Nato-Bündnis in der Defensive.
Hat Deutschland wirklich nicht die nötigen Schiffe für einen solchen Einsatz?
Theoretisch könnte sich die Marine an einer Mission beteiligen. Entsprechende Erfahrungen hat sie seit einigen Jahren im Rahmen der EU-Mission "Atalanta" sammelt. Bei diesem Einsatz am Horn von Afrika werden Handelsschiffe vor Angriffen somalischer Piraten geschützt. Praktisch aber sind ihre Fähigkeiten äußerst begrenzt: Die Marine hat viel zu wenige Schiffe. Planmäßig müsste es 15 Fregatten geben, es sind aber nur neun.
Und die neuen Fregatten der Baden-Württemberg-Klasse sind momentan größtenteils noch in der Erprobungsphase. "Wir haben einsatzbereite Kriegsschiffe und Besatzungen. Aber weil es keine ungenutzten Kapazitäten gibt, muss jedes neue Vorhaben durch die Beendigung oder Aussetzung eines bestehenden Vorhabens ausgeglichen werden", sagt der SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu. Ähnlich sieht es der FDP-Außenpolitiker Djir-Sarai (FDP). Er betont, dass die notwendige Besatzung verfügbar sein müsse. Hinzu kommen Probleme bei der Luftunterstützung: Auch die Seefernaufklärer Orion P-3 haben mit Problemen zu kämpfen, nach einem Lagerbrand fehlt es beispielsweise an Ersatzteilen. Am leichtesten könnte die Bundeswehr wohl noch Führung- und Führungsunterstützung, militärisches Nachrichtenwesen und Seeraumüberwachung zu Verfügung stellen, etwa zur Erstellung eines Lagebilds.
Wo muss die Bundeswehr besser werden?
Der Auftrag der Marine leitet sich aus dem Weißbuch ab. Demnach werden vor allem dringend moderne Tankschiffe benötigt. Ganz oben auf der Wunschliste der Bundeswehr steht das Mehrzweckkampfschiff MKS 180. Weil es nicht nur die Seekriegsführung beherrscht, sondern auch U-Boote abwehren kann, ist es für taktische Operationen besonders wertvoll. „Wir brauchen die Fähigkeit zu Aufklärung und zur Bündnis- und Landesverteidigung insbesondere in der Ostsee, die Fähigkeit, NATO-Bewegungen im Nordatlantik zu ermöglichen oder zu schützen, und eine letztlich globale Fähigkeit zu Aufklärung und zum Schutz der zivilen Schifffahrt“, sagt Felgentreu.
Warum geht es im Hormus-Konflikt für Deutschland um Grundsätzliches?
Die Seestraße im Persisch-Arabischen Golf ist ein Nadelöhr des Welthandels. 2018 lieferte Deutschland in die Vereinigten Arabischen Emirate Waren im Wert von 8,3 Milliarden Euro, in die gesamte Golfregion im Welt von rund 15 Milliarden. Über 90 Prozent des weltweiten Ferngüterhandels werden über den Seeweg abgewickelt. Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist die Passage für den Warenexport in den Nahen und Mittleren Osten wichtig, zum Beispiel für Autos, Maschinen und Medizingeräte.
"Eine funktionierende Handelsschifffahrt ist für die Exportnation und das Industrieland Deutschland von herausragender Bedeutung", betont BDI-Präsident Dieter Kempf. Die Straße von Hormus sei zudem die mit Abstand wichtigste Route für den Transport von Öl und Gas weltweit. Der BDI fordert einen "defensiven Einsatz", um die Stärke des internationalen Rechts zu sichern. Kaum ein anderer Staat ist für den Wohlstand der Gesellschaft und die Finanzierung der Sozialsysteme stärker von freien Handelswegen abhängig als Deutschland.
Diese Einsicht vertreten Spitzenpolitiker heute einhelliger als noch vor einiger Zeit. 2010 trat der damalige Bundespräsident Horst Köhler zurück. Er hatte gesagt, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz notwendig, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege", und war dafür hart kritisiert worden, was ihn nachhaltig verärgerte. Wenige Monate nach seinem Abgang stellte Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) neue Richtlinien für Auslandseinsätze vor. Und nannte als möglichen Zweck die militärische Sicherung freier Handelswege. Diesmal blieb die Empörung aus.
Was steht neben der Sicherheit von Schiffen auf dem Spiel?
Es geht um die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik. Ist man bereit, Worten, Taten folgen zu lassen, Verantwortung zu übernehmen? Wenn Deutschland auf sichere Seeverbindungslinien für seine Handelsschifffahrt angewiesen ist, muss im Ernstfall die Marine diese schützen. Führende Vertreter der Union, der SPD, der FDP und der Grünen betonen, freie Handelswege gehörten zu den "Kerninteressen" und "strategischen Zielen" der Bundesrepublik. Sie unterstützen den Vorschlag, Handelsschiffe im Persischen Golf mit militärischem Geleitschutz zu sichern, nachdem der Iran ein britisches Schiff festgesetzt hat.
Sie wollen das aber eben nicht in einem gemeinsamen Einsatz mit den USA tun, da die EU und die USA unterschiedliche Strategien im Konflikt mit dem Iran verfolgen - die USA setzen auf knallharte Sanktionen, die Europäer halten am Atomabkommen fest - im Gegenzug für wirtschaftliche Unterstützung soll der Iran von einer Atombombe abgehalten werden. Deutschland will sich diplomatische Optionen offenhalten - und fürchtet bei einer Mission mit den USA plötzlich in einem Krieg mit dem Iran zu landen. So zeichnet sich nun eine Operation der USA mit Großbritannien ab, dessen neuer Premier Boris Johnson schnell raus aus der EU will und die Nähe zu US-Präsident Donald Trump sucht.
Vertreter der amerikanischen und britischen Streitkräfte kamen am Mittwoch in Bahrain zusammen, um über den möglichen Einsatz militärischer Mittel zum Schutz von Tankern zu beraten - federführend soll die 5. Flotte der US-Streitkräfte sein. Es gibt Parallelen zu 2003 vor dem Irak-Krieg, Frankreich und Deutschland verweigerten sich der "Koalition der Willigen".
Ist ein Einsatz an der Seite der USA ausgeschlossen?
Ja. „An der von den USA vorgestellten und geplanten Seemission wird sich die Bundesregierung nicht beteiligen“, sagt Außenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch bei einem Besuch in Warschau. Deutschland stimme sich eng mit den französischen Partnern ab. „Wir halten die Politik des maximalen Drucks für falsch“, sagt er an die Adresse der USA. Deutschland will sich diplomatische Optionen offenhalten – und sieht sich weiter als Mittler.
So zeichnet sich nun eine Operation der USA mit Großbritannien ab, dessen neuer Premier Boris Johnson schnell raus aus der EU will und die Nähe zu US-Präsident Donald Trump sucht. Vertreter der amerikanischen und britischen Streitkräfte kamen am Mittwoch in Bahrain zusammen, um über den möglichen Einsatz militärischer Mittel zum Schutz von Tankern beraten. Federführend soll die 5. Flotte der US-Streitkräfte sein. Es gibt Parallelen zu 2003 vor dem Irak-Krieg, Frankreich und Deutschland verweigerten sich auch damals der „Koalition der Willigen“ - Kanzler Gerhard Schröder (SPD) warnte vor kriegerischen Abenteuern und behielt Recht.
Doch was folgt aus dem Nein zur Mission der USA und der Briten? Am klarsten wird der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU). Er fordert von der Bundesregierung, jetzt mal selbst Flagge zu zeigen. Wenn die USA und Großbritannien eine gemeinsame Mission starten wollen, sollte Europa eine unabhängige Initiative starten. „Es ist nun an Deutschland, ob dies passieren wird.“
Die Linie gerade der SPD ist: eine defensive Mission, um eine realistische Lageeinschätzung zu bekommen – am besten ohne die Entsendung zusätzlicher Schiffe aus Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgt im Urlaub in Sulden in den Südtiroler Bergen die kritische Lage genau - sie ist nach eigenen Angaben immer im Dienst.
Wie sieht überhaupt die Rechtsgrundlage für eine europäische Mission aus?
Laut Grundgesetz und den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ist der "Auslandseinsatz der Streitkräfte außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt (Art. 24 Abs. 2 GG), wobei der konkrete Einsatz von der Zustimmung des Deutschen Bundestages konstitutiv abhängt". Als Systeme kollektiver Sicherheit gelten die Vereinten Nationen, die Nato und die EU, nicht aber eine "Koalition der Willigen".
Im vorliegenden Fall, wie ihn deutsche Abgeordnete favorisieren - Militäreinsatz zum Schutz der freien Schifffahrt im Persisch-Arabischen Golf, aber nicht gemeinsam mit den USA - kann sich die Bundeswehr beteiligen, wenn dies eine Mission der EU ist und nicht eine Kooperation einzelner europäischer Staaten. Eine europäische Mission würde ein "Job-Sharing" bedeuten, betont der Grünen-Politiker Omid Nouripour. „Natürlich kann Deutschland da etwas leisten, gerade wenn es um Aufklärung geht.“ Es geben schon eine Korvette im östlichen Mittelmeer, luftgestützt können sich Tornados beteiligen. „Die Franzosen haben einen Stützpunkt in den Vereinigten Arabischen Emiraten.“ Auch Dänemark und die Niederlande haben grundsätzlich ihre Bereitschaft zur Unterstützung erklärt. Er wirft der Bundesregierung ein fatales, rein reaktives Verhalten vor. "Was hat denn der deutsche Außenminister (Heiko Maas, SPD) in der Sache für Initiativen ergriffen? Das ganze hängt auch mit dem dramatischen Zustand der großen Koalition zusammen."
Was sagen die Reeder?
Sie sind in großer Sorge. "Das ist ein Flaschenhals", beschreibt Christian Denso vom Verband Deutscher Reeder in Hamburg die Lage in der Straße von Hormus. Das sei ein bisschen wie ein Autobahn. "Wenn da auch noch Kriegsschiffe kreuzen, wird es kompliziert." Zumal der Iran sehr penibel auf die Achtung seiner Hoheitsgewässer achte. "Da ist man schnell in einer Eskalation drin." Das sei eine ganz andere Lage als bei den Schutzmissionen im weiten Ozean am Horn von Afrika gegen die Piraten. "Für uns ist es wichtig, zu deeskalieren, damit Seeleute und Schiffe nicht in einen gefährlichen Konflikt hineingezogen werden." Hier gehe es um einen Weltkonflikt "in einem ganz, ganz engen Gebiet". Hinter der Straße von Hormus liege einer der weltgrößten Containerhäfen, der in Dubai. Im Schnitt seien in der Region fünf deutsche Öltanker unterwegs und insgesamt 20 bis 30 Schiffe unter deutschem Management. "Das ist nicht die Nordsee", meinte Denso mit Blick auf den dort weitaus größeren Schiffsverkehr unter deutscher Flagge. Aber da gibt es auch keine geopolitischen Brandherde.