Flüchtlinge: Deutsche Polizei kreuzt in der Ägäis - auf der Suche nach Schleppern
Die Bundespolizei fährt im Auftrag von Frontex durch die Ägäis. Auf der Suche nach Schleusern und Flüchtlingen. Ein Bericht vom Patrouillenboot "Börde".
„Achterleine los! Bugleine los!“ Mit einem Ruck setzt sich das Patrouillenboot „Börde“ in Bewegung. Entlang der Bucht des kleinen Ortes Vathy auf der Ägäisinseln Samos glitzern die Straßenlaternen und Häuser im Dunkeln - dahinter liegt tiefschwarz das Meer. Bis in die frühen Morgenstunden fahren die fünf Bundespolizisten und ein griechischer Kollege Streife. Im Auftrag der europäischen Grenzschutzagentur Frontex kreuzen sie entlang der griechisch-türkischen Seegrenze. Der Einsatz ist nicht ungefährlich.
Kaum hat die „Börde“ den Hafen verlassen, gibt Einsatzleiter Frank Rogatty den Befehl zum Abdunkeln. Bald erlöschen selbst die Navigationslichter, die nachts anderen Schiffen die Größe, Position und Art des eigenen Bootes vermitteln. Nun schimmern nur noch die Instrumente grün und rot.
Konzentriert beobachtet Frank Rogatty einen großen Bildschirm, auf dem die Umrisse der Küste, der eigene Kurs und das ein oder andere Fischerboot aufleuchten. In dieser Finsternis kann er nur per Radar navigieren, doch die komplette Abdunklung ist notwendig. „Wenn man organisierte Kriminalität verhindern will, geht es nicht anders“, sagt er. Schließlich sollen die Schlepper und Schleuser nicht schon von weitem merken, wer ihnen auf der Spur ist.
Gleichzeitig entdeckt man kleine, überfüllte Schlauchboote auf dem Radar nur schwerlich. Damit die Bundespolizisten die Flüchtlingsboote nicht rammen, steht Polizeihauptkommissar Bernd Gerhard am Bug und sucht das Meer in der Finsternis mit dem Nachtsichtgerät ab.
Die beiden Streifenboote „Börde“ und „Uckermark“ sind seit Anfang März in Samos stationiert. Huckepack wurden sie auf einem Transportschiff vom Standort Rostock in die Ägäis gebracht. Dort sollen sie im Auftrag von Frontex mindestens bis Juni bleiben. Insgesamt 30 Bundespolizisten sind bei dem Einsatz vor Ort. Die Beamten der Standorte Neustadt, Warnemünde und Cuxhaven wurden intensiv auf ihre Arbeit vorbereitet.
„Die Schwierigkeit bei der Festnahme von Schleusern ist, dass sie zu allem entschlossen sind, weil ihnen hier in Griechenland bei einer Festnahme hohe Freiheitsstrafen drohen“, erklärt Rogatty. „Wir wissen natürlich nicht, wie hoch das Gewaltpotenzial ist. Aber wir müssen davon ausgehen, dass es gefährlich werden kann und diese Leute bewaffnet sind.“ Deshalb sind auch die Bundespolizisten bewaffnet. „Eigentlich ist es wie bei einer Verkehrskontrolle in Deutschland. Man weiß nie, was einen erwartet“, fügt der Einsatzleiter hinzu.
Sie bringen viele Flüchtlinge in Sicherheit
Es sind aber nicht nur bewaffnete Schlepper, mit denen es Schwierigkeiten geben könnte. Auch die Flüchtlinge, die aus dem Meer gerettet werden, können zur Gefahr werden. So musste zum Beispiel jeder der Beamten zuhause ein umfassendes Impf-Programm absolvieren, weil die Flüchtlinge, die man an Bord holt, ansteckende Krankheiten haben können.
Wenige Stunden, nachdem sie abgelegt hat, rauscht die „Börde“ wieder in den Hafen von Vathy. Diesmal mit voller Beleuchtung und mit 13 Flüchtlingen an Bord. Dicht gedrängt sitzen die Menschen an Deck, eingehüllt in leuchtend gelbe Kälteschutzanzüge. Sobald das Schiff vertäut ist, helfen die Polizisten den durchnässten Menschen von Bord. Auch deren Schlauchboot wird an Land abgeladen - es ist so klein, dass es gerade mal für einen Swimmingpool taugt. Sichtlich verängstigt werden die Flüchtlinge von freiwilligen Helfern und griechischen Hafenpolizisten in Empfang genommen.
Bundespolizist Bernd Gerhard berichtet über die Einsätze: Die Beamten wollten unbedingt vermeiden, dass unter den Flüchtlingen Panik ausbricht und dabei womöglich jemand über Bord geht. Viele können nicht schwimmen; zudem haben die Bundespolizisten in dieser Situation ohnehin alle Hände voll zu tun. Sobald die Schiffbrüchigen geborgen sind, kann die Besatzung auf der Fahrt zum Hafen bei Bedarf Erste Hilfe leisten und Wasser an die oft dehydrierten Menschen verteilen.
Der Schiffsdiesel dreht höher, die „Börde“ steuert wieder aufs offene Meer. Noch weitere zehn Flüchtlinge wird sie in dieser Nacht an Land und in Sicherheit bringen. Auf die Frage, wie er die politische Situation bewertet, zuckt Einsatzleiter Rogatty mit den Schultern. „Darüber mache ich mir gar nicht so viele Gedanken. Wir sind hier, um die griechischen Kollegen zu unterstützen. Wir zeigen innerhalb von Europa an einem Brennpunkt des Weltgeschehens Solidarität und retten Menschen. Das ist es, was zählt - und was die Mannschaft motiviert.“ (dpa)