Staatsvertrag mit Islamverbänden: Der Wert des Symbolischen
Als erstes Bundesland will Hamburg einen Staatsvertrag mit islamischen Verbänden schließen. Darin werden unter anderem religiöse Feiertage, der Religionsunterricht oder der Bau von Gebetsstätten geregelt. In Berlin müssen Muslime darauf wohl noch lange warten.
Die Verhandlungen zwischen dem Hamburger Senat und den islamischen Dachverbänden haben fünf Jahre gedauert, angestoßen hatte sie 2007 Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Jetzt stellten Senat und muslimische Verbände gemeinsam den Entwurf für den Staatsvertrag vor. Darin sollen Aspekte der Religionsausübung geregelt werden, zum Beispiel religiöse Feiertage, Religionsunterricht, der Bau von Gebetsstätten und die Art der Bestattung.
Einige muslimische Feiertage (Ramadan, Opferfest, Aschura) werden künftig von ihrer religiösen Bedeutung her mit kirchlichen und jüdischen Festtagen auf eine Ebene gestellt. Der Hamburger Feiertagskalender muss dadurch aber nicht erweitert werden. Muslimische Arbeitnehmer haben dann zwar ein vertraglich verbrieftes Recht, sich an den drei Feiertagen frei zu nehmen, sie müssen die Tage aber nacharbeiten oder dafür Urlaub nehmen. Der Vertrag sieht außerdem vor, dass muslimische Lehrer an den öffentlichen Schulen Religion unterrichten dürfen. In Hamburg ist Religionsunterricht ordentliches Schulfach. Er ist überkonfessionell angelegt, wird aber von der evangelischen Kirche verantwortet.
Andere Regelungen schreiben fest, was sowieso schon Praxis ist, etwa die Bestattung der Toten ohne Sarg – wie es die islamische Tradition vorsieht.
Dennoch ist es erstaunlich, dass die Einigung überhaupt zu Stande gekommen ist. Denn Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften waren bislang an den rechtlichen Status der Religion als Körperschaft des öffentlichen Rechts gebunden. Diese Organisationsform setzt voraus, dass man eine feste Zahl von Mitgliedern nachweisen kann, und ist dem Islam fremd.
In Hamburg hat man eine Zwischenlösung gefunden und die drei islamischen Dachverbände Ditib, Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, Verband der Islamischen Kulturzentren sowie die Alevitische Gemeinde offiziell zu Religionsgemeinschaften aufgewertet. Der geplante Vertrag enthält aber keine Regelungen über finanzielle Zuwendungen des Landes Hamburg an die Verbände, wie sie für die Kirchen und jüdischen Gemeinden üblich sind. Muslimische Verbände begrüßten die Ankündigung des Vertrages. Er sei ein „Riesenschritt zur Gleichstellung der islamischen Religionsgemeinschaften“, sagte etwa die Islamische Gemeinschaft Mili Görüs.
Auch in Berlin bemühen sich muslimische Organisationen um Verhandlungen mit dem Senat über einen ähnlichen Vertrag. Vor Jahren argumentierte der Senat, dies sei nicht möglich, da die Verbände in der Hauptstadt zu zersplittert seien und Ansprechpartner fehlten. Mittlerweile haben die Verbände große Schritte unternommen, um sich zu einigen wenigen Dachverbänden zusammenzuschließen.
Jetzt heißt es aus der Senatskanzlei, in Berlin sei ein solcher Vertrag nicht nötig, weil sowieso vieles schon umgesetzt sei. Was die muslimischen Feiertage angeht, mag das stimmen. Muslimische Kinder können an einem Tag im Ramadan und an einem Tag des Opferfestes von der Schule fernbleiben, ohne dass ihnen ein Fehltag angerechnet wird. Und viele Unternehmen geben ihren muslimischen Arbeitnehmern an den höchsten Feiertagen frei. Auch die Bestattung ohne Sarg ist in Berlin möglich. Regelungen für den Islamunterricht sind allerdings nicht zu vergleichen, da der Religionsunterricht in Berlin kein ordentliches Schulfach ist.
Abgesehen von den Detailregelungen liegt der Wert des Vertrages in der Symbolkraft: Die staatliche Anerkennung, die Christen und Juden schon lange zuteil wird, kommt nun auch den Hamburger Muslimen zugute. Wie es aussieht, müssen die Berliner Muslime darauf noch lange warten. Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) äußerte sich zu den Hamburger Plänen nicht, auch nicht auf Anfrage.
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