zum Hauptinhalt
"Das Prinzip der Mitte nicht aus den Augen verlieren, sondern stärken."
© Fabrizio Bensch/REUTERS

Die CDU nach Angela Merkel: Der Wettbewerb als Chance für die CDU

Die Partei muss jetzt das Prinzip der Mitte stärken. Ein Gastbeitrag.

Angela Merkel hat einmal gesagt: „Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden. Das ist viel schwerer, als ich mir das früher immer vorgestellt habe.“

Dieser Satz fiel nicht in der letzten Woche, als sie nach 18 Jahren den Verzicht auf den Vorsitz der CDU Deutschlands ankündigte. Sie sagte ihn im November 1998, also genau vor 20 Jahren, als frisch gewählte CDU-Generalsekretärin. Zwischen dieser Aussage und dem spätestens zum Ende der Wahlperiode erklärten Schlusspunkt ihrer politischen Karriere, liegt eine lange, erfolgreiche Phase deutscher Wiedervereinigungsgeschichte. Ob der Zeitpunkt ihres Ausstiegs der richtige war, kann heute nicht seriös beantwortet werden. Für mich war Angela Merkel genau die Richtige für die CDU und als Kanzlerin für unser Land.

In bewegten Zeiten stand und steht sie für klugen Pragmatismus, für Stabilität und Verlässlichkeit und für Ausgleich und humanitäre Verantwortung. Sie hat die CDU in schwerem Fahrwasser übernommen, zurück in die Regierung geführt und modernisiert. Während ihrer Kanzlerschaft ist Deutschland wirtschaftlich aufgeblüht und befindet sich seit zehn Jahren in einer konjunkturellen Hochphase. Wir sind nahe an der Vollbeschäftigung, haben solide Finanzen und beste Zukunftsaussichten. Dazu hat sie sich – bei allen Problemen und Differenzen – lange Zeit sehr erfolgreich für ein starkes und geeintes Europa im Sinne Konrad Adenauers und Helmut Kohls eingesetzt. Sie genießt in der ganzen Welt ein hohes Maß an Ansehen und Wertschätzung.

Dennoch war die Entscheidung, den Parteivorsitz aufzugeben, richtig, zugleich aber auch eine große Überraschung. Dass sich nun gleich mehrere renommierte Persönlichkeiten wie die ehemalige Ministerpräsidentin und aktuelle Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, der frühere Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz oder Gesundheitsminister Jens Spahn um die Nachfolge bewerben, ist aus meiner Sicht ein gutes Zeichen.

Wettbewerb belebt nicht nur die CDU, sondern tut auch der politischen Kultur in unserem Land gut. Ich erlebe das in diesen Tagen sehr deutlich. Viele Bürger sprechen mich darauf an. Jeder hat seine Meinung, seinen Favoriten oder seine Vorstellung von der Zukunft. Genau von dieser Diskussionskultur leben Parteien. Ich werbe ausdrücklich dafür, dass wir jetzt das Prinzip der Mitte nicht aus dem Blick verlieren, sondern stärken. Deshalb geht es für mich auch nicht um einen Ruck der Union nach links oder rechts, sondern um einen Ruck nach vorn. Die Union ist im Aufbruch. Wir brauchen keine Richtungsdebatten, sondern Lösungen für den Alltag der Menschen und ein positives Zukunftsbild für unser Land. Das erwarten die Bürger.

Absoluten Handlungsbedarf sehe ich beispielsweise in der Bildung. Aus meiner Sicht braucht es eine grundlegende Debatte über den Bildungsföderalismus. Statt 16 Ländern mit 16 teilweise sehr unterschiedlichen Bildungssystemen müssen endlich vergleichbare Rahmenbedingungen, Inhalte und Prüfungen geschaffen werden. Wenn Familien umziehen und das Bundesland wechseln, dann darf das für die Schüler keine bildungspolitische Weltreise mehr sein. Auch bei der Ausbildung und Bezahlung von Lehrern hätte es längst gemeinsamer Standards bedurft. Den aktuellen Lehrermangel hat jede politische Partei mit zu verantworten. Und auf die digitale Entwicklung müssen wir zeitgemäß mit einem entsprechenden Unterrichtsfach reagieren. Darauf kommt es an, darauf sollte die Union stärker setzen.

Ebenso wichtig wird es sein, auf gleichwertige Lebensverhältnisse zu achten, damit die Menschen dort gut leben können, wo sie leben und wo ihre Heimat ist. Dabei spielen leistungsfähige Strukturen und Versorgung eine Rolle, aber auch gesellschaftlicher Zusammenhalt und das soziale Miteinander.

Der oder die neue Vorsitzende wird nach meiner Auffassung vor allem erfolgreich sein, wenn die CDU fest in der Mitte der Gesellschaft steht und dafür sorgt, dass der Staat handlungs- und durchsetzungsfähig bleibt. Es bedarf nicht neuer Gesetze, sondern was gilt, muss konsequent durchgesetzt werden. Ich erhoffe mir von einem oder einer neuen Bundesvorsitzenden auch kreative Impulse und Zukunftsperspektiven. Dass es dabei zu anderen Akzenten und Abweichungen gegenüber der Politik von Angela Merkel kommen wird, ist bei jedem der Kandidaten zu erwarten. Deutlich stärker als bisher wird es auf ein gutes Zusammenspiel der Führung aus Partei, Fraktion, Kanzlerin und anderen ankommen. Das wird nicht immer leicht, bietet aber Chancen – auch für unseren CDU-Landesverband mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September 2019.

Denn SPD und Linke haben unser Land in den letzten Jahren einfach schlecht regiert und sind weit unter dem geblieben, was mit der hervorragenden Wirtschaftslage alles möglich gewesen wäre. Über die Hälfte der Legislaturperiode hat sich Ministerpräsident Woidke an seiner von oben verordneten Kreisreform abgearbeitet – bis ihn die Bürger vor einem Jahr stoppten. Wichtige Aufgaben sind dabei liegen geblieben und das sieht man heute. Zum Beispiel bei der Sicherheit. Nach der verfehlten Polizeireform und dem Stellenabbau wurde nun ein Polizeigesetz vorgelegt, welches im Streit zwischen der SPD und der Linken entstanden ist – und genau so sieht das Ergebnis auch aus. Zu Recht kritisieren die Spitzenverbände der Polizei, dass Brandenburg damit nicht auf gleicher Höhe mit anderen Ländern liegt und die Sicherheit der Bürger nur zweite Wahl ist.

Sicherheit, Bildung, Infrastruktur und vieles mehr wollen wir nächstes Jahr thematisieren und die Menschen mit unseren Ideen davon überzeugen, dass in Brandenburg dringend ein Politikwechsel nötig ist.

Das funktioniert natürlich deutlich besser, wenn man im Landtagswahlkampf nicht ständig das Erscheinungsbild der Großen Koalition im Bund erklären muss. Deshalb freue ich mich in jedem Fall über den Schwung, den der oder die neue Bundesvorsitzende bringen wird. Den Wettbewerb um die Führung der CDU Deutschlands sehe ich deswegen als große Chance.

Ingo Senftleben ist Vorsitzender der CDU in Brandenburg und Fraktionsvorsitzender seiner Partei im brandenburgischen Landtag.

Ingo Senftleben

Zur Startseite