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Da hört der Kandidat ganz genau hin: Olaf Scholz, eingerahmt von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.
© dpa

Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat: Der Vizekanzler wird auf einmal zum Hoffnungsträger der Parteilinken

Emotional tun sich viele Genossen schwer damit, dass der Finanzminister sie in die Bundestagswahl führen soll. Die Parteichefs werben für ihn.

Die einstimmige Entscheidung der SPD-Gremien für Scholz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich vor allem der linke Parteiflügel damit sehr schwer tut. „Ich verstehe die Emotionen. Und kann nur weiter um euer Vertrauen bitten“, twitterte Parteichefin Saskia Esken. Auch ihr Ko-Chef Norbert Walter-Borjans zeigte „Verständnis dafür, dass da auch ein Stück Enttäuschung ist“.

Juso-Chef und Parteivize Kevin Kühnert, lange ein Gegenspieler von Scholz in der SPD, sprach ebenfalls erst einmal die Gefühle an, bevor er um Unterstützung für den Kandidaten warb: „Dass wir nicht in Jubel verfallen und Olaf Scholz mit großer Gewissheit auch nicht mehr Ehrenvorsitzender der Jusos in diesem Leben werden wird, damit kann er leben“, meinte er und fügte für den SPD-Nachwuchs hinzu: „Damit können wir leben.“

Die prekäre Gefühlslage vieler in der SPD kommt nicht von ungefähr: Scholz hat zumindest in der Bundespartei noch nie Begeisterung entfacht, galt vielen als „Parteirechter“. Als Generalsekretär unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder verteidigte er dessen Sozialreformen und holte sich eine blutige Nase, als er den „demokratischen Sozialismus“ aus dem Grundsatzprogramm streichen wollte.

Viele hatten darüber vergessen, dass der Hamburger einmal Juso-Vize und anfangs im Bundestag Mitglied der „Parlamentarischen Linken“ war. Den kühlen Pragmatiker, der kein linkes Regierungsbündnis im Bund anstrebt, wollte eine Mehrheit deshalb auch nicht als Parteichef.

Die Herzen der Genossen hat Scholz noch nie gewärmt

Glaubt man Esken, Borjans und Kühnert, dann hat sich der Vizekanzler seit seiner Niederlage im Mitgliederentscheid auf die neue, deutlich linkere Parteiführung zubewegt. Man müsse Politikern zugestehen, „Erkenntnisprozesse durchzumachen“, forderte der Juso-Chef am Dienstag und sprach davon, dass in diesen acht Monaten „Vertrauen in die Zusammenarbeit gewachsen“ sei.

Welche Gefahr aber birgt emotionale und auch programmatische Distanz von Teilen der Partei zum Kandidaten? Peer Steinbrück brach 2013 auch deshalb ein, weil seine Person und das linke Wahlprogramm nicht zusammenpassten.

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Aber Steinbrück unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt vom heutigen Finanzminister: Er gab sich nie Mühe, seine Verachtung für seine Partei zu verbergen. Über Scholz dagegen sagte ein Präsidiumsmitglied: „Er hat noch nie auch nur ein schlechtes Wort über die SPD gesagt.“

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Steinbrück hatte damals „Beinfreiheit“ für sich als Kandidaten beansprucht - und musste sich dann doch einmauern lassen von Parteibeschlüssen. Zumindest nach Ansicht von Kühnert kann sich das nicht wiederholen. Scholz habe die Beschlüsse zu einem linkeren Kurs der SPD mitgetragen, argumentierte er.

Sogar der Distanz von Scholz gegenüber der Linkspartei gewann der Juso-Chef in einer dialektischen Wende einen Vorteil ab. So wie nur ein SPD-Kanzler Schröder Sozialreformen und eine CDU-Kanzlerin Merkel den Atomausstieg habe durchsetzen können, so werde womöglich nur Scholz in der Lage sein, „ein Linksbündnis zu ermöglichen“. 

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