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Ägypten: Der tiefe Sturz des Hosni Mubarak

Mit der Anklage gegen Mubarak reagiert Ägyptens Justiz auf wachsenden öffentlichen Druck.

Vom Herrscherthron auf die Anklagebank. In den hundert Tagen seit seinem Sturz ist Ägyptens früherer Präsident Hosni Mubarak tief gefallen. Inzwischen drohen dem 83-Jährigen, dessen Macht drei Jahrzehnte lang als unerschütterlich galt, nicht nur Anklage und Prozess, sondern womöglich sogar der Strang. Am Dienstag erhob Generalstaatsanwalt Mahmoud Abdel-Meguid Anklage gegen Mubarak sowie seine Söhne Gamal und Alaa. Der oberste Ankläger Ägyptens ist überzeugt, dass der Ex-Diktator den Schießbefehl seines Innenministers Habib al Adly zumindest gebilligt hat. Damit aber sei er mitverantwortlich für „vorsätzlichen Mord an friedlichen Demonstranten“ und „versuchten Mord“ angesichts vieler tausender Verletzter. Mubarak habe „Polizisten und Offiziere aufgehetzt, auf die Opfer zu schießen, andere gezielt zu überfahren, um sie zu töten, und wieder andere so zu terrorisieren, dass diese von ihren Forderungen ablassen“, heißt es in der Anklageschrift.

Mit ihrem plötzlichen Tempo reagierte die ägyptische Justiz auf wachsenden öffentlichen Druck. Dabei hatten die skandalösen Vorfälle am letzten Samstag beim ersten Prozesstag zum Schießbefehl gegen Ex-Innenminister Adly die Empörung neu angefacht. Der als regimenah bekannte Richter hatte die Verhandlung entgegen aller Zusagen in einen viel zu kleinen Gerichtssaal verlegt, so dass es schon beim Einlass zu schweren Handgreiflichkeiten zwischen Angehörigen und der Polizei kam. Nach wenigen Minuten vertagte die Kammer den Prozess auf Ende Juni – für die Demokratiebewegung ein taktisches Manöver, um Zeit zu gewinnen und so vielleicht auch Mubarak einen Prozess zu ersparen. Dessen Anklage nämlich fußt vor allem auf möglichen Angaben Adlys, dem die Todesstrafe droht. Sagt der frühere Minister gegen seinen ehemaligen Chef aus, bestätigt er, dass die Mubaraks die Schießbefehle angeordnet oder gebilligt haben, könnte dies für alle drei das Todesurteil bedeuten.

Der Prozess ist ein klares Signal an die übrigen Despoten der Region. Zum ersten Mal in der modernen Geschichte der arabischen Welt zieht ein Volk seinen ehemaligen Diktator für schwere Verbrechen zur Verantwortung. Zwar wurde der frühere irakische Diktator Saddam Hussein 2006 verurteilt und gehenkt, sein Prozess aber galt vielen als Werk der amerikanischen Besatzer. Gegen Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi und seinen Sohn Saif al Islam sind vor dem Internationalen Strafgerichtshof Haftbefehle beantragt, um ihnen ein Exil in Straffreiheit zu versperren. Auch Jemens Ali Abdullah Saleh kann daheim nicht mehr mit Amnestie rechnen, genauso wenig wie Syriens Präsident Bashar al Assad. Tunesiens Zine El Abidine Ben Ali und seine Frau wurden inzwischen angeklagt wegen „vorsätzlicher Tötung“ und 17 weiterer Delikte. Sein Fluchtland Saudi-Arabien reagierte auf das Auslieferungsersuchen aus Tunis bisher nicht. Und dem Militärrat in Kairo soll der reichste Mann in Riad, Prinz al Walid bin Talal, ein Milliardengeschenk in Aussicht gestellt haben, falls er Mubarak laufen lässt.

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