zum Hauptinhalt
Es sind noch nicht viele Pegida-Anhänger, die sich auf dem Feld in Dresden eingefunden haben.
© rtr
Update

Pegida-Kundgebung in Dresden: Der Zustrom zu Geert Wilders hält sich in Grenzen

Die Anhänger von Pegida warteten am Montagabend erst einmal auf ihren Gast Geert Wilders. Als er dann da ist, liefert Wilders das erwartete fremdenfeindliche Programm. Allerdings wollen das lange nicht die von Pegida angekündigten 30.000 hören.

Vor Beginn der Pegida-Großkundgebung hatten sich erst 2000 bis 3000 Leute eingefunden. Viele Deutschlandfahnen wehen. Auf einer steht: "Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht". Eine Friseurin erzählt unbekümmert, dass sie schon 15 Mal bei Pegida-Demonstrationen dabei gewesen ist. Sie hat sich extra früher freigenommen. Sie findet gut, was Wilders sagt. Sie selber sei nur gegen den radikalen Islam. Ein Ehepaar hat sich eingefunden. Nur er spricht, die Frau ist die ganze Zeit still. "Das Hauptproblem", so sagt der Mann, sei, dass "Angela Merkel von den USA gesteuert wird".

Das ganze Areal ist eingezäunt. Ordner achten darauf, dass nur Anhänger reinkommen.

Mehr als Tausend Menschen haben in Dresden bei verschiedenen Kundgebungen gegen den Auftritt des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders bei der islamkritischen Pegida-Bewegung protestiert. An einem Sternlauf unter der Motto „Vielfalt statt Einfalt“ beteiligten sich neben Linken, SPD und Grünen unter anderem auch Studenten- und Schülerinitiativen sowie der Ausländerrat. Auch die Grünen-Bundesvorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir waren dabei.

Dresden hatte sich am Montag auf die möglicherweise größte rechte Demonstration seit der Wiedervereinigung vorbereitet. Die islamfeindliche Pegida-Bewegung erwartete für den frühen Abend 30 000 Demonstranten zu einer Kundgebung, an der als Star-Redner der niederländische Islamfeind Geert Wilders auftreten sollte. Pegida-Chef Lutz Bachmann hatte Wilders zu der Veranstaltung eingeladen, die in der "Flutrinne" stattfinden soll, einem Wiesengelände nahe der Elbe.

Gegen 17. Uhr 45 kam dann auch Gert Wilders, allerdings wollten ihn doch nach ersten Informationen deutlich weniger Leute hören als von Pegida angekündigt.

Bachmann, der im Januar den Vorsitz des Vereins aufgegeben und wenige Wochen später wieder übernommen hatte, will mit dem prominenten holländischen Demagogen offenbar seine eigene Position stärken und die Vernetzung von Islamgegnern in Europa vorantreiben. Außerdem peilt Pegida die Wahlen zum Posten des Dresdener Oberbürgermeisters am 7. Juni an. Bachmann hatte Ostermontag die frühere AfD-Politikerin Tatjana Festerling als Kandidatin der Pegida präsentiert. Bei ihrem bizarren Auftritt bezeichnete Festerling Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Sachsens Stanislaw Ministerpräsident Tillich als "Deutschlandvernichter".

"Hass ist keine Meinung"

Markus Ulbig fand am Montag deutliche Worte zur geplanten Veranstaltung von Pegida. "Das ist kein guter Tag für Dresden", sagte Sachsens Innenminister. Mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders hätten die Pegida-Organisatoren einen Menschen eingeladen, der "Hass in sich trägt, der spaltet." Mit diesem Schritt sei definitiv "eine Grenze überschritten", betonte der CDU-Politiker, der für seine Partei auch als Kandidat für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Juni antritt. So hoch er das in der Verfassung garantierte Recht auf Demonstrationsfreiheit schätze - wer sich jetzt darauf berufe, um zur Pegida-Kundgebung in der Flutrinne zu gehen, müsse sich fragen lassen, "ob das noch in Ordnung ist", sagte Ulbig.

Damit vollzieht der 51-Jährige auch eine persönliche Kehrtwende: Noch im Januar und Februar hatte Ulbig sich mehrfach mit Pegida-Vertretern getroffen und sich davon auch durch heftige Kritik des sächsischen Regierungspartners SPD nicht abbringen lassen. Heute, sagte Ulbig auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den zwei anderen aussichtsreichen Dresdner Oberbürgermeisterkandidaten, dem amtierenden Rathauschef Dirk Hilbert (FDP) und Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), würde er sich mit Pegida-Vertretern sicherlich nicht mehr an einen Tisch setzen.

"Hass ist keine Meinung", ergänzte auch Dirk Hilbert. Der Appell an die Pegida-Anhänger, "genau hinzuschauen, unter wessen Fahne sie sich da versammeln", sei kein Wahlkampf, sondern eine "Herzensangelegenheit". Dresden und auch der Freistaat Sachsen seien dringend auf internationale Spitzenkräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur angewiesen. Offen zur Schau gestellte Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass seien dabei "extrem kontraproduktiv." Eva-Maria Stange beklagte, Dresden sei inzwischen zur "Kulisse" für eine Bewegung geworden, die sich nicht den Fragen, Sorgen und Nöten der Menschen widme, sondern diese missbrauche.

Auch deshalb, so Stange, seien sich alle drei Kandidaten einig darin, den friedlichen Protest gegen Pegida prinzipiell ausdrücklich zu begrüßen. In den Details offenbarten sich allerdings deutliche Unterschiede: Im Gegensatz zu Ulbig und Hilbert schloss Stange in ihre Freunde, "dass so viele auf die Straße gehen", ausdrücklich auch das Bündnis "Dresden Nazifrei" mit ein. Das Bündnis, das sonst gegen die Neonazi-Aufmärsche rund um den Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Februar aktiv ist, hatte eine Gegendemonstation in Sicht- und Hörweite der Pegida-Kundgebung geplant. Die hatte das Dresdner Verwaltungsgericht am Montagmittag untersagt. Seitdem ruft "Dresden Nazifrei" dazu auf, die Zufahrtswege zur Flutrinne zu blockieren. "Das wäre nicht mein Mittel der Wahl", sagte Stange und wies auch darauf hin, dass eine Blockade gesetzeswidrig wäre. Entscheidend sei aber, dass jegliche Protestform friedlich bleibe. Das unterstrich auch Markus Ulbig - "diesmal in meiner Rolle als Innenminister." Seine letzten Sätze indes konnte man sogar fast als Ermunterung für die Gegendemonstranten verstehen: Wenn Pegida-Anhänger für sich das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit in Anspruch nähmen, dann gelte dieses Recht heute "erst recht auch für die anderen".

Es ist nicht der erste Auftritt in Deutschland

Bei der Polizei lief am Montag schon lange vor Beginn der Pegida-Kundgebung der Großeinsatz an. Transporter der Polizei kurvten in Kolonnen durch die Innenstadt und an der Flutrinne vorbei. Zu sehen waren Fahrzeuge mit Bereitschaftspolizisten aus Sachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Mit der massiven Präsenz sollte offenbar den Gegnern von Pegida demonstriert werden, dass eine Blockade der Straßen zu dem Areal sofort auf Widerstand der Polizei stoßen würde. Das Bündnis "Dresden nazifrei" hatte entsprechende Aktionen angekündigt. Die Allianz mehrheitlich linker Gruppierungen hatte in vergangenen Jahren im Februar mehrmals die Märsche von Rechtsextremisten zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens aufgehalten.

Der angekündigte Auftritt von Geert Wilders würde nicht der erste in Deutschland sein. Der niederländische Islamfeind hatte bereits 2010 und 2011 in Berliner Hotels auf Veranstaltungen der rechtspopulistischen Splitterpartei "Die Freiheit" gesprochen. Dabei warf er im September 2011 "Deutschlands Eliten" vor, sie erhöhten "die Geschwindigkeit der Islamisierung" der Bundesrepublik. Der Partei "Die Freiheit" nützten Wilders' Brandreden nichts. Bei keiner Wahl kam sie auch nur in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde. Wilders selbst hat in den Niederlanden auch an Popularität eingebüßt. Bei den Parlamentswahlen 2012 kam seine "Partij voor de Vrijheid" nur noch auf 10,1 Prozent. Zwei Jahre hatte sie 15.5 Prozent erreicht.

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, hier auf einer Archivaufnahme vom März.
Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, hier auf einer Archivaufnahme vom März.
© dpa

Unterdessen steht dem vorbestraften Bachmann möglicherweise noch in diesem Monat weiterer Ärger mit der Justiz bevor. Es sei denkbar, dass die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung im April abgeschlossen werden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, dem Tagesspiegel. Im Januar waren Hassparolen gegen Flüchtlinge bekannt geworden, die mit Bachmanns Namen im September 2014 bei Facebook gepostet wurden. Kriegsflüchtlinge, die Bachmann bei seinen Reden in Schutz nahm, werden in dem Kommentar als "Gelumpe", "Dreckspack" und "Viehzeug" bezeichnet. Bachmann trat dann im Januar als Pegida-Chef zurück und entschuldigte sich "aufrichtig bei allen Bürgern, die sich von meinen Postings angegriffen fühlen". Er war zudem mit einem Selfie in Hitler-Pose beim Pegida-Vorstand unter Druck geraten.

Oberstaatsanwalt Haase wollte sich vor dem Ende der Mitteilungen jedoch nicht dazu äußern, ob die Behörde die diffamierenden Sprüche Bachmann zuordnet. Sollte die Staatsanwaltschaft Anklage erheben, würde Bachmann eine empfindliche Strafe drohen, womöglich sogar Haft. Als die Postings bekannt wurden, stand er noch wegen eines Drogendelikts unter Bewährung. Außerdem ist Bachmann seit März rechtskräftig wegen Verletzung der Unterhaltspflicht für seinen Sohn zu einer Geldstrafe verurteilt. Bachmann hatte der von ihm getrennt lebenden Mutter des Kindes 1800 Euro vorenthalten.

Der Agitator kennt bereits eine Gefängniszelle von innen. Bachmann wurde 1998 nach 16 Einbrüchen zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Zunächst entzog er sich der Strafe durch eine Flucht nach Südafrika, doch er wurde nach Deutschland abgeschoben. Bachmann saß dann 14 Monate im Gefängnis und kam auf Bewährung frei. 2008 erwischte ihn die Polizei als Drogenkurier mit 54 Gramm Kokain. Dafür erhielt Bachmann zwei Jahre auf Bewährung.

Die Polizei ermittelt zudem wegen einer mutmaßlichen Todesdrohung gegen Anhänger von Pegida. Sie sollen Ostermontag zwei Mitarbeitern der Dresdener Kreuzkirche beschimpft haben. Ein Pegida-Fan ließ sich offenbar zu dem Satz hinreißen, "es könnte sein, dass ich dir die Kehle durchschneide". Anlass für die Wut war offenbar das Glockengeläut der Kreuzkirche während der Kundgebung von Pegida auf dem nahen Altmarkt. Der Dresdener Superintendent Christian Behr wandte sich nach dem Vorfall an die Polizei und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Bei dem Pegida-Aufmarsch zählte die Polizei mehr als 7000 Teilnehmer.

Bachmann selbst war diesen Montag nicht bereit, zu den Vorwürfen gegen sich und seine Anhänger mit dem Tagesspiegel zu sprechen. Auf dem Gelände der Kundgebung blockte am Mittag ein "Sicherheitschef" mit fleckiger Zimmermannshose einen Kontakt zu Bachmann ab. Der mürrische Security-Mensch fragte zwar per Handy den in der Nähe anwesenden Bachmann, ob er mit dem Reporter sprechen wolle. Doch die Absage war programmiert, "Herr Bachmann hat keine Zeit, mit Ihnen zu reden". Weitere Pegida-Ordner beobachteten die Szene. Einer der Aufpasser sah mit seinem langen, schwarzen Ledermantel, den Gürtel fest verschlossen, wie ein Gestapo-Mann aus.

Frank Jansen, Lars Radau

Zur Startseite