zum Hauptinhalt
Die britische Premierministerin Theresa May.
© REUTERS/ Kirsty Wigglesworth

Abstimmung über zweites Brexit-Referendum: Deutsche Politiker reagieren skeptisch auf Mays Vorstoß

Das Vorgehen der britischen Premierministerin wirke "nur noch verzweifelt", heißt es aus Berlin. May hatte ein neues Brexit-Referendum ins Spiel gebracht.

Der Plan der britischen Premierministerin Theresa May, das britische Parlament über ein zweites Brexit-Referendum abstimmen zu lassen, trifft in Deutschland auf große Skepsis. „Leider befürchte ich, dass der neue Vorschlag substanziell nichts ändert“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. „Teresa May bleibt ihrem Muster treu, das Gleiche immer wieder in neuen Anläufen vorzuschlagen.“ Röttgen sagte, die Abstimmung über den Gesetzentwurf hätte direkt mit der über ein zweites Referendum verknüpft werden müssen. „Das wäre dann etwas Neues gewesen.“

May will das Parlament in London am Mittwoch über ihren neuen Brexit-Plan informieren. Am Dienstag hatte sie überraschend eine Abstimmung über ein mögliches zweites Brexit-Referendum in Aussicht gestellt. Voraussetzung sei aber, dass die Abgeordneten den Gesetzesentwurf zum Abkommen für einen britischen EU-Austritt billigen.

Die Zustimmung der Briten in einem Referendum könnte zur Bedingung für die Ratifizierung des Abkommens gemacht werden, deutete May an. Was bei einer Ablehnung geschehen soll, ließ sie offen. Ob ein Verbleib in der EU zur Wahl stehen würde, ist damit unklar.

Das Gesetzgebungsverfahren Anfang Juni gilt als letzte Hoffnung für den Brexit-Deal, den May mit der EU ausgehandelt hatte. May setzt darauf, mit ihren Zugeständnissen genug Unterstützung im Unterhaus zu bekommen, um den Deal doch noch durchzubringen. Neben einer Abstimmung über eine zweite Volksabstimmung stellte May noch ein Votum über eine dauerhafte Zollunion in Aussicht. Zudem soll das Parlament bei den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU mehr Mitspracherecht bekommen

Lambsdorff: May wirkt inzwischen nur noch verzweifelt

Die Regierungschefin war mit dem Brexit-Abkommen bereits drei Mal bei Abstimmungen im britischen Parlament gescheitert. Gespräche mit der Labour-Opposition über einen Kompromiss gingen danach ohne Ergebnis zu Ende.

Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid betonte: „Ein zweites Referendum ist schon lange überfällig, nachdem über Monate hinweg Regierung und Parlament sich gegenseitig blockiert haben.“ Er sei allerdings skeptisch, ob May in der eigenen Partei noch die nötige Autorität besitze, ihren neuesten Plan durchs Parlament zu bringen.

Auch der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff sagte der dpa, May wirke inzwischen nur noch verzweifelt. „Die eigenen Leute suchen auf offener Bühne ihren Nachfolger und die genauso verantwortungslosen Sozialdemokraten lehnen jeden ihrer Vorschläge schneller ab als sie ihn lesen können.“ Wenn May eine neuerliche Verlängerung der Austrittsfrist von der Europäischen Union verlangen sollte, sollte sich die EU nach Meinung des FDP-Politikers darauf nicht einlassen, um die europäischen Institutionen nicht noch mehr zu beschädigen. „Schon die Teilnahme Großbritanniens an der Europawahl wirkt wie eine Episode aus „Alice im Wunderland“. Dieser Vorgang schadet sowohl der Reputation als auch der Funktion der EU.“

Labour-Partei reagiert kühl

Die Labour-Partei reagierte kühl auf Mays Avancen und will den Vorstoß nicht unterstützen. Der „neue Brexit-Deal“ der Premierministerin sei „in Wirklichkeit nur der gleiche alte, schlechte Deal in neuer Hülle“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. Auch Vertreter aus Mays konservativer Partei zeigten sich teilweise befremdet von dem Vorstoß. Der erzkonservative Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg twitterte, Mays Brexit-Pläne seien noch schlimmer als vorher. Er befürworte daher einen Austritt ohne Abkommen.

Die nordirisch-protestantische DUP, von der Mays Minderheitsregierung abhängt, kündigte an, den Gesetzentwurf genau zu prüfen. „Die fundamentalen Fehler des Austrittsabkommens bleiben aber unverändert“, hieß es in einer Mitteilung der Partei.

Die Briten hatten im Juni 2016 bei einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Eigentlich hätte Großbritannien die EU bereits am 29. März 2019 verlassen sollen. Die Frist für den EU-Austritt wurde inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert.

An der Wahl zum Europaparlament am 23. Mai muss Großbritannien nun teilnehmen. Das Gezerre um den Brexit scheint Umfragen zufolge vor allem der konservativen Regierungspartei zu schaden, aber auch für Labour könnte die Wahl enttäuschend verlaufen. Lachender Dritter dürfte Nigel Farage werden, der ehemalige Chef der EU-feindlichen Ukip-Partei. Er führt mit seiner neu gegründeten Brexit-Partei die Umfragen an. Sollten Mays Tories mit einem einstelligen Ergebnis abschneiden, könnte das einen Abgang der Premierministerin beschleunigen. (dpa)

Zur Startseite