Porträt Najat Vallaud-Belkacem: „Deutsch ist nur etwas für Wohlhabende“
Frankreichs Deutschlehrer protestieren. Sie befürchten, dass der Deutschunterricht bei der jüngsten Schulreform auf der Strecke bleibt. Im Zentrum steht die gerade erst 36 Jahre alte Erziehungsministerin Najat Vallaud-Belkacem. Ein Porträt.
Sie gehört zu den Entdeckungen der französischen Politik. Premierminister Manuel Valls attestiert ihr freimütig großes politisches Talent. Auch Präsident François Hollande hält große Stücke auf sie. Im Wahlkampf 2012 war sie seine Sprecherin. Seiner ersten Regierung gehörte sie als Ministerin für Frauenrechte an. Im vergangenen September betraute er die gerade erste 36 Jahre alte Najat Vallaud-Belkacem mit dem Erziehungsministerium, einem Posten, auf dem sich viele Politiker wegen der schieren Größe der mit einem Mammut verglichenen Schulverwaltung aufgerieben haben.
Nun weht auch der neuen Ministerin erstmals der Wind ins Gesicht. Mit der Reform der Mittelschulen, der Collèges, einem von ihren Vorgängern zurückgelassenen Projekt, hat sie eine Interessengruppe aufgeschreckt, von der sie keine Proteste erwartet hatte: Frankreichs Deutschlehrer. Sie befürchten, dass der Deutschunterricht bei dieser Reform auf der Strecke bleibt, wie der Verein der Deutschlehrer in einer mit mehreren tausend Unterschriften versehenen Petition an die Ministerin und Präsident Hollande schreibt.
Anlass der Befürchtungen ist die Absicht der Ministerin, vom Schuljahr 2016 an das Fremdsprachenangebot in den staatlichen Mittelschulen zu reduzieren. Sogenannte bilinguale Klassen, in denen Schüler ab dem 6. Schuljahr neben Englisch auch Deutsch lernen, soll es dann nicht mehr geben. Auch die Europaklassen, mit zwei zusätzlichen Wochenstunden Fremdsprachenunterricht, sollen dann fortfallen. Nur Schüler, die in der Grundschule mit einer anderen Sprache als Englisch begonnen haben, sollen diese zusammen mit Englisch fortführen können.
Heute wählen wieder 16 Prozent der französischen Schüler Deutsch als zweite Fremdsprache
Dem Protest der Deutschlehrer gegen dieses „programmierte Ende“ des Deutschunterrichts haben sich die Mitglieder der deutsch-französischen Freundschaftsgruppe im Parlament angeschlossen. Auch der frühere Premierminister Jean-Marc Ayrault meldete sich gegen diesen „bedauerlichen Rückschritt“ zu Wort. Mit der Einführung der Bilingualen vor zehn Jahren war der Niedergang des Deutschunterrichts in Frankreich aufgehalten und umgekehrt worden. Heute wählen wieder 16 Prozent der französischen Schüler Deutsch als zweite Fremdsprache. Die Reform begründete die Ministerin mit dem Ziel der Chancengleichheit. Das Deutschangebot sei „zu elitär“. Es würde „nur von wohlhabenden Familien“ genutzt und verstärke damit die „soziale Segregation“.