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Besonders die Jüngeren informieren sich überwiegend über Soziale Medien – ein leichtes Spiel für Verschwörungstheoretiker.
© REUTERS

„Corona-Fakes“ setzen sich hartnäckig fest: Deutsche glauben, dass Medien Informationen zu Corona verheimlichen

34 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass Medien Tatsachen zum Virus verschweigen. Das geht aus der ersten internationalen „Corona-Fakes“-Studie hervor.

Glauben Sie, dass Medien auf Druck der Regierung Tatsachen über das Coronavirus verschweigen? Wenn ja, dann gehören Sie zu den 34 Prozent der befragten Deutschen, die diese Verschwörungstheorie glauben. Eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) zeigt, dass Fake-News in der Coronakrise kein Problem von autoritären Staaten allein sind.

Auch in demokratischen Staaten kursieren Falschinformationen über das Coronavirus – sei es, dass Bill Gates die WHO gekauft habe oder das Virus eine biochemische Waffe der Chinesen sei. Brüssel warnt seit Wochen vor einer „massiven Infodemie“.

Die repräsentative Studie der FNS hat nun gezielt Aussagen zu „Corona-Fakes“ in sieben Ländern ausgewertet und kommt zu dem Schluss: Noch nie zuvor haben sich Desinformationen so schnell und flächendeckend verbreitet und hartnäckig festgesetzt.

Zwar glaubt die überwiegende Mehrheit der rund 7.300 Befragten, „sehr gut“ , oder „eher gut informiert“ über die Pandemie zu sein. Tatsächlich sitzt aber ein großer Teil Verschwörungstheorien und Falschnachrichten auf – Fremd- und Selbstwahrnehmung klaffen bekanntlich nicht selten auseinander.

In Deutschland glauben 38 Prozent der 18- bis 45-Jährigen, die Medien würden auf Druck der Regierung Fakten über das Coronavirus verheimlichen. Von der Gesamtzahl der Befragten, auch aus anderen Ländern, glauben das 44 Prozent.

Durchgeführt wurde die Studie Deutschland, den USA, Indien, Mexiko, Jordanien, Südafrika und den Philippinen.

In den USA, in Mexiko und Südafrika glaubt mehr als die Hälfte, die Medien seien, was ihre Berichterstattung über das Coronavirus angehe, staatlich gelenkt.

Überregionales Feindbild: Bill Gates

Die Stiftung sieht darin einen „gefährlichen Nährboden für Verschwörungstheorien und Falschmeldungen“, etwa zur Herkunft des Coronavirus, über die besonders zu Beginn der Pandemie viel spekuliert wurde.

So ist rund ein Viertel aller deutschen Befragten der Meinung, das Coronavirus sei in einem chinesischen Labor gezüchtet worden. In Indien sind sogar 79 Prozent der Menschen davon überzeugt, in den USA rund 44 Prozent. 72 Prozent der Umfrage-Teilnehmer in Indien sind überzeugt, Corona sei eine chinesische Bio-Waffe, in den USA glaubt dies jeder Dritte.

Bill Gates, Vorsitzender der Bill & Melinda Gates Foundation und Gründer der Tech-Firma Microsoft
Bill Gates, Vorsitzender der Bill & Melinda Gates Foundation und Gründer der Tech-Firma Microsoft
© dpa

Auch Verschwörungstheorien über Microsoft-Gründer Bill Gates finden in einigen Ländern eine große Anhängerschaft, hier kristallisiert sich in völlig unterschiedlichen Kontexten ein klares Feindbild heraus. Der Milliardär setzt sich öffentlichkeitswirksam für die Entwicklung eines Impfstoffs ein – daraus spannen Verschwörungstheoretiker die Erzählung, Gates würde eine Zwangsimpfung für jeden Menschen fordern, um Geld damit zu machen. Daran glauben 28 Prozent der befragten Deutschen.

Doch das sind bei Weitem nicht die einzigen Verschwörungstheorien, die über Bill Gates kursieren:

  • 39 Prozent aller Befragten sagen, Gates habe in ihrem Land mehr Macht als die Regierung;
  • 31 Prozent aller Befragten glauben, Gates wolle den Menschen zur Bekämpfung des Virus Mikrochips einpflanzen;
  • 20 Prozent aller Befragten meinen, Gates habe die Weltgesundheitsorganisation WHO gekauft.
  • 50 Prozent aller Befragten glauben, dass Gates Zwangsimpfungen für jeden Menschen fordert;

Bei der Unterstützung dieser seltsamen Aussagen täten sich insbesondere die Menschen in Jordanien und in Südafrika hervor, so die Stiftung. Die Deutschen würden hier den ersten beiden Aussagen „nur“ zu einem Viertel, der Frage nach den Mikrochips zu 16 Prozent und der Frage nach der WHO zu 12 Prozent zustimmen.

Brandanschläge: Reale Konsequenzen der Fake-News

Der Mythos, der Ausbau des 5G-Netzes und die Corona-Pandemie stünden in verschwörerischem Zusammenhang miteinander, breitete sich zunächst unter anderem in Großbritannien aus – und führte allein dort zu mehr als 60 Brandanschlägen auf Mobilfunk-Masten.

Auch in Deutschland stimmen 21 Prozent der 18- bis 34-Jährigen der Behauptung zu. Dass tatsächlich keinerlei wissenschaftliche Beweise vorliegen, die die These unterstützen, bleibe nebensächlich.

Facebook und Fernsehen: Die Hauptinformationsquellen

Das Icon der Social Media-Plattform Facebook.
Das Icon der Social Media-Plattform Facebook.
© dpa

Angesichts der weiten Verbreitung von Fake-News scheint folgendes Ergebnis wie ein Widerspruch: 74 Prozent der Befragten empfinden die Zunahme von bewussten Falschmeldungen in der Corona-Krise als beunruhigend. In Deutschland trifft das auf 53 Prozent der Befragten zu und ist damit im Ländervergleich am geringsten.

Obwohl 62 Prozent der Befragten die Berichterstattung von Radio, Fernsehen und Zeitungen als ausgewogen und glaubhaft bewerten, sei das Vertrauen in die Medien offenbar tief erschüttert, schlussfolgert die Stiftung. 54 Prozent empfänden es als schwierig, zwischen Nachrichten und bewussten Falschmeldungen zu unterscheiden.

Nach wie vor ist das Fernsehen das Hauptnachrichtenmedium (77 Prozent). Gleich dahinter folgen Onlinenetzwerke wie Facebook und YouTube sowie Messengerdienste wie WhatsApp (68 Prozent), am meisten genutzt von den Jüngeren. Mehr als die Hälfte der Befragten nutzt Online-Angebote von Zeitungen. 46 Prozent greifen auf „sonstige Quellen" im Netz zurück. Noch viel weniger informieren sich im Radio (34 Prozent) oder bei Printmedien (25 Prozent).

Über die Sozialen Netzwerke verbreiten sich Fake-News besonders leicht, oft ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ob die verbreitete Information aus einer zuverlässigen Quelle stammt.

Doch nicht nur die Glaubwürdigkeit in die Medien und Journalisten, die in Umfragen zu dem Thema ohnehin meist nicht gut wegkommen, sinkt: Auch in Politiker und Ärzte hat die Bevölkerung ihr Vertrauen zunehmend verloren, beklagt die Friedrich-Naumann-Stiftung.

Fazit: „ein düsteres Bild“

Drei Viertel der Befragten sind der Auffassung, dass bewusste Falschmeldungen zur Corona-Pandemie die Kompetenz dieser Berufsgruppen untergraben. Allerdings sind rund drei Viertel der Deutschen der Meinung, die Regierung handele beim Corona-Schutz im besten Sinn der Bevölkerung. In den USA glaubt dies nur rund die Hälfte der Befragten.

Die Studie zeichne „ein düsteres Bild", lautet das Fazit der Stiftung. „Lügen leben länger. Und nehmen direkten Einfluss auf unsere politischen Entscheidungen. Eine Realität, für die wir als Demokratie gewappnet sein müssen." (mit AFP)

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