Gespräche in Washington: Deutsche Autobosse hoffen auf US-Verzicht auf Strafzölle
Die Chefs von Daimler und VW und ein BMW-Vorstand besuchen das Weiße Haus, um sich als Investoren und Arbeitgeber zu präsentieren. Die EU sieht das kritisch.
Die deutschen Autobosse, die an diesem Dienstag einen Termin bei der US-Regierung haben, hielten sich am Tag zuvor bedeckt. „Wir sind in Washington“, bestätigte ein Daimler-Sprecher am Montag lediglich. Wen man wann treffen werde, worüber man sprechen wolle – keine Angaben. Immerhin bestätigte Daimler, dass Vorstandschef Dieter Zetsche in die USA reist. BMW-Chef Harald Krüger lässt sich von Finanzchef Nicolas Peter vertreten. Volkswagen machte keine Angaben, der Vorstandsvorsitzende Herbert Diess tritt aber dem Vernehmen nach selbst die Reise in die USA an.
In welcher Stimmungslage reisen die Konzernvorstände in die USA?
Das Klima, in dem die deutschen Automanager in Washington erwartet werden, hat sich am Wochenende überraschend aufgehellt. US-Präsident Donald Trump hat auf dem G-20-Treffen in Buenos Aires angekündigt, dass China die Zölle auf US-Importfahrzeuge von derzeit 40 Prozent abbauen werde. Zudem hatten die USA und China die geplante nächste Runde von Strafzöllen um 90 Tage verschoben, um Verhandlungen zu ermöglichen.
Das könnte auch die Gespräche mit der EU über die von Trump angedrohten Strafzölle für den Import von Autos in Gang bringen. Trump hatte mit Zöllen von bis zu 25 Prozent auf Autoimporte gedroht, falls die EU ihre Handelsbarrieren für US-Produkte nicht beseitigt. Die Börse reagierte auf die Entspannung der Lage positiv: Deutsche Autoaktien waren am Montag sehr gefragt.
Was haben die deutschen Autobauer zu verlieren, was steht auf dem Spiel?
„Es geht um viel für uns“, sagte ein Konzernvertreter am Montag. „Die Autoindustrie ist globalisiert, wir brauchen Planungssicherheit.“ Die deutschen Autohersteller produzieren jedes Jahr rund 800.000 Fahrzeuge in den USA, von denen jedes zweite exportiert wird – viele davon nach China. Insgesamt betreibt die deutsche Autoindustrie – Hersteller und Zulieferer – nach Angaben des Branchenverbandes VDA mehr als 300 Werke mit insgesamt 118.000 Mitarbeitern in den USA. Die Unternehmen wollen weiter investieren – BMW, Daimler und Volkswagen planen den Aufbau zusätzlicher Produktionsstätten. In den USA oder in Mexiko.
BMW fertigt schon seit 25 Jahren Autos in den USA, von den gut 371.000 gebauten Autos wurden 2017 mehr als 70 Prozent exportiert – vor allem nach China. In Spartanburg/South Carolina, dem mittlerweile größten Standort des Konzerns weltweit, werden die Geländewagen der X-Reihe produziert. Daimler produziert in Tuscaloosa/Alabama mit einer Kapazität von 300.000 Fahrzeugen im Jahr. Dort laufen die Geländewagen GLE und GLS vom Band, sowie die C-Klasse. Den Exportanteil nach China nennt Daimler nicht – er ist aber substanziell.
VW betreibt in Chattanooga/Tennessee seit sechs Jahren ein Werk, Kapazität: 250.000 Einheiten. Nach China werden von dort keine Autos ausgeführt, weil VW mit den Partnern SAIC und FAW in der Volksrepublik in zahlreichen Werken produziert. Die Konzerntöchter Audi und Porsche, die viele Kunden in den USA haben, stellen dort keine Autos her. Sie sind auf den Import aus der EU und anderen Regionen angewiesen. Insgesamt haben die deutschen Hersteller 2017 aus Deutschland rund 494.000 Pkw in die USA ausgeführt.
Was werden die Autovorstände mit wem in Washington besprechen?
Klar ist, dass es um die Handelsbeziehungen, Strafzölle und Investitionspläne gehen wird. Aber: „Es gibt keine feste Agenda und noch keinen fixen Termin“, hieß es am Montag von einem der Teilnehmer. Am Dienstagnachmittag wisse man mehr. Das Treffen habe den Charakter eines Gesprächs und Informationsaustauschs. „Es ist wichtig, dass wir miteinander sprechen“, hieß es. Geplant sind Treffen mit Wirtschaftsminister Wilbur Ross und dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer. Auch Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow könnte teilnehmen. Ob es eine direkte Begegnung mit Donald Trump gibt, sei offen. „Wenn er da ist, ist es nicht ungewöhnlich, dass er spontan durch die Tür kommt.“
Wie reagiert die Politik auf den „Auto-Gipfel“ im Weißen Haus?
Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Treffen verteidigte – schließlich seien die deutschen Autobauer große Arbeitgeber und Exporteure in den USA –, waren von EU-Seite kritische Töne zu hören. Bernd Lange ( SPD), Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, sagte: „Alle haben das Interesse, dass die US-Regierung keine Zölle gegen europäische Marken verhängt.“ Allerdings müsse klar sein, wo die Kompetenzen in der Handelspolitik angesiedelt sind: „Die Handelspolitik ist vergemeinschaftet, Gesprächspartner ist die EU. Deals auf der Ebene von Autobossen mit dem Präsidenten sind nicht angemessen.“ Aus dem Umfeld von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, die vor Kurzem noch für Gespräche zur Beilegung des Handelskonflikts mit den USA in Washington war, ist Ähnliches zu hören.
Die Befürchtung in Brüssel ist: Gespräche der Bosse mit der US-Administration, die von der US-Botschaft in Berlin vor etwa zwei Wochen eingefädelt wurden, könnten die Strategie der EU durchkreuzen. Die EU setzt auf Deeskalation. Sie peilt ein Freihandelsabkommen mit den USA an, das Autos einschließt. Ob die USA dazu bereit sind, ist unklar. Bis es so weit ist, würde aber ohnehin noch viel Zeit vergehen. Der US-Kongress müsste zustimmen, und die EU-Kommission benötigte ein Mandat für die Verhandlungen von den Mitgliedstaaten.
„Wir haben kein Mandat, deshalb wird auch nichts verhandelt“, sagte ein Vertreter eines Autokonzerns am Montag. Die Initiative für das Treffen sei von der US-Administration ausgegangen. „Dem kann man sich nicht entziehen.“ Man halte die Bundesregierung und die EU- Kommission auf dem Laufenden, hieß es. Dass Trump die Chefs der deutschen Hersteller eingeladen hat, wird als ein Zeichen der Entspannung gesehen. Wenn er mit den Managern reden wolle, werde eine Verkündung der angedrohten Zölle zumindest nicht unmittelbar bevorstehen, hört man in Brüssel.
Die EU-Seite hat Trump deutlich gemacht: Sollten Autozölle verhängt werden, wird Brüssel alle Gespräche um ein Handelsabkommen, das Autos beinhaltet, sofort abbrechen. Lange: „Wir sind gerüstet, die EU hat eine Liste von Gegenmaßnahmen zusammengestellt, die innerhalb von 90 Tagen greifen könnten.“
Ist eine Reise in die USA für die Vorstandschefs im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre juristisch riskant?
Anders als im Fall von Ex-Volkswagen- Chef Martin Winterkorn, gegen den die US-Justiz einen Haftbefehl erlassen hat, sind Reisen in die USA für seinen Nachfolger Herbert Diess unproblematisch. Zwar flog der Diesel-Skandal in den USA auf und gegen Diess wird in Deutschland ermittelt, das US-Justizministerium sicherte dem VW-Chef aber im Mai diesen Jahres freies Geleit zu. Er kann also reisen, ohne eine Verhaftung im Zusammenhang mit der Abgasaffäre befürchten zu müssen. Auch Dieter Zetsche kann sich trotz Diesel-Ermittlungen in den USA ohne Risiko bewegen. Der Daimler-Chef besuche regelmäßig Automessen in Nordamerika, heißt es. Der BMW-Konzern ist bislang im Diesel-Fall nicht nennenswert belastet worden.